Marion Mwamahe

Ein teuflischer Plan


Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden. Herbert Schröders Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen.
  Es war am Vormittag gewesen, als es an der Haustür geklingelt hatte. Ein Bote streckte Elfriede Schröder ein Telegramm entgegen. Sie hielt das Stück Papier in den zitternden Händen und las die wenigen Zeilen, die ihr das Martinus-Krankenhaus mitteilte. „Mein Vater ist gestorben. Ich soll so schnell wie möglich kommen“, sagte sie mit ihrer Stimme, die Herbert an eine krächzende Elster erinnerte.
  Elfriedes sonst fahlgraue und für ihr Alter schon sehr runzlige Haut färbte sich von einer Minute zur anderen zu einem hektischen Rot. Mit fahrigen Fingern suchte sie die Nummer des Bahnhofes aus dem Telefonbuch, hämmerte hastig auf den Tasten des Telefons herum und wurde erst ein wenig ruhiger, als sie die Abfahrtzeit des Zuges nach Hamburg kannte. Dann stieg sie schleppend die Treppe zum Schlafzimmer hinauf, um die nötigen Sachen für die kommende Nacht und den nächsten Tag zu packen.
  Während der ganzen Zeit hatte Herbert seine Frau stumm beobachtet. Jede ihrer Bewegungen, jedes Wort, ach was - allein schon ihre pure Anwesenheit war ihm ein Graus und ließ in ihm Abscheu und Hass aufsteigen.
  Elfriede sollte auf keinen Fall die alleinige Erbin des Millionenvermögens von Hubert Wegener werden! Der Alte hatte es zwar in seinem Testament so verfügt - doch es gab immer Mittel und Wege. Und so reifte in Herbert ein teuflischer Plan... Wenige Minuten später verließ er das Haus.
 
Nachdem die roten Schlusslichter des Zuges nicht mehr zu sehen waren, zog Herbert Schröder ein letztes Mal genüßlich an seiner Zigarette, warf sie achtlos auf das Bahngleis und trat langsam seinen Heimweg an.
  Nach kurzem Fußmarsch durch die dunklen Straßen kam er in sein Haus zurück. Herbert ging direkt ins Wohnzimmer und trat an den massiven Eichenschrank. Er öffnete die Bar und goß sich ein Glas seines geliebten Wiskys ein. Ein Ritual, das sich seit Jahren Abend für Abend, kurz vor dem Schlafengehen wiederholte.
  Mit zusammengekniffenen Augen schwenkte er das Wiskyglas in seiner Hand. Jetzt wird Elfriede die Reisetasche aufmachen, um ihr abscheuliches rosageblümtes Nachthemd herauszuholen, dachte Herbert. Und etwas Haariges wird sich in ihre faltige, fleckige Hand verbeißen. Sie wird zurückzucken, doch dann ist es schon zu spät. Sie fährt auf dem sichersten Weg in den Tod. Herbert spürte eine vollkommene Zufriedenheit und atmete tief durch.
  Bald würde er reich sein. Er allein würde das Millionenvermögen erben, und Elfriede war er dann endlich ein für allemal los. Sie würde vom Gift der Vogelspinne zerfressen werden, und kein Mensch würde je auf die Idee kommen, dass er dieses Tierchen - falls es überhaupt gefunden werden würde - heute beschafft und in die Reisetasche seiner Frau geschmuggelt hatte. Nach außen hin würde er die perfekte Rolle des gramgebeugten Witwers spielen, der um seine über alles geliebte Frau trauerte.
  Herbert setzte das Glas an seine Lippen und tat einen tiefen Schluck. Nach nur dem Bruchteil einer Sekunde spürte er den etwas merkwürdigen Geschmack in seiner Kehle. Es brannte höllisch. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Gesicht lief feuerrot an, verzog sich zur schmerzverzerrten Grimasse. Seine Hand verließ die Kraft, sie konnte das Glas nicht mehr halten. Mit einem dumpfen Aufprall fiel es auf den dicken Berberteppich, der den Wisky gierig aufzusaugen schien. Schröders Hände verkrampften sich zu Klauen und preßten sich in seine Magengrube. Etwas schien seine Eingeweide zerreißen zu wollen. Das Wohnzimmer verschwamm vor seinen Augen. Um ihn herum wurde es dunkler und dunkler, als er mit gequältem Aufschrei zusammensackte.
  „Elfriede - du hinterhältiges Weibsstück! Du hattest den gleichen teuflischen Plan ...“, röchelte Herbert Schröder mit weit aufgerissenen starren Augen, bevor sein Herz zu schlagen aufhörte.
 

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