Sergej Garin

Bernau

Schon zwei Jahren lang wurde die Frontlinie immer weiter zurückgedrängt. In dieser Zeit haben Sie vieles gesehn. Verbrannte Dörfer, Massengräber, Kinder und Frauen, die mit angsterfüllten Augen ihre Artilerie-Kolonne verfolgten und mit ihren stummen Blicken mehr sagten, als man mit Worten je ausdrücken konnte.
Wer konnte ihnen in die Augen schauen? Niemand. Sie versuchten ihre Gedanken nur auf eins zu konzentrieren. Überleben.
Sie hatten viel Glück bisher, nur wenig Verluste und der Krieg schien bald vorbei zu sein. Semjon, gerade mal 17 Jahre, erlebte den Krieg wie einen viel zu langen Alptraum. Er verstand nicht viel, was um ihn passierte. Das brauchte er auch nicht. Das Denken erschien weder hilfreich noch erwünscht. Er musste nicht vieles können, wie die meisten seiner Kameraden. Die Geschosse reichen und falls nötig Deckung suchen. Doch der Ernstfall ist bisher noch nie eingetretten, sie wurden verschont, die Fortuna war auf ihrer Seite.
Das Pfeifen der gegnerischen Geschosse konnte man seit dem Morgen hören, die Detonationen waren weit entfernt. Man versuchte die Stellung der Deutschen zu lokalisieren. Der Befehl. Das Feuer wurde eröffnet. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Semjon hörte das Pfeifen, etwas klarer und lauter als sonst, plötzlich hörte das Peifen abrupt auf, man hörte nichts mehr, todbringende Stille. Semjon wußte was das bedeutet, in den Augen seiner Kameraden sah er die Bestätigung.
Er fiel auf den Boden, einen Moment später bebte die Erde. Die Explosionswelle erfasste ihn und er wurde zur Seite geschleudert. Er war erleichtert, denn er fühlte keinen Schmerz. Instinktiv versuchte er aufzustehen, ihm fehlte die Kraft, er sah und hörte niemanden, dann sah er sich an ... seine linke Seite war blutüberstömt, er fühlte seinen linken Arm nicht mehr. Mit dem rechten Arm versuchte er die Blutung zu stoppen, er sah sein eigenes Blut, das durch die Finger herausquoll.
Er betrachtete den blauen Himmel, sein Blick erstarrte. Sein letzer Gedanke galt der erlösenden Stille.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.03.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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