Elfie Nadolny

Das Störchlein



Ein junges Studentenpärchen lebte in einer ausgebauten Scheune eines alten Bauernhofes glücklich und zufrieden miteinander.

Eines Tages, als es sehr heiß war, flog ein Storchenkind in ihre Wohnung und setzte sich der jungen Frau namens Saskia vor die Füße. Saskia streichelte es und das Störchlein ließ sie gerne gewähren und hüpfte ihr nachher auf den Schoß. Als Ramon nach Hause kam, sah er die Beiden in trauter Zweisamkeit und sagte: „Was machst du denn da? Das Tier muss in Freiheit.“ Er wollte das Tierchen packen und sanft hinaus befördern, aber es war schneller und versteckte sich. „Wir werden das kleine Wesen schon finden und ihm dann die Freiheit schenken“ sprach er zu seiner Partnerin. Sie schaute etwas betrübt, aber entgegnete nichts darauf. Sie widmeten sich dann ihren Büchern und ihren Notizen, bis sie müde wurden und erschöpft auf dem Sofa einschliefen. Als Ramon aufwachte, sah er, dass mitten im Bücherregal ein Federbüchel war, er ging näher und bemerkte das friedlich schlafendes Störchchen. Nun wollte er es mit seinen Händen sanft umfassen und nach draußen bringen. Auf einmal kam ihm ein Gedanke: „Wir haben das Tier ja schon angefasst, ob seine Mutter es dann noch annimmt?“ Saskia meinte: „Dann warten wir, bis es etwas größer wird und sich allein helfen kann.“ „Aber es muss sich doch ernähren, wir haben doch nicht das geeignete Futter“, entgegneter ihr Liebster. „Also morgen nach der Uni werden wir einen Tierarzt fragen, was man machen kann.“ Als sie wieder heim kamen, saß das Storchenkind am geöffneten Fenster und sah sehr zufrieden aus. Saskia fragte: „Meinst du, klein Adebar hat einen Ausflug gemacht?“ „Oh, nun hat er sogar schon einen Namen!“ rief Ramon aus. „Das heißt ja, du hast ihn schon angenommen.“ Adebarchen merkte, dass der junge Mann immer noch zögerlich war und schmiegte sich an ihn. Natürlich schmolz Ramon dahin. Und so blieb das Storchenkind bei ihnen, machte Ausflüge, besorgte sich sein Futter, kehrte wieder zu ihnen zurück und bald war er ihr Haustier, so eine Art Kindersatz.
Als er größer und größer wurde, beschlossen die Beiden, mal mit der alten Bäuerin zu sprechen, ob sie eine Idee habe, was man mit dem Storch machen könne, aber sie verschoben es immer wieder.
Eines Tages, als das Paar grad an einem heißen Tag mit Shorts in der Wohnung saß, kniff Adebar beide leicht ins Bein, es tat nicht weh, er wollte wohl spielen. Kurz darauf bemerkte Saskia, dass sie schwanger war. Ein Kind hatten sie sich schon gewünscht, aber doch nicht jetzt während des Studiums, das war zu früh, war weder zeitlich noch finanziell möglich. Traurigkeit und Freude mischte sich im Herzen Saskias und sie wusste nicht, was sie Ramon sagen sollte.
Als sie traurig auf den Hof schlenderte, begegnete sie der alten Bäuerin, die sofort bemerkte, dass mit der jungen Frau etwas nicht stimmte. Sie fragte: „Kindchen, was ist denn los?“ Saskia fielen die Tränen nur so aus den Augen und sie erzählte: „Jja, Kindchen, genau das ist der Punkt.“, begann sie, bis die Bäuerin, wusste, was los war. Ein breites freundliches Lächeln ging über das runde Gesicht der älteren Dame und sie rief aus: „Kinders, ich werd nicht mehr, ich werd Oma!“ Bevor Saskia noch etwas erwidern konnte, sagte die Bäuerin feierlich: „Ihr habt viel zu lange in dem alten Stall gewohnt, jetzt wo ich Oma werde, habe ich eine Verantwortung für unser Kindchen. Ich habe auch schon eine Idee, holen Sie mal ihren Liebsten zu einem gemeinsamen Gespräch.
Dann setzten sie sich bei einem Glas Apfelschorle zusammen und redeten. Die alte Dame eröffnete ihnen: „Mir ist das alte Bauernhaus schon lange zu groß, möchtet ihr da einziehen? Ich lass mir dann im Dachgeschoss eine schnuckelige Maisonette-Wohnung ausbauen und suche einen Knecht, der den Bauernhof verwalten kann und wenn er möchte, kann er dann in der Scheune, die ihr ja schon so schnuckelig eingerichtet habt, wohnen.“ Beide freuten sich und entgegneten gleichzeitig: „Das können wir doch nicht annehmen.“ „Oh, tut mir doch den Gefallen, ich wollte immer schon Kinder und Enkel haben. Der Bauernhof wirft genug für uns alle ab, ihr könnt weiter studieren und in der Zwischenzeit würd ich auf das Kleine aufpassen, oh welch eine Freude.“ Da konnten die Beiden nicht mehr widerstehen, fielen sich glücklich in die Arme und umarmten auch die alte Bäuerin.

Bis zu ihrem Umzug blieb Adebar bei ihnen, dann war er verschwunden. Sie suchten vergeblich nach ihm bis zu dem Tag, als das Kind geboren wurde. Da sahen sie auf dem Dach ein Storchennest und es schien, als grüße ein Storchenpaar ihnen zu.

© Elfie Nadolny

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.08.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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