Fred Schmidt
Logisch
Kürzlich wurde ich Zeuge eines merkwürdigen Vorfalls. In unserer Kleinstadt stand ein Wagen im Parkverbot, was von einem Polizisten nicht unbemerkt blieb. Jedoch statt dem Parksünder ein Knöllchen zu verpassen, wozu er berechtigt, ja verpflichtet, gewesen wäre, erlaubte er seinem Sohn, der sich über das Falschparken aufregte, das Auto mit einem Schlaghammer zu zerstören. Als der Besitzer des Wagens bei dem Vorgesetzten des Polizisten Beschwerde einlegte, sagte dieser lediglich: „Sie haben selbst Schuld. Wenn Sie nicht falsch geparkt hätten, wäre das alles nicht passiert.“
Was soll man nun von der Begründung des Vorgesetzten halten?
Logisch, nicht?
Allerdings Logik mit Kurzschluss, vereinfachend, verächtlich und eigennützig, als ob es keine Gesetze gäbe. Da frage ich mich, warum es Gesetze gibt, wenn selbst die, die sie schützen sollen, sie nicht beachten.
Was ich hier geschildert habe, ist natürlich nur eine Parabel für das, was sich in unserem Dorf in Frankreich ereignet hat.
In unserer Kommune von 218 Einwohnern (Kinder mitgezählt) wird zur Zeit ein Plan auf Betreiben des Gemeinderates zur „Urbanisierung“ entwickelt. Unter den geplanten Projekten ist auch ein „Gewerbegebiet“ und der Bau einer neuen Festhalle, die jedoch beide an Wohngebiete angrenzen, deren Eigentümer Belästigungen und eine Einschränkung ihrer Lebensqualität befürchten. Sie haben also gegen den Gemeinderatsbeschluss protestiert. Bei einem Trödelmarkt im Dorf haben die Protestler vor dem Dorf auf ihrem privaten Grund ein Schild mit der Aufschrift „Nein zum Gewerbegebiet“ errichtet. Das Schild wurde gewaltsam mit einem Traktor von einem jungen Bauern der Gemeinde abgerissen und einem der Protestler vors Haus geworfen, und das im Beisein seines Vaters, der Erster Beigeordneter des Bürgermeisters ist.
Als man den Bürgermeister deswegen zur Rede stellte, entgegnete dieser: „Aber das ist doch Schuld der Protestler. Hätten sie nicht das Schild aufgestellt, wäre nichts passiert.“
Logisch, nicht?
Wenn man jedoch weiter darüber nachdenkt, kommt man zu dem Schluss, wenn auf dem Schild zu lesen gewesen wäre „Wir beglückwünschen den Gemeinderat zu seinen Projekten“, dann wäre das Schild nicht mit Einverständnis des Bürgermeisters zerstört worden, woraus man den Schluss ziehen könnte, das derjenige, der mit den Beschlüssen des Gemeinderates nicht einverstanden ist, sich gewalttätigen Angriffen aussetzt. Damit wird ein Brief, den der Gemeinderat im Dorf hat verteilen lassen und worin der der Zerstörung Schuldige auf sentimentale Weise entschuldigt wird, zu einer Einschüchterung der Bewohner: Protest wird durch Gewalt verhindert.
Wer opponiert, sich exponiert!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.11.2012.
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