Stefanie Specht

Spiegel

Es war still in ihrem Raum. Ihrem Alkoven. Ihrem Ruhepol.
Und das war gut so. Sie hätte jetzt kein Geräusch vertragen.
Sie ruhte; sie meditierte und versuchte die vergangenen Ereignisse zu ordnen; aus ihnen einen Sinn zu ziehen, der für ihr zukünftiges Leben hilfreich seien könnte.
Wenigstens etwas sollte ihr diese Schmach bringen. Etwas gutes, positives, etwas was sie zwar daran erinnern würde aber ihr auch zeigte, dass es nicht das Ende war; nicht jetzt; noch nicht.
Dennoch war dieses schwieriger als sie dachte, nun ja eigentlich hatte sie schon gewusst, dass es schwierig sein würde, doch sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben.
Sie dachte an den Anfang – es war auch dort ruhig gewesen - zu ruhig, wie sich später herausstellte - doch sie hatte nicht darauf geachtet – wie dumm sie doch gewesen war – sie ging zu ihrem Arbeitsplatz, und holte die Feder und ein großes Blatt Pergament hervor - eine Kundin hatte ihr vor einer Woche diesen Auftrag gegeben und er war sehr lukrativ, weshalb sie sich besondere Mühe gab – solche Kunden kamen oft wieder wenn sie zufrieden waren. Sie begann die Feder in die resedafarben Tinte zu tauchen – vorsichtig, zu viel würde nicht den gewünschten Effekt auf dem Papier erreichen – um dann vorsichtig anzusetzen zu einem großen Bogen. Immer weiter und weiter ging es Kurve über Kurve, und immer wieder, dass auffüllen der Feder, bis dass Motiv Gestalt annahm. Doch plötzlich ein Geräusch. Nein nicht plötzlich, es war schon zuvor da gewesen. Sie kannte dieses Geräusch, sie hatte es nur nicht gehört, weil es der Feder auf dem Pergament ähnelte, doch jetzt vernahm sie es. Es war zu nah bei ihr. Sie drehte sich um...
Sie zuckte unwillkürlich wieder zusammen, selbst, wenn es nur in ihrem Gedächtnis dieses Bild gab – dieses grauenhafte Bild; das Bild ihrer Träume.
Sie sah nichts. Nichts hatte sich bewegt; nichts lebendes. Sie wusste nicht, warum es ihr nicht aufgefallen war als sie herein kam, doch das war es nicht, erst jetzt sah sie die Leichen - verstreut in der Halle, im Garten und im Teich.
Sie sah sich um, und suchte nach dem Täter.
Sie wusste selbst nicht warum sie es tat, sie wollte nur sehen ob jemand da war, ein Schuldiger, und wenn, dann würde sie ihm entgegentreten und die anderen rächen – oder mit ihnen liegen.
Doch sie fand niemanden, keinen, den sie beschuldigen konnte, keinen dem sie sich entgegen stellen konnte, um ihr Schicksal zu treffen. Sie war wieder alleine, völlig alleine.
Doch da waren noch die Leichen.
Erstaunlicherweise, beeindruckten sie diese kaum – warum auch, sie waren tot. Und sie hatte sie eigentlich auch nicht gekannt, dennoch sah sie es als ihre Pflicht an sie zu vergraben, auch aus rein hygienischer Hinsicht, war dieses eine Notwendigkeit. Und sie tat ihre Pflicht, wie sie es schon zuvor getan hatte. Dann ging sie sich waschen. Und sie sah in den Spiegel.
Wieder erschrak sie als sie an diesen Anblick dachte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was sie dort sah, was sie geworden war.
Sie wusste es schon, oder hatte es kommen sehen an diesem morgen. Denn eigentlich war nichts so normal gewesen, wie es eben erschien.
Doch sie hatte nichts erkannt, nichts gesehen, alles nur verdrängt. Doch nun sah sie es – deutlich – ohne sich schützen zu können – die Wahrheit.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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