Joana Angelides

Ein Hund sieht rot


Also, wir beide sitzen jetzt schon eine ganze Weile im Park, Sandra und ich. Sandra auf der Parkbank, ich zu ihren Füßen, leicht mit dem Schwanz wedelnd.
Sie heult vor sich hin. Also, irgendwie verstehe ich die Menschen nicht wirklich. Dieser Typ, den wir jetzt acht Wochen kannten, ist es sicher nicht Wert, daß man um ihn weint.

Ich konnte ihn gleich nicht leiden. Wir lernten ihn in unserem Kaffee kennen, als er bei der Türe herein stürmte und ohne zu grüßen nach dem Telefon fragte. Sandra stand gerade bei der Theke und richtete ein Stück Torte an.

Ich merkte gleich, daß er ihr gefiel. Sie sah ihn mit diesem undefinierbaren Blick an, den ich von der Promenadenmischung aus dem Park schon kenne. Sie hat diesen Blick immer, wenn wir uns begegnen. Doch ich bin da total immun dagegen, schließlich habe ich einen Stammbaum und sie höchstens ein Gebüsch.

Sandra machte damals eine ausladende Bewegung in Richtung Telefon, er stürmte drauf los und schleuderte meine Wasserschüssel mit dem Fuß in die andere Ecke. Das war meine erste Wahrnehmung dieses Menschen.

Dann telefonierte er furchtbar aufgeregt mit irgendeinem Mechaniker, der sein Auto so schlecht repariert hätte, daß es schon wieder nicht weiter fährt. Er nannte ihn einen Windhund. Also, Windhunde brauchen auch keine Autos zu reparieren. Wie kommt er zu diesem Vergleich?

Nach dem Gespräch mit dem Mechaniker und einem weiteren mit dem Autoclub, setzte er sich zur Theke und bestellte Kaffee.
„Aber bitte rasch, weil der Autoclub gleich kommt!“
Nana, der kennt wohl das Zauberwort nicht, ohne das ich von meinem Frauchen gar nichts bekomme.
Ich, wo ich nicht sprechen kann, muß da immer mit dem Schwanz wedeln. Er macht gar nichts?

Doch sie bemerkt das gar nicht! Mit Sternchen in den Augen stellt sie ihm den Kaffee hin und lächelt auch noch.
Ich schlenderte langsam zur Theke hinüber und setzte mich unter dem hinter ihm stehenden Barhocker und knurrte leise.
„Ist denn der Köter bissig?“
Diese Frage beförderte ihm endgültig zum Abschußkanditen.

„Nein, das ist ein ganz Lieber. Wenn sie ihn über den Kopf streichen, dann leckt er ihnen die Hand ab!“ Ihre sanfte Stimme vibrierte leise als sie mit ihm sprach.

Naja, das wird es nicht spielen, da irrt sie sich. Diesem Kerl pinkle ich höchstens ans Bein!
Ich habe mein linkes Auge geschlossen, mit dem rechten Auge habe ich ihm im Visier.

„Nein danke, da müßte ich mir ja die Hände waschen“, sagte er und warf einen besorgten Blick in meine Richtung.
„Für dich besorge ich mir sogar ein paar Flöhe von einem Hund aus dem Park!“ Dachte ich bei mir und knurrte wieder.

In den folgenden Tagen kam er dann öfter und trank jedesmal einen Kaffee an der Theke und verwickelte Sandra in immer privatere Gespräche. Mich ignorierte er ständig.

Ich konnte ihn nicht riechen. Das lag einerseits daran, daß er ein furchtbar aufdringliches Aftershave benutzte und anderseits war da auch noch ein anderer Geruch, so nach Damenparfum, aber anders als das von Sandra, das kannte ich ja.

Bis er eines Tages auch abends zu uns nach Hause kam. Sandra war schon den ganzen Tag aufgeregt, summte vor sich hin und vor dem nach Hause gehen kauften wir einiges ein. Mich vergaß sie ganz, aber ich mußte ja schließlich auch was fressen! Durch die Auslage beobachtete ich sie genau und bemerkte, daß sie bei dem Regal für Hundenahrung einfach vorbei ging, wo wir doch nichts mehr zu Hause hatten!
Als sie aus dem Geschäft herauskam, weigerte ich mich einfach wegzugehen, zog an der Leine und bellte.
Endlich verstand sie mich. Sie verstaute das Eingekaufte im Kofferraum und ging noch einmal zurück und holte für mich mein Lieblingsfutter. Das tat sie immer, wenn sie gute Laune hatte. Na also, war dieser Kerl doch zu was gut!

Zu Hause trällerte sie vor sich hin und rumorte in der Küche. Ich machte es mir im Wohnzimmer neben ihrem Lieblingsstuhl bequem und döste vor mich hin und träumte ein wenig von der entzückenden Pudeldame von nebenan, die seit einigen Tagen fast nackt herum stolzierte, sie war beim Hundescherer. Oh, hatte die eine Figur!

Es läutete und mir war klar, er ist da! Außerdem roch ich ihm sofort. Ich knurrte unwillig, erhob mich und setzte mich in die Mitte des Raumes und ignorierte ihn einfach. Er sollte sehen, ich war ja hier zu Hause.

Doch er blickte mich mit einem strengen Blick an und seine Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Kannst du den Hund nicht woanders hinschicken? Er stört uns einfach“.

Zu meiner großen Enttäuschung, deutete Sandra auf mich, schickte mich in das Vorzimmer und schloß die Türe. Aus Protest habe ich vor Verlassen des Raumes noch ein kleines Pfützchen hinterlassen. Irgendwie muß man sich ja wehren!

Da lag ich nun im Vorzimmer, völlig beleidigt und gekränkt und hörte auf die Stimmen und das Lachen aus dem Wohnzimmer und kam mir sehr verlassen vor. Da bemerkte ich seinen Mantel und seine Tasche. Die Tasche stand auf dem kleinen Tischchen und war offen. Erstens war mir langweilig und zweitens war ich zornig. Einige Male mußte ich gegen das Tischchen stoßen, bis die Tasche endlich runterfiel.

Ich war sehr erschrocken über das laute Geräusch, doch die beiden waren so vertieft, ihr Lachen war so laut, sie hörten es nicht
Ich begann nun den Inhalt der Tasche im Vorzimmer zu verstreuen. Es waren Autoschlüssel, andere Schlüssel.
Und auch eine Brieftasche! Die Brieftasche war halb offen und einige Bilder und Zettel fielen heraus. Ich nahm sie einzeln ins Maul und verteilte sie rundherum.
Da war ein Bild von seinem Auto, mit ihm davor. Ekelhaft protzig!
Dann ein Bild von einer Frau, mit Widmung. Konnte ich ja nicht lesen!
Ein zweites Bild mit Frau und zwei Kindern.
Ein drittes Bild mit Frau, zwei Kindern und ihm!
Und was lag da unter dem Tischchen und glänzte? Ein Ehering!

Oh, jetzt war meine Stunde gekommen, Attacke!

Ich begann jämmerlich zu winseln und zu bellen. Sandra riß erschrocken die Türe auf um nach mir zu schauen.

Ich saß inmitten der Dinge aus der Tasche, die Bilder hatte ich mit meiner Nase schön nebeneinander plaziert, wedelte mit dem Schwanz und setzte meinen unschuldigsten Blick auf.

So schnell hat uns noch kein Besucher verlassen, wie dieser an jenem Abend und wir haben ihn auch nie wieder gesehen.

Und jetzt heult Sandra auf der Parkbank. Es zerreißt mir fast mein kleines Hundeherz!

Aber ich hatte ja noch einen Trumpf in meinem Halsband! Ärmel habe ich ja keinen!

Denn ich hatte Sandra am Nachhauseweg in den Park gezogen, wohl wissend, daß täglich um diese Zeit der nette Polizist hier vorbeikommt, der meiner Sandra immer so sehnsüchtige Blicke und mir hin und wieder einen kleinen Leckerbissen, zuwirft.
Wenn er um die Ecke kommt, werde ich aufspringen, mit dem Schwanz wedeln und leise bellen. Ich hoffe, er wird uns trösten!
Diese Menschen haben ja oft eine lange Leitung, aber wozu sind denn wir da, wir Begleiter in allen Lebenslagen!


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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