Servus Mutter
Es war Juni. Leise betrat ich das Zimmer. Das Fenster war weit geöffnet, ein warmer Windhauch bewegte die Gardinen. Außer dem Zwitschern der Vögel hörte ich nur deine schweren Atemgeräusche. Ich setzte mich an dein Bett und hielt deine Hand. Ich war angespannt. Trauer und Angst breiteten sich aus. Trauer, weil der Abschied näher rückt und ich dich loslassen muss. Angst, weil ich auch mit meinem eigenen Tod konfrontiert werde.
Während ich hier sitze, denke ich über dein Leben nach. Du hast ein sehr selbstloses Leben geführt. Selbst die härtesten Zeiten hast du gemeistert. So hast du z.B. fünf Kinder durch den Krieg gebracht. Du hast harte Strapazen auf dich genommen, um die knappen Lebensmittel aufzubessern. So bist du für einen Sack Kartoffeln mit einem Fahrrad 62 km gefahren.
Auf dem Rückweg hattest du eine Reifenpanne. Du ersuchtest einen Bauern um Hilfe. Dieser
wollte jedoch dafür deine Kartoffeln. Du hast zu ihm gesagt, dass deine Kinder hungern und hast das Fahrrad die Strecke zurück geschoben. Während dein Mann noch in Kriegsgefangenschaft war, hast du mit deinen fünf Kindern ein Haus besetzt und es später käuflich erworben. Du warst so fleißig. Du hast nachts an deiner Nähmaschine gesessen und für deine Kinder genäht. Am nächsten Morgen hast du die Ergebnisse stolz präsentiert.
Du warst zufrieden, wenn es uns gut ging. Wir konnten uns immer auf dich verlassen. Natürlich gab es auch Konfliktsituationen. Es gab sogar Momente, in denen ich dich nicht lieben konnte. Weißt du eigentlich, dass es eine Phase in meinem Leben gab in der ich genauso werden wollte. Ich habe dann aber verstanden, dass ich mein Leben mit meinen Erfahrungen leben muss und habe dein Leben mit deinen Erfahrungen respektiert.
Irgendwann fingst du an, vergesslich zu werden. Es war ein schleichender Beginn.
Dein Kurzzeitgedächtnis ließ dich immer öfter im Stich. Vor vier Monaten brauchtest du eine Betreuung rund um die Uhr. Wir meldeten dich in einem gut betreuten Heim an. Du bist jetzt hier, um medikamentös eingestellt zu werden. Ich verabschiedete mich von dir und wusste noch nicht, dass du zwei Tage später, an meinem Geburtstag deinen Körper verlassen würdest. Inzwischen bin ich fest davon überzeugt, dass es den Tod nicht gibt und ich weiß, dass wir uns wiedersehen.
Juliana Schöneich
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.04.2003.
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