Christa Astl

Unheimlicher Besuch



 
Das alte Haus, in dem ich seit kurzem wohne, hat eine überdachte, mit großen Fenstern versehene Veranda zur Sonnenseite hin. Da ich sie als Wintergarten nutzen will, habe ich sie innen isoliert, mit einer dicken Schicht Dämmfilz und einer dicken Folie.
An einem schönen Spätherbstnachmittag, sitze ich noch draußen, vor mir wie üblich den Schreibblock. Plötzlich leise Nagegeräusche, irgendwo im Eck? Nanu, eine Maus? Sucht die Winterquartier bei mir? Aufmerksam gleitet mein Blick nach allen Seiten. Gerade vertiefe ich mich erneut in meinen Roman, höre ich es wieder: Krabbeln, Knabbern, Knistern, Trippeln, Huschen… - und da sehe ich es: Die Folie unten bewegt sich, so als ob Druck auf ihr laste. Druck von außen? Von unten? Ich erinnere mich, die Ziegel außen waren alt, verwittert, hie und da fehlte eine Ecke… groß genug, um einer Maus Einlass zu gewähren?
Aber das war keine Maus! Oder viele, denn an der Folie erkenne ich in Bodennähe mehr und mehr „Druckstellen“, bisher noch vergebliche Versuche eines Durchbruchs. Ich klopfe an eine Stelle dagegen, es drückt an anderer Stelle herein. Immer rasender klopfe ich, immer schneller wuselt die Gesellschaft draußen und versucht hereinzukommen. Da – ein erstes Loch, ich glaube Zähne zu erkennen, die eifrig nagen. – Geistesgegenwärtig nehme ich ein breites Brett, - erst jetzt sehe ich es, obwohl es doch schon seit der Renovierung im Frühjahr hier liegt, - drücke es gegen die sich unten bewegende Wand, spreize es erstmal dort an. Der Spuk ist vorbei – Ruhe. Erleichtert gehe ich ins Haus.
Ich öffne das Fenster, lüfte noch einmal bevor ich einheize, und nehme das Bild eines herrlichen Abendrotes, das meine Berge wieder beleuchtet, in mich auf. Plötzlich habe ich wieder das Krabbeln, Knabbern im Ohr. Und da sehe ich: Vom Boden herauf zum Fenster huschen sie, diese Nagegeister, Hunderte von kleinen Tierchen. Etwa 10 Zentimeter lang, der buschige Schwanz auch noch mal so groß, weiß mit dunklen Längsstreifen. Zu Dutzenden sind sie schon auf der Wand, bereit, das offene Fenster zu stürmen. Die Holzwand gibt ihren winzigen Krallen genug Halt, und viele, viele Tiere drängen von unten nach. Das erste hat das Fensterbrett erreicht, beim Versuch, es wieder hinunter zu stoßen verbeißt es sich schmerzhaft in meinen Finger. Mit Mühe gelingt mir, das Tier abzuschütteln, inzwischen erreichen drei weitere das Fensterbrett. Mit einem eisernen Pfannenwender schiebe ich zurück, was ich erreiche, immer mehr und mehr kommen herauf. Für jedes Hinuntergeworfene drei Neue. Mit Grausen und Entsetzen werfe ich das Fenster zu, hoffentlich habe ich keines eingezwickt!
Am etwas erhöhten Badezimmerfenster hocken bereits einige der Tierchen. Einzeln gesehen, würden sie ja recht putzig aussehen, aber in diesen Mengen?!!? Komisch, vor dem Schlafzimmer herrscht noch Ruhe, würden sie da wohl erst kommen, wenn ich im Bett liege?
Ich vertraue darauf, dass die Wände dick genug sind, dieser Nagerbande standzuhalten und gehe wieder zurück ins Wohnzimmer. Ich kann doch nichts mehr tun. Und auf keinen Fall kann ich die Haustüre öffnen und hinaus gehen. Es ist zu dunkel, um noch was zu erkennen, ich mache Licht und heize ein.
Herrscht jetzt wirklich Ruhe draußen oder haben sich meine Sinne an das Nagegeräusch gewöhnt? Ich verbringe einen ruhigen, einigermaßen gemütlichen Abend, solange ich nicht an meine „Besucher“ denke. Auch die Nacht verläuft ruhig, - bis…
Bis mich gegen Morgen ein Kratzen weckt. Panik überfällt mich. Sie sind wieder da! Jetzt vor dem Schlafzimmerfenster! Vor Angst gelähmt liege ich noch im Bett, kann kein Glied rühren. Draußen ist mondlose Nacht, mit dem leichten und vielversprechenden Schein eines anbrechenden schönen Tages. Wieder kratzt es, nun höre ich es deutlich an der Tür. – Und plötzlich bin ich hellwach!
Das kann ja nur Minka sein, die große getigerte Katze der Nachbarn, die ich eine Woche bei mir in Kost und Quartier aufgenommen habe, weil ihre Besitzer am Meer urlauben. Von zu Hause war sie gewohnt, zu jeder Tages- und Nacht durch ihren Katzeneingang ins Haus zu gelangen, meine Tür war aber dicht verschlossen. Das muss sie jetzt sein! Noch bin ich nicht ganz überzeugt, ob ich so einfach öffnen sollte. Was, wenn mich die Nagegeister überrennen, die Wohnung stürmen, mich anfallen und auffressen…? Ich schalte vorsichtshalber das Licht an, leuchte noch mit der Taschenlampe die Fensterbretter aus, - nichts. Oder doch – „Miauau“ - Eindeutig, diesen „Sprachfehler“ hat nur Minka! Immer hängt sie an ihr Miauen eine Silbe dran. - Wenn die draußen sitzt, besteht keine Gefahr, die wird ja auch mit Mäusen, sogar mit Ratten fertig! Erleichtert öffne ich die Türe, aber nicht ohne nochmals vorsichtig die Hauswand zu begutachten, -
Minka läuft zur Trinkschüssel, schlabbert ein wenig, dann begleitet sie mich ins Schlafzimmer und kuschelt sich eng an mich. Bis in den späten Vormittag schlafen wir tief und glücklich.
An den Horrortraum denke ich noch oft, und ob es solche Tiere überhaupt gibt, weiß ich bis heute nicht.
 
 
ChA September 2012

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.09.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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