Christina Telker

Der Adventskranz

Leise fielen dicke Schneeflocken vom Himmel und verwandelten die Landschaft in einen Märchentraum. ‚Gerade recht zum 1. Advent’, lächelte Svenja vor sich hin. „Ich freue mich schon auf den morgigen Nachmittag, wenn wir die erste Kerze anzünden“, wendete sie sich an ihren Bruder. „Ich freue mich auch“, gab Vlady zurück.  „Mutti versteht es immer so gut die Adventszeit zu gestalten“. Die beiden Kinder schwelgten in Erinnerungen. So verging schnell die Zeit.

Bei Kakao und den ersten selbstgebackenen Plätzchen saß die kleine Familie am nächsten Tag um den Adventskranz, den Blick auf die erste Kerze gerichtet, welche die Mutter gerade angezündet hatte. Gemütlich war es bei beginnender Dunkelheit des kurzen Wintertages zusammen zu sitzen. ‚Jetzt kommt Muttis Weihnachtsgeschichte’, dachten die Kinder. So waren sie es aus den vergangenen Jahren gewöhnt. „In diesem Jahr wollen wir einmal etwas anderes probieren“, drang die Stimme der Mutter in die Gedanken der Kinder und ließ sie aufhorchen. „In diesem Jahr werde ich euch keine Geschichte erzählen. Ihr seid jetzt alt genug um selbst zu erzählen“, setzte die Mutter ihre Rede fort. „Ooooch…“, kam es etwas maulend von den beiden Geschwistern: „Wir haben uns schon so auf deine Geschichte gefreut“, setzte Svenja hinzu. „Nun wartet doch erst einmal ab. Ich habe da eine besondere Idee. Wir werden jeder Kerze einen Namen geben. Jede Kerze soll für einen besonderen Zweck brennen und gerade jetzt zur Weihnachtszeit. Die heutige, erste Kerze nennen wir ‚Liebe’. Nun überlegt einmal was euch hierzu einfällt.“ „Du hast uns lieb“, begann Vlady, „du bist immer für uns da. Du versuchst uns unsere Wünsche zu erfüllen und wenn wir mal ein Problem haben, können wir immer zu dir kommen.“. „Das stimmt“, bestätigte die Mutter, „nur sollte das für Eltern und Kinder selbstverständlich sein. Wir wollen jetzt mal fünf Minuten schweigen und unseren Gedanken nachhängen. Mal sehen, wer von uns nach dieser Zeit eine kleine Geschichte erzählen kann.“ Sofort trat Stille ein. Svenja schaute immer wieder auf die Uhr. Längst war ihr etwas Wichtiges eingefallen. Jetzt konnte sie nicht mehr abwarten. „Wisst ihr noch, vor zwei Jahren zu Weihnachten, da sammelten wir im Kinderchor für afrikanische Kinder. Aus Liebe gab ich fast mein ganzes Taschengeld. Nun ist Lesedi seit einem Jahr meine Brieffreundin und ich warte jeden Tag ungeduldig auf Post von ihr. In diesem Jahr werde ich ihr das erste Mal ein persönliches Päckchen schicken. Ich habe schon einige Dinge für das Päckchen weg gelegt. Das ist doch auch Liebe!“ „Ja mein Mädchen, das ist auch Liebe – Nächstenliebe. Und die ist ganz besonders wichtig. Nun sagt, war es eine gute Idee, mit den kleinen Geschichten, oder soll ich am nächsten Sonntag wieder selbst erzählen“, fragte die Mutter ihre beiden Kinder. „Deine Geschichten hören wir immer gern, aber du kannst sie uns auch abends erzählen. Beim Adventskranz wollen wir es so lassen mit den kleinen Geschichten“, schmeichelte Vlady der Mutti. „Na dann überlegt euch bis zum zweiten Advent wie wir die nächste Kerze nennen wollen“, schlug die Mutter vor.

Schnell verging die Woche bis zum 2. Advent mit Basteln und Handarbeiten. „Heute wird uns Vlady sagen wie wir die 2. Kerze nennen wollen“, begann die Mutter als sie gemütlich beisammen saßen. „Ich möchte, dass die heutige Kerze ‚Frieden’ heißt. Dazu habe ich auch eine Geschichte.“ „Es freut mich, dass du uns heute etwas erzählen möchtest, trotzdem wollen wir uns die fünf Minuten der Stille gönnen. Die Kinder waren einverstanden, gerade diese Stille Zeit beim Schein der Kerze hatte ihnen besonders gut gefallen. Schon bald erzählte der Junge seine Geschichte. „Wisst ihr noch, als Paul zu uns in die Klasse kam? Damals war er ein Angeber und Störenfried. Das Lernen machte keine Freude mehr.  Bis unser Lehrer eine Idee hatte. Er bat uns, Paul einfach nicht mehr zu beachten, nicht mehr auf seine Streiche zu reagieren. Da wir uns schon lange über ihn ärgerten, gingen wir auf den Vorschlag ein. Es dauerte nicht lange und Paul änderte sein Verhalten da es ihm nicht gefiel der Außenseiter zu sein, wollte er sich doch mit seinem Verhalten in den Mittelpunkt spielen. Schon bald hatte er die ersten Freunde unter uns gefunden und wir hatten wieder Frieden in der Klasse.“ „Ja ich weiß noch genau, wenn du manchmal unzufrieden aus der Schule kamst“, erinnerte sich Svenja. „Das war ein gutes Beispiel wie man auf einfachem Wege Frieden im Kleinen stiften kann. Mir hat deine Geschichte gut gefallen“, ergänzte die Mutter. Nun fragte sie die Kinder nach ihren Plänen für die nächste Woche. Beide lächelten darauf hin: „Mutti, hast du vergessen, das Weihnachtszeit ist, Zeit der Heimlichkeiten?!“

Schon war der dritte Advent angebrochen. Alle drei freuten sich auf die gemeinsame Zeit bei Kerzenschein. „Diesmal bist du aber dran mit einer Geschichte“, forderten die Kinder ihre Mutti auf. „Einverstanden, nur wollen wir zuerst unsere fünf Traumminuten einhalten.“ Nach einer Weile begann die Mutter. „Die dritte Kerze möchte ich ‚Freundschaft’ nennen, denn die Freundschaft ist ganz besonders wichtig in unserem Leben. Auch ich war einmal ein Kind, ging zur Schule, genau wie ihr jetzt. Kein Tag hätte mir so richtig Freude gemacht, wenn da nicht Gisela gewesen wäre. Schon am Morgen freute ich mich auf meine Freundin. Wir wohnten weit voneinander entfernt, so dass wir nicht am Nachmittag miteinander spielen konnten. Jedoch die Schulzeit und die dazugehörigen Pausen nutzten wir für uns. Wir zwei waren unzertrennlich. Dann stürzte für uns eine Welt ein. Ihre Eltern zogen fort. Wir waren sehr unglücklich und suchten nach Plänen um dies zu verhindern, wussten aber, dass es keine Chance gab dies zu ändern. Schon wenig später verließen auch meine Eltern die Stadt. Wir hinterließen zwar bei der Post unsere neue Adresse, jedoch erreichte mich nie ein Brief von Gisela. Die Jahre gingen ins Land, vergessen konnte ich meine Freundin nicht, oft weilten meine Gedanken bei ihr und ich fragte mich, was wohl aus ihr geworden ist. Als ich dann meinen ersten PC hatte, suchte ich nach ihrem Namen im Internet und stellt euch vor, ich fand sie wieder. Selbstverständlich trafen wir uns so schnell wir möglich, hatten wir uns doch sooo viel zu erzählen. Nun ist sie deine Patentante Vlady. Echte Freundschaft hält vieles aus, das wollte ich euch hiermit sagen. Ich wünsche euch auch solch verlässliche Freunde, wie es Gisela für mich ist.“ In sich gekehrt blieben alle drei noch lange sitzen und hingen ihren Gedanken nach.

Auch die letzte Vorweihnachtswoche war wie im Fluge vergangen. Schon strahlte das Licht der vierten Kerze in die Dunkelheit. „In zwei Tagen ist Heilig Abend“, begann die Mutter die heutige Kaffeerunde. „Habt ihr euch überlegt, welchen Namen die vierte Kerze tragen könnte?“ Schweigend sahen beide Kinder ihre Mutter an. „Wenn ihr keinen Vorschlag habt, werden wir die vierte Kerze ‚Glauben’ nennen“, schlug die Mutter vor. „Was wären wir ohne Glauben?! Wir glauben an einander, Vertrauen uns, jeder kann sich auf den anderen verlassen. Das Wichtigste im Glauben zeigt uns jedoch das Christus Kind. Er hat Gott, seinem Vater geglaubt als er ihn zu uns auf die Erde sandte, dass er nach seinem Tode am Kreuz wieder zu ihm in den Himmel kommen würde. So wollen und sollen auch wir ihm glauben, dass er immer für uns da ist.“ „Ja das Jesuskind ist das Wichtigste am Weihnachtsfest. Ich freue mich auch immer sehr auf unser Krippenspiel. In diesem Jahr darf ich das erste Mal Maria spielen. Ich bin schon richtig aufgeregt“, meinte Svenja. „Auch ich freue mich, wir Hirten haben in diesem Jahr ein kleines lebendiges Lamm im Spiel und ich darf es tragen“, setzte Vlady hinzu. „Es ist schön, wie ihr euch in jedem Jahr auf das Krippenspiel vorbereitet“, lächelte die Mutter, „ich denke die diesjährige Adventszeit war für meine Großen genauso schön, wie in den vergangenen Jahren mit meinen Geschichten.“ Beide Geschwister bestätigten dies, es war eine besondere Adventszeit.
© ChT
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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