Pempe Tutak

Das Ticken der Uhr

Das Ticken der Uhr beruhigte mich auf eine Art, die ich nicht verstand. Manche Menschen wurden davon nervös, ich jedoch wurde dadurch ruhiger. Ich saß auf der Fensterbank und wollte eigentlich an nichts denken. Aber wenn man an nichts denken will, dann denkt man immer an etwas. Hört sich das paranoid an?
Meine Gedanken schweiften zurück zum heutigen Gespräch.

"Ja, ich wünschte du wärst es. Ich wünschte, du wärst ein naives, kleines Kind. Aber das bist du nicht."
"Ich versteh dich nicht! Was willst du mir sagen?"
Ich sah seinen Blick auf mir ruhen. Diese Augen, in die ich mich verliebt hatte. Diese Augen, die mich verzaubert hatten, ohne dass ich es wollte.
"Glaubst du an die Liebe?"
Diese Frage kam zu überraschend, sodass ich ihn erst mal nur anguckte, ohne eine Antwort zu geben. "An die Liebe?"
Er nickte:"Ja, glaubst du an die Liebe?"
Ich schmunzelte, als ich die Frage auch wirklich registrierte:"Liebe? Wovon jeder spricht? Tag ein, Tag aus? Was man immer zu im Fernsehen sieht?"
Ich stand auf und drehte mich der Sonne zu:"Ich bin verliebt, denke ich. Aber an die Liebe glaube ich echt nicht. Wenn ich Liebe definieren würde, dann wäre sie etwas, was es nur einmal gibt. "Die einzige und wahre Liebe" wie sie manch einer nennt. Aber davon sehe ich in der Welt nichts.
Jeder auf dieser Welt hat bestimmt zu mindestens zwei Leuten 'ich liebe dich' gesagt und es anscheinend nie wirklich so gemeint. Wenn ich einmal 'ich liebe dich' sagen sollte, dann würde ich es auch so meinen und es auch wirklich nur ein einziges Mal aussprechen. Ich streite keineswegs ab, dass es die Liebe gibt. Es mag sie geben, aber ich glaube nicht an sie. Ich bin verliebt, aber ich glaube nicht an sie."
Ich spürte wie er aufstand und sich mir näherte.
"Das mein ich mit naiv und klein. Glaub doch einfach an die Liebe. Sei doch bitte so naiv!"
Nun stand er nicht mehr hinter mir, sondern vor mir. Er verdeckte die Sonne. Ob er es wohl merkte?
"Wenn ich dich manchmal anschaue, dann sehe ich keine junge, hübsche Frau von 18 Jahren, sondern eine alte Frau, die viel zu viel Lasten auf ihrer Schulter trägt und am Ende ihrer Kräfte ist. Warum?"
Ich schaute ihn nicht an. Ich konnte nicht. Ein leichter Wind kam auf und ließ mich leicht frösteln:"Wenn ich sagen würde, ich weiß es nicht, dann wäre das gelogen. Ich habe viel erlebt. Ich mache mir zu viele Gedanken über alles. Perfekt sein. Ich bin eine Perfektionistin und sehr pessimistisch. Vielleicht reißt mich das so runter und lässt mich älter wirken, als ich wirklich bin. Ich weiß es nicht."
"Schau mich an, bitte."
Ich hob langsam den Blick. Warum konnten wir Menschen eigentlich keine Gedanken lesen? Ich spürte, wie seine Hände auf meiner Taille lagen. Wann hatte er sie nochmal dahin gelegt? Er kam immer näher, so nah, dass ich seine Wimpern zählen konnte. Eins. Zwei. Drei. Seine Lippen berührten die meine und er fing an mich sanft zu küssen. War ich bei drei oder vier stehen geblieben? Und ohne dass ich es bemerkte, fing ich an seinen Kuss zu erwidern. Nach einer viel zu kurzen Zeit lösten wir uns und er schaute mich an:"Wenn ich dir sagen würde, ich liebe dich, was würdest du drauf antworten?"
Ich erwiderte seinen Blick und antwortete:„Nicht das, was du dir erhoffst denke ich.“
Mit diesem Satz drehte ich mich um und ging.

Ohne das ich es gemerkt hatte, stand ich nun auf der Fensterbank und lauschte den Geräuschen der Straße. Ob irgendjemand wohl merkte, dass ich hier oben am offenem Fenster stand?
Ich schloss die Augen und spürte wie es plötzlich anfing zu regnen. Wann hatte ich eigentlich die Augen geöffnet? Ob er sich wohl Sorgen machen würde? Ich machte ein Schritt nach vorn und das Letzte was ich hörte, war das Ticken der Uhr, das mich beruhigt an nichts denken ließ.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.10.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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