Peter Kröger

Der Marmorlöwe



Carl wollte es zuerst nicht glauben, aber warum eigentlich nicht, diese Frage habe ich mir nie gestellt, die dicke Ulla hingegen glaubte es sofort und raunte ein Das-kommt-davon oder sowas in der Art, aber Ulla hat fünf Jahre in Plötzensee gesessen, wegen eines Tötungsdelikts meine ich (damals war sie angeblich dünner), und seitdem, sagt sie, glaubt sie jede Geschichte, unter der Voraussetzung, dass sie einerseits wahr sein könnte und andererseits Langeweile vertreibt und unterhält. Darauf kommt es an, sagt sie und zeigt ihre gelben Zähne. Sie sieht, wie ich skeptisch schaue und sagt: die sind echt.
Überhaupt Ulla, denke ich. Immer irgendwas auf Lager. Immer quietschfidel.
Ich erzähle also meine Geschichte mit dem Marmorlöwen, und dann frage ich sie, warum sie gesessen hat, und Ulla sagt: weil ich es satt hatte. Dann sagt sie: Ich würde es wieder tun.

Die Geschichte handelt übrigens von einem Hund, der vor einer Apotheke einen Marmorlöwen anbellt, von johlenden Passanten angefeuert. Mit hängenden Armen stehe ich in einiger Entfernung und warte. Plötzlich stürzt sich der Hund auf den Erstbesten der Gaffer (zufällig ein dicker Bauunternehmer aus Stade, den ich flüchtig kenne), schnappt zu (das Ganze dauert nur Sekundenbruchteile) und sucht das Weite.

Immer wenn ich diese wahre Geschichte erzähle, denke ich daran, wie mir ein Stein vom Herzen fiel, als alles vorbei war und dass ich dem geschockten Bauunternehmer (der sich im Urlaub befand) mein schönes, kariertes Stofftaschentuch gab, mit dem er die blutende Wunde bedeckte.

Warum bellte der Hund ausgerechnet einen Marmorlöwen an und wem gehörte er, hatte Carl gefragt. Arm oder Bein? Lass mich raten. Aus Stade, sagst du?

Ich strich nervös über meinen Dreitagebart.

Komm, sagte Carl, und wir gingen in die nächste Kaschemme und bestellten eine Lage.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.01.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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