Ulla Meyer-Gohr

Der PC wird MENSCH !




Das Schreibprogramm von Word öffnet sich. Der kleine Curser erscheint. Ungeduldig zuckt er und vollzieht Streckübungen auf dem Monitor. Einen Tastenbefehl ab zuwarten, das, zählt nicht zu seinen Stärken. Kaum spürt er den ersten Anschlag auf einer Type schon hetzt er motiviert los, weist dem gewählten Buchstaben einen Weg, fügt hier ein Komma, dort einen Punkt oder andere Ergänzungen hinzu bis ein wohlklingendes Satzgefüge entsteht. Plötzlich schlägt Astrid Holding stärker auf die Tastatur als notwendig. Der Curser katapultiert sich in die ersten  Zeilen des Briefes zurück und landet neben:

                                               Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

Kopflos nimmt er die nächsten Befehle nicht mehr wahr, schiebt Sätze zusammen oder reißt andere auseinander, fast könnte man von einer Befehlsverweigerung sprechen.
      "Dummes Kerlchen wie ein Mimöschen stellst du dich an !" Astrid zeigt dem zuckenden, schwarzen Strich , auf dem Monitor, ihren warnenden Zeigefinger," erzürne mich nicht !"
Nachdem sie das Schreibchaos beseitigt hat aktiviert sie das Druckprogramm. Der Drucker geht in  Hab-acht-Stellung. Ein Hin-und-Herschieben ertönt untermalt von abstrakten Tongeräuschen. Laut krächzend kündigt er die Fertigstellung an:

                                                      Tüennnnng, Tü, Tü, Tü, Tüennng  !
                                     Nän, Näääääääng, Nän,Nän,Nän !
                                       Pitäu, Pitäu, Täu,Täu.Täu      !                  
                                                      
                                                  Pause        


Dann folgt ein Staccato. Der Brief quält sich Stück für Stück aus dem Gehäuse und landet auf einem bereitstehenden Acryltablett.
      " Fertig !" Astrid leitet das Herunterfahren der Anlage ein, dabei gähnte sie und beobachtet die kleine, rotierende Scheibe, neben dem Wort, Herunterfahren, auf dem Monitor," wo will sich denn die Scheibe hin drehen, etwa nach Moskau ? - Diese Faxen passieren jetzt öfters. Wieder hat sich die Anlage aufgehängt. Das nervt allmählich und kostet Zeit. Irgendwas stimmt mit dem Kasten nicht. Morgen muss ein Fachmann her !"


Zwei Tage später steht ein junger Mann vor der Tür. Auf dem Arm trägt er den geprüften Rechner.
      " Ihre Anlage ist nicht mehr die Jüngste," meint er bei der Neuverkabelung des Rechners," sie müssen sich das so vorstellen:  ein alter Mensch kann auch nicht mehr so schnell agieren, so benimmt sich auch ihre Anlage. Lassen sie sie in Ruhe hochfahren. Treiben sie sie nicht zu einer Schnelligkeit, die sie nicht mehr umsetzen kann, sonst  reagiert sie mit Zieckerei. Inzwischen fordert die Neuzeit ein gewaltiges Tempo. Außerdem habe ich  ein neues Virenschutzprogramm eingegeben, und die lästigen Reklamen unterbunden. Das belastet nur. Die Kapazität der Festplatte von 350 MGT/s ist  auf 250 gedrosselt worden, um die Scherereien des Kratzers zu umgehen, der sich eingeschlichen hat. Windows hat keinen Zugriff mehr. Sie müssen sich das so vorstellen wie ein Herzinfarkt eines kranken Menschen. - Ich gebe ihrer Anlage noch zwei Monate - vielleicht, ein halbes Jahr - wenn es hoch kommt - zwei Jahre - aber das glaube ich nicht mehr. - Am besten entsorgen und neu an schaffen. Kaufen sie sich einen Laptop, dass ist einfacher und sie sind außerdem beweglicher; können ihn überall mit hinnehmen und sie sind die Sorge los."
      " Sind wir inzwischen eine  SCHMEISS - WEG - GESELLSCHAfT geworden, in der ein Verfalldatum bereits einprogrammiert wurde ?" Astrid sieht den jungen Mann mit großen, nachdenklichen Augen an," er spricht wie ein Arzt, über die gestellte Diagnose eines kranken, alten Menschen !"


                              Plötzlich sieht Astrid den jungen Mann in einem weißem Arztkittel vor sich.  
    

                                                                     

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.10.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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