Anita Engl

Der Tod des Rosenzüchters

Diese Geschichte ist frei erfunden ist aber eine Hommage an meine Geburts- und Heimatstadt Regensburg. Sie beruht nicht auf wahren Tatsachen und die Personen sind ebenfalls erfunden.
 
Es war ein warmer Junitag 1907. Ich bin Botaniker oder besser gesagt ich war Botaniker und schaute mir Parkanlagen im ganzen Deutschen Reich an. Zur Zeit befand ich mich in Regensburg. Eine alte Stadt mit vielene Sehenswürdigkeiten. Nun ja wie ich schon erwähnte: ich sah mir Parkanlagen an, aus berufsinteresse. Wenn ich einen Park genauestens unter die Lupe nahm, schrieb ich mir Notizen wie man den Park verschönern konnte und ging zum nächsten Rathaus um meine Notizen vorzulegen. Meistens wurden meine Vorschläge angenommen und ich beriet dann die hiesigen Gärtner wie sie  alles pflanzen mussten. Ich kannte mich ja aus mit Pflanzen. Und anstatt in Universitätslaboren Pflanzen zu untersuchen, ging ich eben in Parks. Meine Kollegen schüttelten zwar den Kopf und dachten wahrscheinlich ich wäre wahnsinnig aber ich hatte Spaß daran.
 
1907 befand ich mich deshalb in Regensburg um den Stadtpark zu besichtigen. Gerade sah ich mir ein Blumenbeet genauer an, als hinter mir jemand sagte: "Jackob Lister. Sie sind verhaftet." Erschrocken drehte ich mich um und sah meinen besten Freund aus Jugendtagen. "Stefan. Du hast mir einen Heidenschrecken eingejagt.", rief ich aus. Lachend umarmten wir uns. Ich sah ihn seit Ewigkeiten wieder und Stefan hatte mich wohl wiedererkannt, während ich durch den Park streifte.
Schon als 12 - Jähriger spielte er anderen gerne Streiche. Ich weiß noch wie er eine Kröte im Klassenzimmer freilies. 20 Schläge mit dem Rohrstock hatte Stefan bekommen. Ein andermal tauschte er die Gesangsbücher in der Kirche aus. Was zu einem heilosen Durcheinander führte. Dann mit 16 verließ er Leipzig. Und schließlich nach 20 Jahren traf ich ihn wieder. Stefan hatte immer noch den Lausbuben Ausdruck im Gesicht das schon sehr faltig aussah. Auch seine Haare waren ergraut. Einzig an seinem Lachen und den strahlend blauen Augen erahnte man seine 36 Jahre. Er sah jedoch ohne diese Merkmale aus wie fast 50.
"Oh ja, ich sehe alt aus. Aber wenn du dich genau wie ich rund um die Uhr nur um die Arbeit kümmerst, siehst du bestimmt auch so aus.", lachte er zu meinem überaschten Blick. "Was hast du den für eine Arbeit, die dich so in Beschlag nimmt?", fragt ich neugierig. "Ich bin Rosenzüchter. Das hört sich nicht nach Arbeit an, aber du solltest wissen, es ist wirklich schwer eine perfekte Rose zu züchten. Jahrelang habe ich verschiedene Rosen miteinander gekreuzt. Meistens waren die Blüten verkümmert oder sie verblühten schon nach 3 Tagen. Doch endlich habe ich sie gezüchtet, die perfekte und einzigartige Rose. Ich habe sie Blutkönigin genannt.", erzählte Stefan freudestrahlend. "Blutkönigin?" " Ja ein sonderbarer Name. Ich kann dir nicht erklären warum sie so heißt. Dazu musst du sie sehen." Schließlich willigte ich ein unter der Bedingung, er müsse sich mit mir Regensburg ansehen. So verabredeten wir uns für den nächsten Tag.
 
Es war 9:00 Uhr als Stefan endlich am Peters Dom eintraf, "Es tut mir Leid, ich musste noch die Blutkönigin füttern.", entschuldigte er sich.
Unsere erste Station war der gotische Dom St. Peter der um 1260 begonnen wurde zu bauen und 1520 fertig war, wie mir Stefan erzählte. Mich faszinierte hauptsächllich die wunderbaren Fenster. Ich hatte es nicht so mit Zahlen. Stefan führte mich zur Steinernen Brücke die 1135-1146 gebaut wurde und für die Karlsbrücke in Prag als Vorlage diente, vom Brückenscheitel befand sich das Bruckmandl das in Richtung Dom sah. Am Stadtamhof konnte ich die Walhallabahn sehen. Da ich schon als kleiner Junge von der Eisenbahn begeistert war, fragte ich Stefan ob wir mit der Bahn fahren, er verneinte denn er hatte Hunger wie er sagte. Also gingen wir wieder über die Brücke zurück und assen in der Wurstkuchl der ältesten Wurstbraterei der Welt. Anschließend sahen Stefan ich noch das Reichtagsmuseum mit einem mittelalterlichen Folterkeller, die Jakobskirche mit einem weltberühmten Schottenportal an das war der Haupteingang mit einzigartigen Steinmetzarbeiten und das Schloss Thurn und Taxis nicht zu vergessen. Es wurde ein schöner Tag in einer schönen Stadt. Als sich der Abend näherte versprach ich Stefan ihn am nächsten Tag zu besuchen und die Blutkönigin zu bewundern. Er schüttelte mir die Hand und ich bemerkte einen Verband daran.
"Du wirst schon sehen Jackob. Morgen.", lachte er denn Stefan bemerkte meinen fragenden Blick.
 
So fand ich mich um 7:30 Uhr morgens in Stefans Haus ein. Er bestand darauf, denn so konnte ich das Geheimnis der Blutkönigin sehen. Wir frühstückten etwas bis genau 8 Uhr. Schnell schritt Stefan in den Garten zu einer blutroten, vollkommenen Rose. " Das ist sie.",erklärte er. Ich sah wie er sich in den Finger schnitt, das Blut tropfte zur Erde in der die Rose blühte. Gierig sog sich das Erdreich mit Stefans Blut voll und ich schwöre bei Gott: die Rose gab ein Geräusch von sich, dass wie ein genussvolles Schmatzen klang. Ungläubig starrte ich Stefan an. "Jetzt weißt du warum sie Blutkönigin heißt. Sie ist die Königin aller Blumen und ernährt sich von Blut." "Aber das ist ja absurd eine Blume die Blut braucht, das kann ich nicht glauben so etwas kann es nicht geben." "Mein lieber Jakob hast du schon einmal etwas von der Venusfliegefalle gehört. Sie frisst Fliegen und die Blutkönigin Blut." unterbrach er mich. "Als Botaniker weiß ich von dieser Pflanze aber das eine Blume Blut braucht ist mir neu." "Du bist Botaniker? Das trifft sich wunderbar. Hör mal willst du mir vielleicht assistieren? Ich könnte jemanden brauchen." Spontan noch bevor mein Verstand überhaupt überlegen konnte sagte ich ja. Er pflückte mir ein Blütenblatt ab so dass ich etwas zu studieren hatte. Mir fiel auf das in den Blüten feine Linien zu sehen aber hier in diesen sind die Linien noch deutlicher und man sah auch  bei längeren Betrachten wie sich etwas in diesen Linien bewegte. "Das ist wirklich Unglaublich. Diese Rose hat einen Blutkreislauf wie ein Mensch. Stefan wie hast du so eine Rose überhaupt gezüchtet?", fragte ich meinen Freund. "Zufall oder nicht. Ich war in meinem Garten bei der Blutkönigin. Sie war vertrocknet obwohl ich sie jeden Tag goss. An dem Tag wollte ich sie herausreißen, da ich keine Verwendung mehr sah. Unglücklicherweise stach ich mich an einem Dorn. Das Blut tropfte herab und die Rose begann zu blühen. Am nächsten Tag war sie wieder vertrocknet. Ich gab ihr Wasser,denn ich  meinte zuerst es wäre nur eine Einbildung von  mir  gewesen, dass sie mein Blut trank. Aber ich täuschte mich. Nach dem Gießen fielen der Blutkönigin die Blüten zu Boden, also holte ich ein Messer um meinen Finger zu ritzen. Ja sie trank es und sie blühte wieder. Es hatten sich neue Blüten gebildet Jackob. Nun sah ich sie mir genauer an. Sie war nicht wie die anderen Rosen. Sie ist einzigartig, perfekt und wunderschön. Keine kaputte Stelle, kein Ungeziefer.
In den folgenden Wochen half ich so gut es ging . Ich schaute mir die Blüten unter einem Mikroskop an. In den Linien pulsierte tatsächlich Blut. Vereiste die Blüten, das Blut gefror und beim Auftauen war die Blüte tot, das Blut entwich und sie war schlaff, farblos. Ich erhitzte die Blüten, das Blut fing zu kochen an, das Blatt zeriss. Folglicherweise musste auch in den normalen Blättern Blut sein. Deshalb ging ich hinaus und zupfte eines ab. Da hörte ich sie zum ersten Mal. Die Blutkönigin sagte ganz leise "Au".
 
Ich dachte zunächst ich wäre eingeschlafen, dass ich dieses hier nur träumte. Nein es konnte nicht sein. Ich kniff mich, was ich spürte, also war ich wach.
An der Stelle wo ich das Blatt gepflückt habe, war ein Bluttropfen. Auch das Blatt verhielt sich bei meinen Forschungen wie die Blüten. Die ganze Rose war voll von Stefans Blut.
 
Wenn man vor ihr stand verströmte sie den angenehmsten Duft den es wahrscheinlich gab. Aber bei der geringsten Verletzung roch sie nach Blut. Irgendwie metallisch, einfach ekelerregend. Bei meinen Versuchen trug ich stets eine Gesichtsmaske vor der Nase um den Geruch nicht einatmen zu müssen. Das erste Mal wusste ich es nicht und musste gegen einen Würgereflex ankämpfen.
 
Eines Vormittags, Stefan war ausgegangen, da er jetzt jemand hatte der auf die Blutkönigin acht gab, wollte ich mir einen Dorn näher ansehen. Vorsichtig schnitt ich ihn ab, das Au der Rose war lauter als beim ersten Mal, erschrocken rutschte mir das Messer ab und ich schnitt mich in den Daumen.
Die Blutkönigin schmatzte genussvoll, diesmal am Ende lies sie ein lustvolles Stöhnen von sich hören. "Frischer.", wisperte sie. Ihre Stimme war so bezaubernd wie die einer Elfe. Einfach märchenhaft.
 
Von diesem Tag an schlich ich mich jedes Mal wenn Stefan sein Nachmittagsschlaf hielt zu der Blutkönigin um ihr mein Blut zu geben. Nur damit ich ihre Stimme hören konnte. Sie fing an sich mit mir zu unterhalten, zuerst zögerlich schließlich immer öfter. Ich war hin und hergerissen, nachts träumte ich von ihr. Ich war wie besessen, auch konnte ich es nicht mehr ausstehen, wenn Stefan sie fütterte. Eifersüchtig bildete ich mir ein, die Rose konnte ihn mehr mögen, da er sie auch gezüchtet hat.
 
Dann, es war der 23. August flehte sie mich an: "Ich brauche dich Jackob. Er will mich sterben lassen hat er gestern gesagt. Hilf mir ich will nicht sterben. Jackob ich liebe dich. Lass nicht zu das er mir wehtut."
Es klang so bitter. Deshalb ging ich nach drinnen wo Stefan gerade aufgestanden war. "Sag mir Stefan, was hast du mit der Rose vor?", sagte ich ihm direkt ins Gesicht. "Hör zu, Jackob. Ich muss sie zerstören sie ist ein Werkzeug des Teufels geworden. Sie ist zu gierig. Jeden Tag brauchte sie mehr Blut."
 
Das konnte ich nicht zulassen. Sie die mich so erbarmungswürdig anflehte einfach sterben zu lassen. Ich raste innerlich und ich weiß nicht mehr wie es dazu kam, aber irgendwie ergriff ich ein Messer und stieß es ihm in den Hals. "Niemals wirst du sie töten.", sagte ich zu Stefan, der sich im Todeskampf befand. Ich hatte meinen besten Freund wegen einer Rose getötet. Verzweifelt musste ich nachdenken, was ich nun tun sollte, aber es ging nicht. Und zu allem Ärger hatte Stefan einige Rosenzüchterkollegen eingeladen um die Blutkönigin das letzte Mal noch herzuzeigen, sie standen nun in Stefans Haus. Inmitten meines Versuches nachzudenken waren sie hereingekommen. Da ich das Messer immer noch in der Hand hielt war es klar wer Stefan getötet hatte.
 
Sie riefen die Polizei und ich wurde festgenommen. Aber diese Ereignisse kann ich nicht klar schildern da ich mich kaum daran errinnern kann.
 
In der Gerichtsverhandlung wurde ich für unzurechnungsfähig erklärt, da ich immer wieder sagte die Rose hat es mir befohlen. So wurde ich in eine Anstalt eingewiesen, wo ich meine Geschichte niederschrieb um zu beweisen, das ich geistig klar bin. Ich hoffe ich habe es Ihnen alle beweisen können.
 
Ihr sehr ergebener Jackob Lister.
 
Zeitungsartikel der Regensburger Mittelbayerischen:
 
Botaniker stach Rosenzüchter im Wahnsinn nieder
 
Ein Botaniker hat am 23. August seinen Freund, einen stadtbekannten Rosenzüchter im Wahnsinn niedergestochen. Andere Rosenzüchterkollegen, die an diesem Tag zufällig dorthin eingeladen wurden erwischten den Botaniker auf frischer Tat.
Da er immer wieder beteuerte eine Rose hätte ihm die Tat befohlen, wurde er schließlich für unzurechnungfähig befunden und in die örtliche Anstalt für Geisteskranke eingewiesen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.09.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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