Jürgen Berndt-Lüders

Heinrich kauft günstig ein

Heinrich fand, dass Edelgard nicht mit Geld umgehen konnte. Sie kaufte ein und er hatte zu zahlen, und zwar viel zuviel.
 
Heinrich war immer mit Edelgard zusammen einkaufen gegangen. Obwohl es ständig derselbe Supermarkt war, wusste er nur wo das Bier stand. Heinrich hatte sich immer an Edelgards Rockschöße gehängt und war nur stehen geblieben, wenn sie links und rechts einsammelte. Während der Zeit hatte er nur darauf geachtet, ob die Blicke der anderen Frauen signalisierten, dass er ihnen gefiel.
 
Jetzt wollte Heinrich allein einkaufen, schon um Edelgard beweisen zu können, dass er billiger davon kam. Weil sie nicht nur von Bier leben konnten, was er allerdings gern getan hätte, musste er sich völlig neu orientieren.
 
Als er dreimal durch die Gänge gelaufen war und nichts gefunden hatte, was er hätte essen mögen, fragte er eine Frau, die so aussah, als hätte sie ein Helfersyndrom.
 
„Entschuldigung, mein Name ist Heinrich, und ich bin Strohwitwer. Ich bin völlig hilflos, was das Einkaufen betrifft. Können Sie mir sagen, was man so einkauft, wenn man, sagen wir, ein Ehepaar ernähren will?“
 
Die Frau überlegte. Sie überprüfte das Gesagte auf seinen Wahrheitsgehalt. War das eine dumme Anmache? Nein, dann hätte dieser Heinrich nicht gesagt, dass er Strohwitwer sei.
 
„Wo das Bier ist, weiß ich“, fügte Heinrich stolz hinzu.
 
Die Frau lachte. Irgendwie gefiel ihr der Typ. „Sie können alles kaufen, nur rate ich Ihnen von Fertiggerichten mit Geschmacksverstärkern und viel zuviel Zucker ab. Gerade Männer neigen ja dazu, sich ausschließlich von Fertigpizzas und Miracoli zu ernähren.“
 
Heinrich nahm eine Packung aus dem Regal. Er las die Inhaltsstoffe vor.  „Glutamat ist auch ein Geschmackverstärker“, rief die Frau. „Sie müssen aufpassen, dass sie nicht über den Tisch gezogen werden. Die Nahrungsmittelfabrikanten sind mit allen Wassern gewaschen. Die täuschen selbst uns Frauen.“
 
Klar, dass die  Frauen täuschen können, dachte Heinrich.
 
„Auch bei den Preisen müssen Sie aufpassen. Am besten, Sie nehmen einen Taschenrechner mit und teilen den Gesamtpreis  durch das Nettogewicht. Dann haben Sie den Preis für das Gramm. Wenn Sie dann den Grammpreis mit dem Gewicht eines anderen Produkts multiplizieren und beide Preise vergleichen, wissen Sie, ob es teuerer oder billiger ist als das Referenz-Produkt.“
 
Heinrich staunte. „Mein Gott, ich bin doch kein Mathematiker. Weshalb läuft dann hier keine Frau mit einem Taschenrechner rum?“
 
„Weil die Damen alles im Kopf haben. Die meisten haben mal verglichen und wissen nun, was sie wollen.“
 
Stimmt, Edelgard weiß auch immer, was sie will, dachte Heinrich.
 
Heinrich bedankte sich und ging nun ohne Hilfe einkaufen. Heute nehme ich mal eine Flasche teuren Wein, dachte er. Edelgard würde bestimmt mal wieder mit ihm anstoßen wollen.
 
An der Kasse sah er seine Beraterin wieder. Sie stand hinter ihm und legte ein Stäbchen zwischen seine und ihre Einkäufe. Das kannte er. Bei Edelgard durfte er das auch. Neben dem Bierkauf und dem Bezahlen war das Ware-und-Stäbchen-aufs-Band-legen seine Aufgabe.
 
Heinrich packte den Einkaufswagen aus. Das Schwere zuerst, denn das kam später nach unten, und das Leichteste oben drauf. Das hatte Edelgard ihm beigebracht und das kannte er. Die Flasche Wein war schwer und sie stand schon, als das Band anruckte. Die Flasche kam ins Schlingern und stürzte vom Band. Sie zerschellte, und es machte sich ein Geruch wie in einem Weinlokal breit.
 
Das hatte er noch nicht gekannt, weil er immer nur Bier in Kästen gekauft hatte.
 
Was für ein Pech, was für eine Blamage. Hätte ich doch lieber Bier gekauft, dachte Heinrich. Die Kästen kippten nicht so leicht.
 
„Heinrich“, rief Edelgard von der Tür her. „Wo bleibst du denn?.“ Sie sah die Bescherung und die Gesichter der anderen Frauen. Das reichte ihr.
 
Heinrich stellte sich abseits, mit den Händen auf dem Rücken und mit gesenktem Kopf, und die Verkäuferin beseitigte den Schaden mit tatkräftiger Unterstützung von Edelgard und der Beraterin.
 
Nur bezahlen musste Heinrich.
 
„Mein Gott, dich kann man auch nicht allein lassen“, fand Edelgard, als sie die Einkäufe ins Auto luden. „Du bist ja so peinlich.“
 
„Ich hatte extra eine Flasche Wein für uns gekauft“, sagte er demütig.
 
„Den hat jetzt der Wischlappen. Wenn du den kostbaren Wein zu deinen Einkäufen hinzu zählst, hast du doppelt so teuer eingekauft wie ich.“
 
Heinrich beschloss, nie wieder mit einkaufen zu gehen. Diesen komplizierten Kram würde er nie lernen. Sein Bier bekam er auch so, und von dem wusste er, was es kostete.
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.11.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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