Michael Schiller

ESF: Bürgerkrieg Teil 2

ESF: Bürgerkrieg

Teil 2

1 Im Westen nichts neues

„Die Regierung hat heute in einer Dringlichkeitssitzung des nationalen Sicherheitsko-mitees die Entsendung von 5.000 weiteren Soldaten der Bundeswehr in die Marskolo-nie Neu-Stuttgart beschlossen. Sie sollen die bereits stationierten 25.000 Einheiten im Kampf gegen die Aufständischen unterstützen. Die seit anderthalb Jahren andauernden Unruhen auf dem Mars haben bereits 100.000 Menschenleben gekostet. Am schwers-ten sind die Gefechte in den russischen und amerikanischen Kolonialgebieten. Auch heute werden uns Berichte von heftigen Kämpfen übermittelt, bei denen schwere Artille-rie und Kampfhubschrauber zum Einsatz kamen. Die von den Vereinten Nationen an-gebotenen Vermittlungsgespräche zwischen den Konfliktparteien wurden auch heute wieder ergebnislos abgebrochen. Generalsekretär van Joulen sprach von unsinnigen Forderungen der Aufständischen und davon, dass es scheinbar keine wirklichen Ab-sichten gäbe, den Konflikt friedlich zu beenden“, dröhnte es aus dem Radiogerät. Leut-nant Robert Strasser, Teil der Division 15 der Bundeswehr, saß am Frühstückstisch und hörte aufmerksam zu, schließlich betraf es auch ihn. Es gab schon seit längerem Ge-rüchte in der Einheit, dass das Verteidigungsministerium plane, sie auf den Mars zu entsenden. Nunja, er würde nun bald erfahren, ob etwas an den Gerüchten dran war oder ob es sich wieder als Hirngespinst erweisen würde. Der Radiosprecher schwatzte währenddessen weiter, jedoch war dies für Strasser nur belanglos, deshalb schaltete er das Gerät ab und blickte stattdessen aus dem Fenster. Es war einer dieser Postkar-tenmotivsonnenaufgänge, so wie man es aus kitschigen Fernsehfilmen kannte. Sein Haus stand auf einem Abhang des Taunus, nicht weit von der Finanzmetropole Frank-furt entfernt. Man konnte gut die Wolkenkratzer der Stadt sehen, die in den Himmel ragten. Mainhatten war der Spitzname dieser Stadt und im Laufe der Jahrzehnte äh-nelte sie ihrem amerikanischem Vorbild immer mehr. Am Horizont sah man Flugzeuge und Raumschiffe gen Himmel steigen, der Raum-und Flughafen Rhein Main war der wichtigste Dreh-und Angelpunkt für Europa, sowohl zivil als auch militärisch. Von die-sem Hafen waren in der letzten Zeit viele der schweren Pegasus-Truppentransporter für den Mars gestartet und Strasser war sich nach dieser Nachrichtensendung sicher, dass auch er bald seinen Kameraden und Kameradinnen folgen würde. Jahrelang war er für diesen Fall ausgebildet worden und es schien, als sollte sich diese Ausbildung bald be-zahlt machen. Das Militär hatte immer eine große Rolle in seiner Familie gespielt, es gab kaum eine Generation, die nicht in einem Krisengebiet ihren Dienst geleistet hatte. Einer seiner Vorfahren hatte 1870 gegen die Franzosen im deutsch-französischen Krieg gekämpft, ein anderer war 1916 im Ansturm auf Verdun gefallen, 1943 starb ein Vorfahr mütterlicherseits in Stalingrad, sogar in Vietnam musste einer sein Leben lassen. Nach dem zweiten Weltkrieg waren einige aus seiner Familie in die USA ausgewandert und dort die amerikanische Linie der Strassers gegründet. Sie verstanden sich als Amerika-ner, dennoch führten sie die militärische Tradition fort und das wurde einem im Jahr 1975 bei der Verteidigung Saigons zum Verhängnis. Im dritten Weltkrieg zogen die Strassers wieder ins Feld, diesmal wieder für Deutschland, dort wurden 2 seiner Vorfah-ren bei der Erstürmung von Algerien 2009 getötet. Sein Großvater war ebenfalls Soldat gewesen, doch im Gegensatz zu den anderen in seiner Familie hatte er seine Schlach-ten überlebt. Während des Konzernkrieges hatte er von 2062 an auf deutschen Fracht-schiffen gedient, bis er schließlich 2078 den Dienst quittierte und in den Ruhestand ging. Dennoch war auf den Soldatenfriedhöfen der Welt der Name Strasser zu finden. Manche in seiner weit verzweigten Familie hatten eine Art Heldenverehrung ins Leben gerufen, ähnlich dem Kult, der vor und während des ersten Weltkrieges in Europa ge-herrscht hatte. Robert hatte sich immer davon distanziert, weil er wusste, dass es nie-mals ehrenvoll und heroisch war, in einem Krieg als Kanonenfutter zu fallen, dennoch hatte auch er sich für eine militärische Karriere entschieden. Schon als Kind war er vom Militär fasziniert gewesen und mit großem Eifer jedes Buch, was auch nur irgendwie damit zu tun hatte, verschlungen. Ein Buch hatte ihn besonders geprägt, der Anti-Kriegsroman Im Westen nichts neues. Die Geschichte von der deutschen Schulklasse, die auf den Schlachtfeldern von Verdun und anderen Orten verheizt wurde, hatte ihn sehr sensibel im Bezug auf das Thema Krieg werden lassen. Es klingt schon fast para-dox, aber das Buch hatte seine Entscheidung den Streitkräften beizutreten nur noch gefestigt. Er war kein Freund von Schlachten und dem Töten, im Gegenteil, er war ein sehr friedvoller Mensch, der das Leben wie kein zweiter achtete. Er war ein Mensch, der die Diplomatie sehr schätzte und militärische Mittel, aber er fühlte sich verpflichtet, einzugreifen, wenn die Diplomatie scheitern sollte. Deshalb war er Soldat geworden, auch wenn dies gegen den Willen seiner Eltern und auch gegen den seines Großvaters geschehen war. Aber er war schon immer eine Person gewesen, die ihren Weg mit al-len Mitteln durchsetzt. Ein Prinzip, dass ihn schon oft in Teufels Küche gebracht hatte, jedoch war es meist die richtige Entscheidung gewesen. Es mochte durchaus sein, dass er eines Tages seinen Entschluss revidieren würde, aber bisher hatte es dafür keinen Anlass gegeben und deshalb würde auch weiterhin im Dienst der Streitkräfte stehen. Die Bilder jedoch, welche in den Medien und vom Militärnachrichtendienst ver-öffentlicht worden waren, ließen in doch immer wieder zweifeln. Das Grauen war ein-fach zu schwerwiegend, auch für den abgestumpftesten Veteran. Bilder von zerstörten Häusern, brennenden Wracks, sterbenden oder bereits toten Menschen und dazwi-schen immer wieder die verzweifelten Schreie der Opfer. Es war, als hätte die Hölle Einlass in ihre Hemisphäre gewährt. Sie konnte wahrlich nicht schlimmer sein, als das was den Menschen dort offenbart worden wahr. So schlimm die Bilder auch wahren, sie zeigten die Wahrheit doch nur aus einem verzerrten Winkel. Niemals konnten Bilder das ganze Ausmaß des Grauens rüberbringen, es bestand immer eine gewisse Distanz zum Ort des Geschehens. Robert Strasser erhob sich von seinem Stuhl und wandte sich von dem Sonnenaufgang ab. Es war wahrlich keine Zeit für die Romantik der Na-tur, die Zeit lief unaufhaltsam ab. Auch wenn er einen höheren Dienstgrad bekleidete, auch er musste pünktlich sein. Er stellte seine Kaffeetasse auf dem Küchentisch ab und verließ den Raum mit einem leichten Seufzer. Wie gern würde er sich nun auf die Ter-rasse setzen und dem Morgen zu schauen, anstatt sich nun ins Auto zu schwingen und durch den Frankfurter Berufsverkehr zu zwängen. Manchmal fragte er sich wirklich, welchen Verbrechens er sich schuldig gemacht habe, um damit gestraft zu werden. A-ber all das nutzte nichts, er musste dadurch wie jeder andere auch. Er dachte an seine Schwester, die in einem der oberen Stockwerke wohnte und ihre Semesterferien aus-nutzte. „Die hat es gut“, dachte Robert sich, “Kann sich nen faulen Lenz machen und ausspannen. Na warte, du kommst auch noch in den Berufsstress.“
Er verließ das Haus und ging zu seinem Wagen, einem schon etwas älterem Modell von Mercedes. Zwischen Robert und seinem Wagen bestand eine Art Hass-Liebe, den es schien oft so, als wolle der Wagen Robert ärgern, indem er den Dienst verweigerte. Jedoch konnte sich Robert ein Leben ohne seinen blauen Flitzer gar nicht mehr vor-stellen und die gelegentlichen Aussetzer waren wie eine Art von Ausbruch aus der Normalität. Heute jedoch verlief der Start ohne Probleme und der Mercedes rollte sanft die Auffahrt hinunter. Der Tag hatte begonnen und er würde nicht so schnell enden.

2 Kriegsrat

Im Verteidigungsministerium in Berlin herrschte schon so früh am Morgen ein heilloses Durcheinander. Personal eilte durch die Gänge des Komplexes, militärische Berater hasteten von einer Sicherheitskonferenz zur anderen und selbst der Minister blieb da-von nicht verschont. Die gesamte Nacht hatte der Sicherheitsrat getagt und ein Ende war nicht abzusehen. Verteidigungsminister Osthofer wirkte gestresst, als er sein Büro betrat, um wenigstens 5 Minuten seine Ruhe zu haben. Seit knapp 30 Stunden hatte er nicht mehr geschlafen, wobei es noch viel schlimmer war, seit 4 Tagen in diesem Ge-bäude gefangen zu sein. Wie gereizt die Stimmung allgemein war, hatte sich erst von einer Viertelstunde bewiesen, als er mit Innenministerin Rothendorf in einen heftigen Disput wegen einer Nichtigkeit geraten war. Aber irgendwo war auch seine Belastbar-keitsgrenze erreicht und auch er war nur ein Mensch. Jetzt wollte er wenigstens ein paar Minuten Kraft tanken, bevor er sich wieder in sein Chaos stürzte. Seit gut andert-halb Jahren war dies ein Dauerzustand, seit der Bürgerkrieg auf dem Mars begonnen hatte. Damals hatte man noch geglaubt, es würde niemals eine deutsche Stadt in die-sen Sumpf hineingezogen werden. Die Zeit jedoch hatte wie schon so oft die Politik ei-nes Besseren belehrt. Auch Deutschland wurde in diesen Abgrund der Gewalt gezogen, genauso wie alle anderen Kolonien der Erde. Allein in den ersten paar Wochen hatte es 320 Opfer von Ausschreitungen gegeben und die Zahl war in der Zwischenzeit rapide angestiegen. Mittlerweile sprach man von Tausenden Toten und noch immer war kein Ende abzusehen. Die Zivilisation war Tod und Verwüstung gewichen, die Neue Welt versank in den Fluten des Feuers. Die Vereinten Nationen hatten eine Blockade gegen den Mars verhängt, so das offiziell nichts rein oder raus kam. Immer wieder jedoch ver-stießen Transporter gegen diese Absperrung und nicht selten kam es vor, dass Flücht-lingsschiffe abgeschossen wurden.
Osthofer war so sehr in seinen Stuhl versunken, dass er nicht die Mailnachricht auf sei-nem Computerbildschirm bemerkte. Minuten verstrichen bis er endlich reagierte, die letzten Tage hatten ihn gesundheitlich doch mehr zu schaffen gemacht, als zunächst angenommen. Er überprüfte den Absender. „Absender unbekannt“, sagte ihm die mo-notone Computerstimme als er den Befehl dazu gab. Auch die geographische Herkunft lies sich nicht bestimmen, es blieb ihm also nichts anderes übrig, als die elektronische Post zu öffnen. Sie enthielt eine Videobotschaft, die sich beim öffnen sofort selbst ab-spielte. Der Bildschirm war in ein tiefes Schwarz getaucht, als plötzlich eine wahre Explosion von Informationen aus dem Gerät strömte. Auf dem Monitor erschien eine blutrote Fahne, auf der die Symbole Hammer&Sichel angebracht waren. Gepaart mit diesem Bild tönte eine ohrenbetäubende Fanfare aus den Lautsprechern. Nach weni-gen Sekunden veränderte sich das Bild und es erschienen nach und nach die Köpfe von Marx, Engels, Lenin und sogar Mao Tse Tung. Das Ganze wurde weiterhin mit die-ser pompösen musikalischen Untermalung begleitet. Endlich verstummte das Ganze und es erschien ein Bild von einer kleinen Personengruppe, die aus 2 Männern und ei-ner Frau bestand. Die Frau, welche am autoritärsten und am gelassensten wirkte, be-gann zu sprechen:
„Die Zeit ist gekommen, der Klassenkampf hat endlich begonnen. Das korrupte Regime des Kapitalismus wird nun endlich hinweggefegt werden und durch die Freiheit des So-zialismus ersetzt werden. Das Proletariat hat seine Fesseln gesprengt und wird nun für seinen angestammten Platz kämpfen, der Mars ist nur die erste Stufe. Auch über Deutschland wird die rote Fahne wehen, wo die DDR gescheitert ist, wird das neue so-zialistische Deutschland triumphieren. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre illega-len Aktivitäten einzustellen und endlich die Regierungsgeschäfte den rechtmäßigen Führern des Volkswillens zu übergeben. Wir, die sozialistische Volksbefreiungsfront Deutschlands, haben allein den rechtmäßigen Anspruch zur Herrschaft. Sollte die Bun-desregierung nicht innerhalb weniger Stunden zurücktreten, werden wir den Krieg wei-terführen, wir allein sind dafür verantwortlich. Merken Sie sich unsere Worte, Frieden wird es nur durch die Volksbefreiung geben. Das korrupte Regime der derzeitigen Re-gierung ist zum Untergang verurteilt. Nur wer sich uns anschließt, wird überleben. Das ist alles, was wir zu sagen haben.“
Wie es begonnen hatte, so endete das Video, wieder ertönte die Fanfare, kombiniert mit Symbolen kommunistischer Vereinigungen. Osthofer schüttelte den Kopf, dies war nun schon die dritte Botschaft eines angeblichen Bekenners in diesem Monat und die 25. seit Beginn des Bürgerkrieges. Aus allen Fraktionen des politischen, religiösen und ge-sellschaftlichen Fanatismus kamen Bekennerschreiben und die Flut schien nicht abzu-reißen. Aber es gab nur eine Handvoll Organisationen, die über die notwenigen Res-sourcen und mentale Stärke für ein solches Verbrechen an der Bevölkerung in Frage kamen. Besonders die rechtsradikale Vereinigung „Nationaler Volkswiederstand“ war dafür als größter Verdächtiger in Bedacht gezogen worden. Diese Gruppierung predigte offen den Rassenhass und nationalsozialistisches Gedankengut, sowie eine Verherrli-chung des Führerkultes und rechtfertigte die sogenannte Endlösung der Nazis. Seit Jahrzehnten war diese Organisation schon verboten, jedoch rekrutierte sie immer wie-der neue Anhänger um eine Wiederherstellung Nazideutschlands zu erreichen. Nun schien es, als solle der Mars zu ihrem neuen Kerngebiet werden, von dem sie aus, die-sen Alptraum wahr machen wollten. Aber es war noch immer nicht zu 100% bekannt, wer nun wirklich der Drahtzieher für all das Chaos war, bisher gab es nur Mutmaßun-gen. Osthofer blickt auf die Uhr, viertel vor 7. Um Punkt 7 Uhr hatte der Bundeskanzler eine Konferenz angesetzt um das weitere Vorgehen zu besprechen, nachdem sie schon am gestrigen Abend den Marschbefehl für neue Soldatenverbände gegeben hatten. In letzter Zeit hatte es einfach zu viele Zwischenfälle gegeben und diese Zu-stände mussten nun endlich beseitigt werden. Erst von 2 Tagen war ein deutscher Frachter mit Hilfsgütern für die Menschen in der Krisenregion von amerikanischen Kriegschiffen abgeschossen worden, da er fälschlicherweise als Blockadebrecher iden-tifieziert wurde. Dieser Abschuss hatte wiederholt auf die Missstände der zwischen-staatlichen Koordination hingewiesen. Es musste endlich etwas geschehen, bevor es wieder zu einem Verlust von Menschenleben kommen würde. Der Krieg allein war schon grausam genug, es musste nicht noch mehr eskalieren. Jedoch war die Politik der Eigenbrötlerei während des letzten Jahrhunderts immer weiter angewachsen und das hatte dafür gesorgt, dass die Nationalstaaten in diesem Konflikt kaum Absprachen, auch innerhalb der Militärbündnisse, taten. Auch hundert Jahre nach dem Weltkrieg, der damals zum dritten Mal die Erde heimsuchte, misstrauten viele Staaten einander oder ließen ihre Freunde und Nachbarn über ihre Pläne im ungewissen. Die großen zwi-schenstaatlichen Errungenschaften wie beispielsweise die Europäische Union waren Geschichte und die neuen Bündnisse und Konföderationen waren nicht in der Lage die-se Missstände zu ändern. Vergeblich versuchten die Vereinten Nationen eine geeinte Koordination in diesem Konflikt aufzubauen, jedoch scheiterten sie am Wiederstand der Kriegsteilnehmer. Solche Probleme sorgten regelmäßig für Zwischenfälle wie dem Ab-schuss eines Versorgungsschiffes durch einen NATO-Verbündeten. Man würde wieder eine Protestnote formulieren, aber wirklich nützen würde es niemandem, schon gar nicht den 20 Opfern des Frachters. Osthofer blickte auf die Uhr an der Wand, denn es wurde Zeit für die Konferenz. Er seufzte erst, dann erhob er sich, wenn auch wiederwil-lig. Ein weiterer Tag, der mit einem Schlafdefizit enden würde.

3 Marschbefehl

Der Mercedes zwängte sich durch den engen Stadtverkehr der Frankfurter Innenstadt, begleitet von Hunderten weiterer Pendler die entnervt sein Schicksal teilten. In den Ra-dionachrichten kamen immer wieder nur Berichte über die schrecklichen Ereignisse auf dem Mars, so als ob die Welt nichts Neues zu verkünden hatte. Trotz des dichten Ver-kehrs kam der Mercedes einigermaßen gut durch das Chaos der modernen Welt und bereits eine Viertelstunde später erreichte Leutnant Strasser das Tor des Rhein-Main-Stützpunktes der Bundeswehr. Der Wachposten an der Schranke erwartete ihn bereits:
„Guten Morgen Leutnant Strasser“, sagte dieser, nachdem er den Ausweis kontrolliert hatte, “Bitte begeben sie sich unverzüglich zu Oberst Fresner, es ist dringend“.
Robert stutze, „ Hat er erwähnt aus welchem Grund?“
„Tut mir leid, das wird er ihnen persönlich mitteilen. Bitte begeben sie sich unverzüglich zu ihm“, erwiderte der Posten.
Robert stöhnte, denn jetzt zum Alten zu gehen war das letzte was er jetzt vorhatte. Aber Befehl war Befehl und er musste sich fügen, also wartete er bis die Schranke oben war und steuerte dann seinen Wagen über das Kasernengelände, bis er schließlich am Kontrollkomplex angekommen war. Er stellte sein Fahrzeug ab und betrat das Gebäu-de. Im Inneren herrschte Hochbetrieb, ähnlich einem Ameisenhaufen. Robert musste sich von Korridor zu Korridor kämpfen, ein Unterfangen das genauso stressig war, wie an einem Samstag über die Zeit in der Frankfurter Innenstadt zu überqueren. Immer wieder stieß er mit einem herumeilenden Boten zusammen oder er wurde von einer Gruppe junger Rekruten über den Haufen gerannt. Robert wusste, warum jeder in der Truppe es hasste in dieses „Irrenhaus“, wie es von den Soldaten genannt wurde, ge-schickt zu werden. Die Hölle könne nicht schlimmer sein, hatte sein Freund und Unter-gebener Werner Haupthaus immer wieder erwähnt. In solchen Momenten wie diesen, schien dieser Vergleich durchaus angebracht. Mit ihm zusammen kämpften sich 2 wei-tere Leutnants durch das Gewimmel und schließlich, nach langen und angespannten Minuten erreichten sie den gesuchten Korridor, der nicht so stark besucht war.

Oberst Horst Fresner, ein strenger Mann im Alter von 76 Jahren saß in seinem Büro und wartete auf die herbeizitierten Offiziere. Sie waren bereits 6 Minuten über der Zeit und wenn er etwas hasste, dann war es Ungehorsam und vor allem Unpünktlichkeit. Endlich jedoch klopfte es an seine Bürotür.
„Kommen sie herein“, grummelte er mit einem leichten Zorn.
Die Tür schwang auf und die 3 angeforderten Leutnants traten herein, die hastig zum militärisch korrekten Gruß ansetzten. Schon wollte sich einer der kleinen Gruppe zu einer Entschuldigung hinreißen lassen, jedoch kam Fresner ihm zuvor:
„Ich will nichts hören, wichtig ist, dass sie endlich da sind. Es hat lange genug gedauert und sie sollten eigentlich wissen, dass ich nur ungern warte. Aber das ist nun unwichtig, denn es gibt etwas was von viel größerer Bedeutung ist, als diese Nebensächlichkeit. Meine Herren, ich habe sie rufen lassen, da das Verteidigungsministerium beschlossen hat, weitere Soldaten in die Krisenregion auf dem Mars zu entsenden.“
Leutnant Richard Hortenmaier schrak auf: „Herr Oberst, wollen sie damit andeuten, dass wir dazu gehören?“
„Sie haben es erfasst, Leutnant,“ erwiderte der Ranghöhere. „Sie werden jeweils mit ihrer Truppe morgen früh abreisen und die Verbände auf dem Mars unterstützen. Ihre Aufgabe wird darin bestehen, die Unruhen so gut es geht zu bekämpfen und die Ursa-che dafür zu lokalisieren und auszuschalten. Denken Sie daran, Sie wurden dafür aus-gebildet, die Sicherheit Deutschland zu gewährleisten und zu verteidigen, sofern es nö-tig werden sollte. Auf dem Mars werden Sie mit den Einsatzkräften vor Ort, also der Po-lizei, dem Bundesgrenzschutz und der bisher entsandten Kontingenten zusammenar-beiten. Haben Sie das verstanden?“ fragte der Oberst.
„Ja, Herr Oberst“, antworteten die 3 Gruppenführer wie aus der Pistole geschossen.
Die Einsatzbesprechung zog sich noch eine Stunde in die Länge, aber das Haupt-einsatzziel war klar. Es war genau das gewesen, was Robert sich bei den Morgennach-richten gedacht hatte. Er und seine Truppe würden nun doch an die Front geschickt werden, direkt in einen Krieg der von einem unsichtbaren Feind geführt wurde. Die meisten Attacken kamen immer aus dem Hinterhalt, aus den dunklen Löchern der Häu-serruinen. Heimkommer hatten ihm von solch grausamen Kämpfen erzählt, dass er teilweise nicht mehr nachts schlafen konnte. Er war nie im Gefecht gewesen, er hatte nie eine Schlacht oder gar einen Krieg miterlebt und kannte nur Erzählungen und Bilder. Der letzte Krieg war lange vor seiner Zeit zu Ende gegangen, nur sein Großvater hatte Schlachten noch mit erlebt. Der Tag brachte keine weiteren Neuigkeiten, abgesehen vom Marschbefehl. Seine Untergegeben hatten resigniert auf die Nachricht reagiert, denn sie wussten um die Gefahr. Aber sie waren Soldaten und es war ihre Pflicht dieser Bedrohung ein Ende zu setzen. Strasser hatte seine beiden Führungsoffiziere noch am Abend ins Kommandozentrum berufen, um das Vorgehen für die nächsten Tage zu planen. Wie ihnen die Bundeswehrführung mitgeteilt hatte, würden sie zunächst per Shuttle zum Mond fliegen und auf der Mondbasis in einen Truppentransporter umstei-gen, zusammen mit anderen Verbänden aus der Bundesrepublik. Danach sollten sie, eskortiert durch 2 Kreuzer, Kurs auf den roten Planeten nehmen. Das ganze Unterneh-men würde sie voraussichtlich 3 Tage kosten, davon 2 aufgrund der Reise im Hyper-raum. Robert verspürte das Bedürfnis noch am selben Abend die Garnisonskirche auf-zusuchen, obwohl er kein sehr religiöser Mensch war. Aber eine innere Stimme drängte ihn dazu, wie als wäre er nur eine Marionette eines Puppenspielers. Er konnte es sich nicht erklären, aber seit er den Marschbefehl in der Hand gehabt hatte, fühlte er sich unwohl, als würde eine dunkle Zukunft vor ihm liegen. „Sei nicht albern,“ hatte er immer wieder zu sich selbst gesagt. „Es gibt kein Schicksal und schon gar keines, dass man nicht beeinflussen kann“. Damit versuchte er das Gefühl abzustreifen, jedoch gelang dies immer nur für kurze Zeit. In dem Gotteshaus angekommen, ertappte er sich immer wieder dabei, dass er intensiver als sonst betete, so als wolle er den Segen des Herrn erzwingen. Vielleicht war es die Furcht vor dem Krieg, aber nur ein Narr würde ohne Furcht und Sorge in die Schlacht ziehen. Er beschloss an diesem Abend früher als ge-wohnt ins Bett zu gehen, packen würde er dann früh am Morgen. Nur die Frage, wie er es seinen Eltern so schonend wie möglich beibringen wollte, lies ihn nicht einschlafen. Irgendwann jedoch übernahm die Müdigkeit die Herrschaft und er glitt hinüber in einen Schlaf, der ihn mit Alpträumen quälte.

Früh morgens um 5:00Uhr saß er dann, zusammen mit seiner Truppe auf dem militäri-schen Bereich von Rhein-Main. Seine beiden Führungsoffiziere, Feldwebel Werner Haupthaus und Feldwebel Martina Raiser, waren bei ihm und versuchte mit kleinen Floskeln die ernste Situation aufzulockern. Es entsprach zwar nicht dem Protokoll, aber die 600 Soldatinnen und Soldaten sahen so aus, als ob sie etwas Aufmunterung vertra-gen könnten. Deshalb ging Robert Strasser auch nicht dazwischen, als es zu einigen kleinen Boxkämpfen zwischen den Mitgliedern der Truppe kam. Irgendwie musste man die Moral aufrecht erhalten und dies war der beste Weg dafür. Sie würden noch früh genug die Anstrengungen der militärischen Disziplin verspüren. Auf dem übrigen Teil des Raum-und Flughafens herrschte geschäftiges Treiben, sogar der zivile Flugverkehr wurde durch den Truppentransport beeinflusst, obwohl das Nachtflugverbot erst jetzt wieder seine Wirkung verloren hatte. Die 4 70m langen Pegasustransporter wurden derweil mit militärischem Gut vollgestopft. In den Laderäumen der Kurzstreckenschiffe stapelten sich Waffen, Munition, Versorgungsgüter und auch schweres Kampfgefährt. Immer wieder fuhren schwere LKWs und Panzer auf die Ladeflächen der Transportmo-dule. Diese Module wurden an die Schiffe angekoppelt und konnten bei Bedarf schnell wieder entkoppelt werden könne. Der Vorteil dabei war, dass die Transporter die Mo-dule bis zu einer orbitalen Verladestation bringen konnten und dann ohne irgendwelche Umzugsaktionen die Module an die großen Langstreckenschiffe anbringen konnten. Währenddessen ging ein fünfter Pegasuskreuzer runter, der mit einem Passagiermodul ausgestattet war. Er würde sie zur internationalen Mondstation bringen, wo sie dann in einen großen Truppentransporter umsteigen würden.
„Truppe, ACHTUNG“, brüllte der Leutnant plötzlich, „Truppe, angetreten“.
Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde erstarb das heitere Gelächter und die Solda-ten standen militärisch korrekt in Formation, weitere Befehle erwartend. Leutnant Stras-ser blickte streng auf die angetretene Front aus Menschen, die sich vor ihm aufgebaut hatte.
„Soldaten, hier ist der Einsatzplan für das weitere Vorgehen. Sie werden nun den Transporter betreten. Auf dem Mond angekommen, begeben sie sich unverzüglich zur Rampe 12. Dort steigen sie in den Truppentransporter Richthofen ein und erwarten weitere Anweisungen.“ sagte er mit fester Stimme.
„Jawohl, Herr Leutnant“, erwiderten die ihm Unterstellten.
Im Anschluss darauf gab Strasser den beiden Feldmarschällen ein Zeichen, diese schickten dann den Verband in das Passagiermodul. Um 6:00Uhr waren die fünf Schiffe vollständig verladen, so dass sie starten konnten. Brüllend zündeten die starken Trieb-werke der Schiffe und langsam erhob sich einer nach dem anderen in die Luft. In einer gezogenen Linie schwebten sie gen Himmel. Begleitet wurde der kleine Konvoi von 4 Tornadomaschinen der Luftwaffe, 2 an der Spitze und 2 am Ende des Zuges. Innerhalb von einer halben Minute hatten sie die Atmosphäre verlassen und nahmen Kurs auf den Mond. Im Vakuum des Weltalls zündeten sie ihre dafür gebauten Triebwerke und erfuh-ren dadurch einen ungeheuren Beschleunigungsschub. Schon bald kam der Mond ins Blickfeld und auch die dortige Militärinstallation. Strasser blickte aus dem Fenster und sah den vorbeifliegenden Frachtschiffen und Militärkreuzern zu. Es war ein überwälti-gender Ausblick, unter ihm der blaue Planet und vor ihm nur die Schwärze des Weltalls, durchbrochen von den Lichtreflexen weit entfernter Planeten. Dutzende von großen Raumschiffen tummelten sich zwischen Erde und Mond und in der Ferne sah er eine der 4 großen waffenstrotzenden Kampfstationen. Es war überwältigend und zugleich auch furchteinflössend. Abrupt riss sich Strasser wieder aus dieser Gefühlswelt, es war keine Zeit mehr für Sentimentalitäten, seine ganze Aufmerksamkeit gehörte wieder sei-nem Auftrag. Das Treiben vor dem Fenster interessierte ihn nicht mehr, er hatte nur noch Augen für den Datenträger in seiner Hand. Über den Bildschirm flimmerte eine Flut von Informationen, alles Daten die über die Vorgänge auf dem Mars berichteten.

Der Konvoi näherte sich dem Mondorbit mit hoher Geschwindigkeit. Die 4 Jagdmaschi-nen begannen nun die Formation aufzulösen, ihre Schuldigkeit war getan. Unterdessen kam die Station immer näher, man konnte die Aufbauten mit bloßem Auge erkennen. Mit äußerster Präzision lenkten die Piloten ihre schwerfälligen Transporter vorbei an schweren Geschützen hinein in das gewaltige Hangartor der Mondbasis. Der Hangar maß eine Fläche von mehreren Quadratkilometern, ganze Flotten hatten in ihm Platz. Auf der Landfläche waren bereits andere große Schiffe abgestellt, meist handelte es sich um Erzfrachter, die die Erde mit den nötigen Rohstoffen von den Versorgungspla-neten außerhalb des Sonnensystems versorgten. In der militärischen Sektion jedoch waren dicht aneinander gedrängt Truppentransporter und kleine Kriegsschiffe gelandet. Zwischen den Kreuzern huschten Fahrzeuge aller Art, beladen mit wichtigen Versor-gungsgütern und Soldaten aus allen Nationen. Während die 5 Frachter zu ihrem Stell-platz flogen, kreuzten 2 russische Pandora-Kreuzer die Flugbahn. Die beiden Piloten des vordersten Transporter schrieen entsetzt auf, als sie die Katastrophe auf sich zu kommen sahen. Geistesgegenwärtig rissen sie ihre Maschine zur Seite, bevor es zum Zusammenprall kommen konnte.
„Sacht ma, seid ihr bescheuert Anflugkontrolle? Wollt ihr uns unbedingt umbringen, o-der habt ihr nix besseres zu tun?“, schrie der Co-Pilot erbost in sein Funkgerät.
„Gebt nicht uns die Schuld, ihr wart auf dem richtigen Leitstrahl. Die beiden Russen war’n wohl wieder zu besoffen, um zu fliegen. Also mach mich nicht an, KLAR!“, fauchte die Stimme aus dem Funkgerät.
„Ja ja, verarschen kann ich mich selber. Man wer hat die bloß eingestellt.“, grummelte der Co-Pilot zu seinem Nachbarn.
„Reg dich wieder ab, lohnt sich nicht sich noch weiter drüber aufzuregen,“ erwiderte dieser.
Aber auch er spürte die Wut über diese mangelhafte Verkehrsplanung. Es war bereits der vierte Vorfall in diesem Monat, von Versagen der Piloten konnte also keine Rede sein. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Unglück geschehen würde. Das Lan-demanöver hingegen ging ohne weitere Schwierigkeiten von statten. Die 4 Versor-gungstransporter koppelten ihre Module ab und machten sich wieder auf den Heimweg. Der letzte hingegen landete dicht neben einem der riesigen Truppentransporter, wo sich bereits 6 weitere Pegasusschiffe andere befanden. Die Landestege des Moduls fuhren aus und die Schleuse öffnete sich. Ein endloser Zug von grüngekleideten Soldaten zwängte sich aus dem Modul und liefen in einer geschlossenen Formation die Stege hinunter. Auch sie waren durch das plötzliche heftige Ausweichmanöver gezeichnet, zumindest sah man es einigen blassen Gesichtern an. Ohne weitere Vorkommnisse ging der weitere Umstieg von statten, innerhalb von einer halben Stunde waren die 600 verschifft und bereit zum Abflug. Es dauerte jedoch noch 2 weitere Stunden bis schließ-lich alle 5000 Mann eingetroffen und bereit zum Flug zum Mars waren. Robert Strasser und andere kommandierende Offiziere verteilten ihre Verbände auf die verschiedenen Decks des Kreuzers, geordnet nach Divisionen. Obwohl sie alle aus Deutschland stammten und Teil der deutschen Streitkräfte waren, hielt man die militärische Ordnung bei und teilte jedem Verband seine Sektion zu. 2500 Frauen und Männer drängten sich in die Enge des Schiffes, dass nun für die nächsten 2 Tage im Hyperraum ihre Heimat darstellen sollte. In dieser Periode hatte man den Soldaten Zeit gegeben sich auszuru-hen und auf die künftige Aufgabe vorzubereiten. Denn sie wussten, dass nicht alle ste-henden Fußes auf die Erde zurückkehren würden.

Um 10:00Uhr wurde die Startsequenz für den neuen Konvoi eingeleitet, diesmal be-stand er aus 2 großen Truppentransportern und 4 Frachtschiffen, in deren Rümpfen die Frachtmodule verstaut waren. Begeleitet wurde dieser neuzeitliche Treck von 2 mächti-gen und schwerbewaffneten Kriegskorvetten, den bisher größten Schiffen in den irdi-schen Raumflotten. Die 200m langen Giganten nahmen Flankenpositionen und diri-gierten den Konvoi zum Hyperraumsprungpunkt außerhalb des Gravitationsfeldes des terranischen Mondes. Die kleine Flotte koppelte ihre Sprungsysteme zusammen um einen gleichzeitigen Sprung zu ermöglichen und dann endlich aktivierten sie ihre Hyper-raumtriebwerke.

4 In den Krallen des Bösen

Währendessen kam es auf dem roten Planeten wieder zu gewalttätigen Exzessen. Die Aufständischen-Verbände verwickelten die nationalen Streitkräfte und auch rivalisieren-de Gruppierungen in grauenvolle Gefechte, die Hunderte von Toten forderten. Sie schreckten auch nicht davor zurück wehrlose Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. In der amerikanischen Domecity New Detroit wurde ein kompletter Stadtteil durch die Gefechte in Schutt und Asche gelegt, 1200 Menschen fanden dabei den Tod, die meisten unter ihnen waren Zivilisten. Die US-Army musste dabei eine her-be Niederlage einstecken und sich aus diesem Teil der Stadt komplett zurückziehen. 250 GIs waren schwerverletzt, 100 getötet worden. General Watergate, ein Mann mit strengen Prinzipien ordnete kurze Zeit später einen gewaltigen Luftschlag mit Hub-schraubern an, dem Dutzende von Wiederstandskämpfer zum Opfer fielen. Die Spirale der Gewalt drehte sich weiter, es war kein Ende abzusehen. In den Ruinen und in den Häuserschluchten war es verdammt schwer feindliche Einheiten überhaupt zu entde-cken, immer wieder mussten Bodenkommandos eingesetzt werden. Mancher US-Politiker befürchtete bereits ein zweites Vietnam, denn die Chance wieder heil zurück-zukehren betrug stolze 34%. In den Lazaretten und Krankenhäusern kamen minütlich neue Opfer an, die durch die Kämpfe verletzt worden waren. Ein heilloses Chaos herrschte und niemand sah sich in der Lage, wenigstens ein bisschen Ordnung aufrecht zu erhalten. Viel zu oft, mehr als es die menschliche Psyche überhaupt aushalten konnte, musste das medizinische Personal die Leiber vieler Patienten verdecken. Manch einer brach zusammen, so viele Tote zerrten den Fähigkeiten der Menschen. Aber nicht nur die USA hatten mit diesen Tragödien zu kämpfen, auch die anderen Na-tionen blieben davon nicht verschont. Einer der grausamsten Zwischenfälle ereignete sich 1 Tag vor Ankunft der deutschen Verstärkung. Ein wahnsinniger Mob war in den Raumhafen der britischen Stadt New Liverpool eingedrungen und hatte das Sicher-heitspersonal überrannt. Noch bevor die britische Armee die Lage wieder unter Kon-trolle bringen konnte, hatten 200 Menschen einen Raumtransporter gekapert und ihn gestartet. Es handelte sich um verzweifelte Menschen mit ihren Familien, die dem Grauen entkommen wollten. Als sie auf die UN-Blockade trafen versuchten sie die Bar-riere mit Gewalt zu durchbrechen. Sofort hatten sich mehrere Kriegsschiffe zum Abfan-gen formiert und sie forderten den Blockadebrecher auf unverzüglich beizudrehen oder die Konsequenzen zu tragen. Irgendein krankes Hirn an Bord des Flüchtlingsschiffes hatte daraufhin das Feuer aus einer der schwachen Abwehrkanonen eröffnet und damit eine Reaktion herausgefordert. Zwar prallten die Laserschüsse an den Schilden der Militärraumer ab, jedoch wurde der Frachter nun als Bedrohung angesehen und genau-so behandelt. Unter dem Trommelfeuer von Dutzender Turbolaserstellungen brachen die Schilde und die Panzerung des hoffnungslos unterlegenen Schiffes zusammen und es verging in einer gewaltigen Explosion. 200 Menschen, die in ihrer Verzweiflung ihr Heil in der Flucht gesucht hatten, mussten sterben für eine Sache, die sie nicht zu ver-schulden hatten. Es sollten jedoch nicht die letzten Opfer dieses irrsinnigen Krieges sein. Das größte Massaker sollte erst noch kommen und erst dadurch sollte der Krieg enden. Wie schon so oft in der Geschichte musste erst das Schlimmste eintreten, bevor der Frieden und die Vernunft einziehen konnten. Die Opfer der Wild Mustang, so hatte der zerstörte Frachter geheißen, waren wie viele andere vor ihnen auf dem Altar der Gewalt und der Habgier geopfert worden. Die Drahtzieher des Ganzen saßen unbehel-ligt in ihren monströsen Wolkenkratzern und warteten darauf, dass der Mars endlich zu Freiland werden sollte, damit ihre Gier nach Macht und Geld endlich befriedigt werden konnte. Doch auch ihre Stunde sollte schon bald geschlagen haben und sie würden sie verantworten müssen.
Während diesen schrecklichen Vorfällen auf dem roten Planeten herrschte eine ange-spannte Stimmung in der Vollversammlung und im Weltsicherheitsrat, den beiden wich-tigen Organen der UN. Das am Hudson River liegende Hauptquartier der Vereinten Na-tionen war aus Furcht vor Anschlägen hermetisch abgeriegelt worden. Spezialeinheiten des NYPD hatten auf dem Gelände Stellung genommen, um das alliierte Sicherheits-personal zu unterstützen. Die Situation war so angespannt, dass man sogar die Strasse vor dem Gebäude für den Zivilverkehr gesperrt hatte, sehr zum Leidwesen der Autofah-rer und der New Yorker Bürger, denn die Umleitung hatte bewirkt, dass die ohnehin ü-berlasteten Strassen von einer weiteren Blechlawine überrollt wurden. Im 20. Stockwerk stand UN-Generalssekretär Richard von Joulen am Fenster seines Büros und blickte fassungslos auf die Nachrichten, die minütlich auf seinem Computerbildschirm auf-blinkten. Resigniert nahm der gebbürtige Holländer die Meldung vom Abschuss der Wild Mustang zur Kenntnis. Er wusste nicht mehr was zu tun war, besonders da sich die Vollversammlung noch immer nicht auf eine gemeinsame Linie hatte einigen kön-nen. Das einzige was die Vereinten Nationen zustande gebracht hatten, war die Blo-ckade des Mars und die Überwachung des Planeten, aber das Wichtigste, nämlich den Konflikt zu beenden, konnte sie nicht vollbringen. Van Joulen ging zurück an seinen Schreibtisch und las sich noch einmal den Forderungskatalog einiger aufständische Gruppen durch. Kalte Wut packte ihn während er das tat, denn die Forderungen waren teilweise so unsinnig, dass man den Eindruck bekam, dass die Rebellen den Konflikt friedlich lösen wollten. Im Gegenteil, es klang wie der blanke Hohn eines Kriegstreibers. Mitglieder des Geheimdienstes UNIA hatten in der letzten Zeit verstärkt getarnte Kom-munikationsverbindungen zwischen der Erde und den Marsaufständischen festgestellt, es musste also auch auf der Erde Agenten der Rebellen geben. Vielleicht wurde sogar die gesamte Aktion von der Mutterwelt aus gesteuert, aber beweisen konnte man es nicht, da es nicht möglich war den Adressaten und den Inhalt der Transmissionen fest-zustellen. Einzig und allein hatte man die Region herausfinden können und war darauf gestoßen, dass sich Aufrührer vor allem auf den nordamerikanischen Raum konzent-riert hatten, nur eine einzige Verbindung ging außerhalb des US-Gebietes nach Japan. Van Joulen wandte sich wieder von seinem Datenterminal ab, zu grausam wurde es für den überzeugten Pazifisten. Sein Leben lang hatte er für den Frieden gekämpft und war dafür auch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, aber nun schien es, als solle ausgerechnet seine Amtszeit zu einer der gewalttätigsten in der Geschichte der UN werden. An der Wand waren die Bilder seiner Amtsvorgänger aufgehängt und es schien so, als wollten sie ihren Nachfolger mit Blicken dafür strafen, dass er es nicht verhindert hatte, die Gewalt einzudämmen.

Damals wusste van Joulen nicht, dass einer der Drahtzieher nur 100m entfernt sein Domizil hatte, in einem riesigen Firmengebäude, dass zu den markantesten der Skyline Manhattans gehörte. Der 310m hohe United Telecom Komplex war so glatt und abwei-send wie sein Inhaber, der Milliardär George D. McDover. Ihm und seinen Finanzkolle-gen war es zu verdanken, dass der rote Planet im Chaos versank. Während die UN noch immer in Ratlosigkeit versunken waren, trieb McDover seine teuflischen Aktionen zum äußersten. Kalt und herzlos radierte er ganze Stadtbezirke auf einer holographi-schen Karte aus und sendete diesen Plan zu seinen Handlangern auf dem Mars. Mitten in diesen Planungen schrillte plötzlich der Alarmton des Videokommunikators. McDover lies ein wenig Zeit, bevor er schließlich den Anruf annahm. Einer seine Schmuggler war am anderen Ende Leitung.
„Was gibt es, ich bin sehr beschäftigt“, fauchte McDover den Mann an.
„Sir, ich wollte ihnen mitteilen, dass wir die Ladung erfolgreich verschifft haben“, erwi-derte dieser in einem lockeren Ton.
„Das wurde aber auch Zeit, ich hoffe mal für Sie, dass man Sie nicht entdeckt hat. Sie wissen ja, Versagen dulde ich nicht und was ich nicht dulde, wird platt gemacht“, drohte McDover.
Sein Gegenüber jedoch schien Drohungen gewohnt zu sein, zumindest zeige er keine Reaktion.
„Hey, Sie geben mir den Job und ich erledige ihn auf meine Weise. Ich will nur meine Kohle haben und nicht mehr“, erwiderte er.
„Passen Sie bloß auf, dass Sie sich nicht große Feinde machen. Aber jetzt zu einer vollkommen anderen Sache. Ich habe einen neuen Auftrag für Sie, sie sollen für mich etwas schmuggeln“, sagte McDover in einem nun ruhigeren Tonfall.
„Hm, Schmuggeln? Ich? Nein, so was mache ICH doch nicht. Also, was wollen Sie transportieren? Scheint ja ziemlich wichtig zu sein“, grinste der Verbrecher.
„Ich will das Sie einen Mark 6 Sprengkopf nach Respublica Moskva bringen und einem gewissen Vladimir Troschkin aushändigen. Sollten Sie Erfolg haben, erhöhe ich ihre Prämie um 100%, bei Misserfolg sollten Sie sich jedoch einen sicheren Ort suchen, wo ich Sie nicht finde“, entfuhr es den Milliardär eiskalt. Er hatte langsam genug von sei-nem Zwangspartner.
„Ein Mark 6 Atomsprengkopf?“ keuchte der Schmuggler ungläubig. “Ich habe ja schon vieles transportiert, aber eine Atombombe.....wo zum Teufel haben Sie das Ding her? Niemand kommt an eine solche Waffe ran.“
„Unterschätzen Sie niemals meine Möglichkeiten“, erinnerte McDover seinen Unterge-benen. „Ich habe einen solchen Sprengkopf und das genügt als Information. Überneh-men Sie den Job oder muss ich mir jemand kompetenteren suchen?“
„N-nein Sir, S-sie können sich auf mich verlassen“, stotterte der Schmuggler, eine leichte Besorgnis war ihm anzusehen.
„Na dann ist ja alles gut, kommen Sie morgen abend um 23 Uhr mit ihrem Schiff zu den üblichen Koordinaten. Dort erhalten Sie die Ware und weitere Informationen. Und den-ken Sie dran, ich finde Sie“, drohte der Kriegstreiber und schaltete das Gerät ab.
Er konnte zwar Schmuggler nicht leiden, sie waren für ihn wie nervige Insekten, jedoch solange sie gute Arbeit lieferten, tolerierte er ihre Nähe. Es lief alles bisher nach Plan, die Aufstände, das hilflose Agieren der Regierungen, nicht mehr lange und er würde am Ziel seiner Träume sein. Schon längst war er in die Planungen zur Nachkriegsordnung eingestiegen und die bestand hauptsächlich darin gewinnbringende Immobilien zu er-richten. Natürlich hatte er vorher noch geplant sich zum „Staatschef“ des Mars zu er-nennen. McDover blickte immer und immer wieder auf das Hologramm des „neuen“ Mars nach dem Krieg. Es zeigte ein vollkommen anderes Bild des Planeten, nicht mehr zerstückelt in Staaten, sondern ein zusammenhängendes Territorium im Alleinbesitz von United Telecom. Zwar arbeitete McDover mit verbündeten Konzernen zusammen, jedoch war es nie seine Absicht gewesen den Gewinn zu teilen. Es der wahnsinnige Plan eines kranken Geistes. Er selbst bezeichnete sich natürlich nicht als verrückt, son-dern vielmehr als profitorientierter Geschäftsmann mit wichtigen Geschäftsinteressen. Störende Elemente wie Menschen waren für ihn schlichtweg Dinge, die den Weg räu-men mussten. Für McDover war all dies nur eine Frage der Definition und jederzeit austauschbar. Geld regiert die Welt und nicht irgendwelche bedeutungsvolle Politiker und Militärs. Mit Geld konnte man alles und jeden kaufen, es war nur die Frage des Preises. Diese Auffassung hatte ihm den Spitznamen „McGeldhai“ eingebracht und wenn er ehrlich war, dann war dieser Name genau das richtige für ihn. Was machte es schon, wenn ein paar hunderttausend Menschen sterben würden, solange es dabei ei-nen beträchtlichen Gewinn daraus ziehen würde. Macht über andere war immer mit Gewinn verknüpft und wenn er es nicht legal geschafft hatte, dann auf diese „unortho-doxe“ Art und Weise. Wo war der große Unterschied zwischen den einem und dem an-deren, alles war nur darauf bedacht sich einen Vorteil zu verschaffen, nur gab es ver-schiedene Wege zum Ziel. McDover gefiel diese Denkweise, war sie doch das was er wollte. Alles verlief wie am Schnürchen, es würde auch heute wieder ein guter Tag wer-den.

5 Der rote Planet

Endlich kam der rote Planet ins Sicht. Vor 5 Minuten war die kleine Flotte aus dem Hy-perraum gesprungen und bewegte sich nun mit hoher Geschwindigkeit auf die UN-Blockade zu. Es war ein merkwürdiger Anblick, blutrot erhob sich der Mars vor den vie-len Kriegsschiffen, die bereit waren Blut fliesen zu lassen, sofern es nötig werden sollte. Dutzende von Geschützen waren gen Mars gerichtet, in Erwartung alles was sich von der Oberfläche erhob in glühendes Metall zu verwandeln. Der Planet hatte seinen Na-men in Anlehnung des römischen Kriegsgottes Mars erhalten, ausschlaggebend war damals die blutrote Färbung gewesen. Heute jedoch waren es die aktuellen Ereignisse die seinem Namen gerecht wurde. Je näher die Blockade kam, desto langsamer wurde der kleine Verband, da man nicht Gefahr laufen wollten in ein Gefecht verwickelt zu werden. Nun begann die kritische Phase, die Strecke zwischen der Blockade und der Planetenoberfläche war das gefährlichste Stück der Reise. Oft genug waren landende Schiffe mit Kamikazeflüchtlingen zusammengestoßen oder waren durch Querschläger so schwer beschädigt worden, dass sie abstürzten. Langsam schoben sich die Schiffe vorwärts, allen voran die beiden Kriegsschiffe. Nach wenigen Augenblicken drang die Flotte in die dünne Atmosphäre des Mars ein und nahm direkten Kurs auf die deutsche Kolonie Neu-Stuttgart. In der Ferne ragten die Kuppelstädte und -siedlungen in die Hö-he, wie eine Ansammlung Felsen in der Wüste. Schon bald überflogen sie die ersten Ansammlungen von menschlicher Zivilisation, man konnte durch die transparenten Kuppeln direkt in die Orte der Kolonisten blicken. Wie durch ein Wunder waren die klei-nen Dörfer von den Auseinandersetzungen in den Städten verschont geblieben, doch auch sie waren hermetisch abgeriegelt und der Blockade unterworfen. Die Kuppeln wa-ren durch viele am Boden errichtete Röhren miteinander verbunden, durch die norma-lerweise Automobil- und Zugverkehr lief. Im Angesicht der Krise jedoch waren die Röh-ren leer und verlassen. Nur vereinzelt sah man kleine Militärkonvois hindurchfahren, was aber auch nur sehr selten vorkam. Als der Verband eine der Städte überflog, sah man durch die Kuppel hindurch ein Bild des Grausen. Große Teile lagen in Trümmern oder standen in Flammen, am Boden zuckten Lasergewitter gepaart mit Granatexplosi-onen. Einer dieser Hexenkessel war das Ziel der Soldatengruppen, ein Ort sich als Vor-hof zur Hölle erweisen würde. Neu-Stuttgart lag weiter im Westen des Planeten, abge-legen von dieser dichten Ansammlung von Kuppeln. Es dauerte noch wenige Minuten bis schließlich die Domecity und der ihr angeschlossene Raumhafen auftauchten. Wäh-rend die beiden Korvetten wieder abdrehten, sie hatten ihre Schuldigkeit getan, leitete der Pilot der Richthofen als erster das Landmanöver ein. Trotz seiner Länge von 150m sank der Truppentransporter sanft und geschmeidig auf die schwarze Landbahn hin-unter und rollte aus.

Innerhalb des Schiffes hatten sich die Passagiere bereits auf den Abmarsch vorbereitet und standen in einer langen, aber doch geordneten Reihe an den Schleusen. Jeder Kompanie stand ein zuständiger Offizier voran, so auch Leutnant Robert Strasser. Er und seine knapp 600 Untergebenen würden die Ersten sein, welche das Schiff verlas-sen würden. Man merkte jeden einem eine nicht zu verwundernde Anspannung an, schließlich würden sie nun zum ersten Mal ein Kriegsgebiet betreten. Zwar galt der Raumhafen als sicheres Territorium, jedoch war jeder Soldat für den Notfall mit seiner Waffe ausgestattet worden. Einige krallten sich verkrampft an den Griff ihres Sturmge-wehrs, so als würde dies jede Gefahr ablenken. „So müssen sich auch die Soldaten in den Landungsbooten in der Normandie 1944 gefühlt haben“ dachte ein junger Soldat der direkt hinter den beiden Feldwebeln von Strassers Stab stand. „Warum habe ich Idiot mich auch zur Armee gemeldet“ dachte ein anderer. Keiner sprach ein Wort, nur das Rumoren des Schiffes war zu vernehmen. Das laute Zischen der Schleuse lies alle aus der Anspannung fahren, einige stolperten sogar vor Schreck. Die Schleusentür ging auf und durch die gläsernen Laufstege schien rotes, staubiges Licht herein. Leutnant Strasser machte den ersten Schritt hinaus aus dem Schiff, ihm folgten dann alle ande-ren. Links und Rechts von ihnen geschah dasselbe, die Verbindungsstege füllten sich mit Menschen. Durch das gepanzerte und staubige Glas sah man die Marsoberfläche, die sich zu ihrer Seite wie eine unendliche Wüste erstreckte. Vor ihnen erhob sich das graue Terminal des Raumhafens, welches mit jedem Schritt immer größer wurde. Da-hinter war eine noch größere graue Wand zu sehen, es war die schützende Außenhaut der Domecity. Mit schnellem Schritt erreicht der Zug das Terminal, jedoch nur um es schnellstmöglich zu durchqueren. Damit sich die verschiedenen Divisionen nicht ge-genseitig behinderten, hatte man jeder Schleuse einen eigenen Weg aufgezeichnet. Strassers 15. Bundeswehr Division hatte dabei den Umweg durch den U-Bahntunnel zu machen. Zwar war der Tunnel hell erleuchtete, dennoch war es recht umständlich mit 600 Personen über die Magnetschienen zu balancieren. Zwar hatte man sie mit Hol-bohlen abgedeckt, um Beschädigungen zu vermeiden, jedoch waren diese durch den häufigen Gebrauch eingedrückt worden und so mancher musste aufpassen, dass, wenn er auf einer Holzplatte stand, die über dem Abstand der beiden Schienen angebracht, nicht einsank. Es war durchaus nicht zu übersehen, dass dieser Weg nur eine Art Pro-visorium darstellte. Viele hätten liebsten mit den Divisionen getauscht, deren Strecke auf einer Autobahn oder einem offiziellen Gehweg lag.

Sie mussten eine Viertelstunde marschieren, bis sie endlich an die nächste Station ge-langten, von der aus sie weiter an der Oberfläche gehen würden. Froh der Enge des Tunnels entkommen zu sein, stiegen die Soldaten die breite Treppe hinauf und betraten sofort ihr Einsatzgebiet. Die dicken Mauern der Kuppelhülle lagen nur 2 km hinter ihnen und vor ihnen erstreckte sich in 10 km Entfernung die Skyline von Neu-Stuttgart. Es war ein beklemmender Anblick, auf der einen Seite die Viertel, die noch unbeschadet wa-ren, auf der anderen die brennenden Ruinen des Krisengebietes. Der Schlachtenlärm drang zu ihnen hinüber, manche meinten sogar die Schreie der Opfer zu vernehmen. Der Himmel war voll mit Hubschraubern und leichten Kampfflugzeugen, die ihre mäch-tige Waffenlast über all dem Rauch entluden. Irgendwo in der Ferne detonierte ein Sprengsatz und noch mehr Feuer, gepaart mit dunklem Rauch stürzte sich auf die Stadt.
„Keine Müdigkeit vorschützen, los los los. Wir müssen zum Stützpunkt“, brüllte die Stimme Leutnant Strasser über die Köpfe seiner Truppe. Aber auch ihn hatte der Aus-blick bedrückt, diesmal gab es keine schützende Distanz eines Fernsehers. Diesmal war er der Hauptakteur. Der Hauptstützpunkt lag in 5 km Entfernung, dort würden sie sich melden müssen, um weitere Befehle zu erhalten. Diesmal war der Weg um einiges bequemer als der Marsch durch die Tunnel. Nach kurzer Zeit erreichten sie endlich ih-ren Bestimmungsort und Leutnant Strasser schritt schnellen Schrittes auf die Komman-dosektion zu.
„Leutnant Strasser, Division 15 meldet sich zum Dienst, Herr General!“, sagte er und grüßte dabei militärisch korrekt.
„Stehen Sie bequem, Leutnant. Ich bin General Werner von Ratstein. Sie und ihre Ein-heit wurden bereits erwartet, vor allem da wir mehr Einheiten als Ordnungshüter ein-setzten müssen. Aber setzen Sie sich doch erst einmal, schließlich sind Sie erst eben gerade angekommen“, erwiderte der General mit ruhiger Stimme.
„Danke, Herr General. Ich würde dennoch gerne wissen, wie sie meine Einheit einzu-setzen gedenken, schließlich sind sie alle noch nicht kampferprobt. Ich will nicht, dass man sie als Kanonenfutter missbraucht“, sagte Strasser.
„Machen Sie sich dabei keine Sorgen“, beruhigte ihn der General, „Sie sind mit 600 Mann gekommen, von diesen 600 werden die meisten zu Anfang nur zur Wahrung der Sicherheit in den kontrollierten Gebieten eingesetzt werden. 30 Mann, inklusive ihrer Person, sollen jedoch in den aktiven Fronteinsatz geschickt werden.“
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und aktivierte einen Bildschirm auf der rechten Wand. Auf dem Monitor erschien ein Computermodel der Stadt, die in 3 Teile zer-schnitten war.
„Der größte Teil der Stadt ist unter unserer Kontrolle, dort werden auch ihre Leute zum Einsatz kommen“, erklärte der General und 2 Drittel des Bildes färbten sich rot.
„Ein Teil der nördlichen Stadteile ist unter Kontrolle der Volksbefreiungsfront“, sagte er und ein kleines Stück färbte sich Purpur.
„Die meisten Probleme jedoch macht uns die Organisation „Nationaler Volkswieder-stand“, eine neofaschistische Gruppierung, die dort mit äußerster Brutalität ein Nazire-gime installieren will. Die meisten Verluste haben wir in diesem Gebiet, vor allem da sie ohne Vorwarnung zuschlagen. Das sind verdammte Hurensöhne“, polterte er wutent-brannt los, während sich das restliche Gebiet braun färbte.
Es dauerte eine kurze Weile bis sich der General wieder gefangen hatte. Mit hochrotem Kopf atmete er tief durch, bevor er schließlich mit seinem Vortrag fortfuhr.
„Sehen Sie“, sagte er, „es erleichtert unsere Aufgabe ungemein, wenn wir zuerst diese Bedrohung eliminieren. Dazu gehört aber auch, das wir verstärkt Truppen in diesem Gebiet einsetzen müssen, um die Rebellen zu schlagen. An dieser Stelle kommen Sie ins Spiel. Das Oberkommando hat beschlossen, dass Sie aus ihrer Truppe 30 geeig-nete Mann auswählen und diese dann in Gruppen zu je 10 Einheiten unter ihnen und ihren beiden Führungsoffizieren aufteilen. Anschließend werden diese Verbände dann ins Einsatzgebiet geschickt, ihr Auftrag wird sein zusammen mit allen anderen Divisio-nen jeden Wiederstand zu brechen. Verstehen Sie, was ich meine?
„Durchaus, Herr General“, antwortete Strasser. „Jedoch sind die wenigsten dafür geeig-net, um gleich ins Einsatzgebiet zu kommen. Die meisten absolvieren ihren Dienst erst seit einem Jahr. Es dürfte also sehr schwierig werden 30 Mann auszuwählen, vor allem da ich mich vehement weigere meine Soldaten als Kanonenfutter herzugeben.“
„Ich verstehe ihre Vorbehalte, doch sollten Sie auch nicht vergessen, dass es ihre Auf-gabe ist, Deutschlands Sicherheit zu gewährleisten. In diesem Fall können wir dort kei-ne Ausnahmen machen, wir bemühen uns ja, dass die Frischlinge nicht gleich ins Kreuzfeuer kommen. Aber auch in den von uns kontrollierten Gebieten kommt es jeden Tag zu schweren Feuergefechten, es ist also demnach kein großer Unterschied ob Sie nun direkt an der Front kämpfen oder sich in trügerischer Sicherheit glauben“, sagte der Ranghöhere und Strasser wusste, dass dieser Recht hatte. Es nutzte nichts, wenn sich seine Jungs zwar in alliiertem Gebiet befanden und dennoch von einer Kugel getroffen wurden. Er erhob sich:
„Herr General, ich werde ihnen innerhalb der nächsten 2 Stunden eine entsprechende Liste zukommen lassen.“
„Gut Leutnant, Sie können wegtreten“, befahl der Angesprochene.
Strasser salutierte zackig und verließ darauf mit einem mulmigen Gefühl das Büro. Er fühlte sich überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken entscheiden zu müssen, wen er in den Tod aus dem Hinterhalt und wen er in den direkten Tod schicken sollte. Vielleicht war es übertrieben so zu denken, aber er wollte sich keine Illusionen machen, ein Großteil würde den Mars, wenn überhaupt, nur noch liegend in einer Aluminiumkiste verlassen. Er fragte sich, wie man aus diesem Inferno überhaupt lebend raus gelangen sollte. In dem Moment, in dem diese Worte durch seinen Kopf schossen, brach ein künstlicher Feuersturm das Schlachtfeld von der US-Kolonie New Detroit herein.

6 Der Mensch ist des Menschen Wolf

Colonel Richard Neverland sank getroffen zu Boden, während sein Major Jack Steven-son noch vergeblich versuchte ihn rechtzeitig zu Boden zu ziehen. Der Colonel war so-fort tot gewesen, hingestreckt von einem Lasertreffer direkt in den Schädel, der sein Gehirn mit einem Schlag verbrannt hatte. Als der Major sah, dass er nichts mehr tun konnte, machte er sich schleunigst daran aus dem heftigen Kreuzfeuer zu entkommen. Aus den Fenstern des linken Straßenzuges feuerten unzählige Waffen, um die heran-stürmenden Gis zu erledigen. Die breite Prachtstrasse bot ein gutes Schussfeld für die verschanzten Schützen, während es für die Soldaten der US-Army kaum Deckung gab. Dutzende von Leichen bedeckten den Asphalt und es wurden minütlich mehr. Als end-lich der Befehl zum Abbruch des Sturmangriffes kam, hatten die Angreifer einen Verlust 2 Drittel ihrer Kräfte zu beklagen. Major Stevenson und 2 weitere Offiziere hatten sich hinter dem Wrack eines M1A12-Kampfpanzers versteckt, um ihr weiteres Vorgehen zu beratschlagen. Um sie herum schlug Salve nach Salve ein, Trümmerstücke und Staub nahmen ihnen den Atem.
„Also, die Situation, kurz und bündig gesagt: Wir stecken hier fest.“, stellte der Major fest.
„Gut beobachtet, Jack, wäre ich nie drauf gekommen“, spottete der Seargent ihm ge-genüber.
„Wir haben keine Zeit für Witze“, donnerte der Ranghöhere. „Ich kontaktiere das HQ, die sollen einen Luftschlag befehlen.“
Während er an seinem Funkgerät hantierte und verzweifelt versuchte die US-Zentrale zu erreichen, verschärfte sich das Kreuzfeuer aus den Schießscharten. Nicht nur Handfeuerwaffen, sondern auch schwere MGs vom Typ Gatling, welche mittlere Panze-rungen durchschlagen konnten, feuerten auf die versteckten Soldaten. Die Schlinge zog sich immer weiter zu, es gab keinen Ausweg, da die Partisanen jeden Winkel unter Be-schuss nahmen. Durch viele Treffer geschwächt, verging ein Schützenpanzer vom Typ Mitchell in einer gewaltigen Explosion. Die Gatlinglasergeschosse hatten die Panzerung des Fahrzeuges durchbrochen und Teile der Munition in Brand gesteckt. An einer ande-ren Stelle versuchte eine kleine Gruppe von fliehenden Soldaten aus dem Kessel zu entkommen, doch ihre Gegner kannten keine Gnade. Einer nach dem anderen wurde von Kugeln oder Laserblitzen niedergestreckt und getötet. Keiner war entkommen. Den verschanzten Soldaten ging langsam aber sicher sowohl Munition als auch der Mut aus, es war einfach aussichtslos. Immer wieder beschwor Major Stevenson die Zentrale, dass sich der Luftschlag endlich vollziehen würde, da es kein Entkommen gab. Minuten verstrichen quälend langsam, Minuten in denen die Gefechte immer mehr Opfer for-derten. Auch in anderen Straßenzügen war das gleiche Bild zu sehen, in einem nerven-zermürbenden Stellungskampf belagerten sich die Streitkräfte gegenseitig und keiner war gewillt, auch nur einen Zentimeter zu weichen. Heftiges Artilleriefeuer deckte die Stellungen der Aufständischen mit tödlichen Geschossen ein, an anderen Plätzen je-doch wurden die GIs und die Marines durch heftige Gegenwehr zurückgedrängt. Ir-gendwo in der Ferne wurde ein vollbeladener Black Hawk V Helikopter von einer Bo-den-Luft-Rakete getroffen und er stürzte hinab wie Stein. Keiner der Insassen überlebte diesen Absturz.
Nach bangen Minuten erschütterte ein lautes Donnern die Luft über den eingekesselten US-Soldaten, 2 Harrierjets der Marines bretterten über sie hinweg. Ihr Ziel war es die befestigte Stellung der Rebellen zu zerstören, um damit den Eingeschlossenen Luft zu verschaffen. Die beiden Maschinen rasten über die Dächer des Straßenzuges hinweg und wendeten dann urplötzlich. Als sie sich wieder direkt über den Gebäuden befanden, warfen sie ihre todbringende Ladung ab. 4 Sprengkörper durchschlugen die oberen Ge-schosse und detonierten etwa auf halber Höhe. Die Wucht der Explosion riss die ge-samte Straßenseite in Stücke, in einem grellen Blitz ging es in Flammen auf. Die Harrier hingegen hatten sich indes von den Gebäuden entfernt und waren in Schwebestellung gegangen. Was die Explosion verschont hatte, wurde nun Opfer der Flammen. Die we-nigen Verschanzten die dieses Inferno überlebt hatten, wurden nun mit der selben Grausamkeit konfrontiert, die sie selbst vor wenigen Minuten noch angewandt hatten. Wer nicht verbrannte wurde von den Bordkanonen der Senkrechtstarter durchsiebt. Wie in Lauerstellung hatten sich die Piloten über dem Zielgebiet eingefunden und waren dazu bereit die wehrlosen und geschlagenen Feinde zu vernichten. Eiskalt betätigten sie immer und immer wieder die roten Feuerknöpfe an ihren Steuerknüppeln und keiner entkam den todbringenden Laserblitzen. Der Krieg schrieb seine eigenen Gesetze und die Befreier verfielen in den selben Blutrausch, den ihre Feinde angewandt hatten. Als die beiden Harrier wieder abdrehten, war von dem eigentlichen Zielgebiet nur noch ein Trümmerfeld übrig, im Grunde war es für beide Seiten wertlos geworden. 2 Chinook-Hubrschrauber machten sich daran die überlebenden Soldaten aufzunehmen und zu-rück ins Basiscamp zu bringen, während frische Verbände sich daran machten, das eroberte Gebiet abzusichern.

Die Bilanz des Tages war ernüchternd. Zwar hatte es auf Seiten der US-Army erhebli-che Geländegewinne gegeben, aber der Preis dafür war hoch gewesen. Dutzende von Soldaten waren verletzt oder getötet, ganze Häuserblocks abgebrannt bzw. mutwillig zerstört worden und auch der Verlust an Kriegsmaterial machte den US-Truppen zu schaffen. Am Schlimmsten jedoch hatte es, wie so oft die Zivilbevölkerung getroffen. Die Krankenhäuser und Lazarette kamen kaum noch mit der Versorgung der am heuti-gen Tag eingelieferten Zivilisten nach, für viele kam jede Hilfe zu spät. Sie waren Opfer der Waffen der Rebellen und der eigenen Soldaten geworden, andere waren von ge-wissenlosen Aufständischen als lebende Schutzschilde missbraucht worden. Mit jedem Tag stieg auch die Anzahl der Obdachlosen und die eiligst eingerichteten Auffanglager vor der Stadt waren der Situation nicht mehr gewachsen. Immer Lauter wurde der Ruf die Blockade endlich zu lockern und die Menschen zu evakuieren. Im Weißen Haus in Washington tagte der Krisenstab rund um die Uhr und auch im US-Verteidigungsministerium im Pentagon ging alles drunter und drüber. Auch hier began-nen viele an der UN-Blockade gegenüber dem Mars zu zweifeln. Die immer wieder neuaufkommenden Bilder der Flüchtlingsdramen ließen die Emotionen der Bürger hochkochen, bereits jetzt kam es zu täglichen Demonstrationen in der US-Hauptstadt, die vehement forderten, dass man die Flüchtlinge ausreisen lassen sollte. Tausende von aufgebrachten Menschen säumten die breiten Strassen vor den Regierungsgebäu-den, viele besetzten kurzfristig wichtige Regierungsgebäude um ihrem Unmut Luft zu verschaffen. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die ohne Er-folg versuchte die Massen zu zerstreuen. Vor 2 Tagen bereits hatten Unbekannte das Lincoln-Memorial mit politischen und anarchistischen Parolen beschmiert, mit denen sie die Regierungen aufforderten zurückzutreten. Im Zeichen solcher Ausschreitungen wa-ren auch die Bundesbehörde FBI sowie die Geheimdienste CIA und NSA in Besorgnis geraten. Einige hohe Beamte fürchteten bereits, dass die Auswirkungen des Marskrie-ges ihre Spuren auf der Erde hinterlassen hatten und auch hier ein Bürgerkrieg nicht mehr abwegig war. Auf jeden Fall hatte man aus der Schändung des Präsidenten-denkmals Konsequenzen gezogen und brisante Gebäude durch Einheiten der National-garde sichern lassen. Jedoch hatte dies die wütende Stimmung im Land noch weiter verstärkt und die Zahl der Übergriffe stieg von Tag zu Tag beängstigend an. Aber nicht nur in Washington wurden Demonstrationen gemeldet, auch in anderen amerikanischen Städten gingen die Menschen auf die Strasse. Die Vereinigten Staaten schienen von einer Welle der politischen Bewegungen geradezu überrollt zu werden, eine Entwick-lung wie es sie seit dem Vietnamkrieg nicht mehr gegeben hatte. In San Francisco hat-ten sich Tausende am Golden Gate Park versammelt und dort ein Zentrum der Bewe-gung eingerichtet, in Los Angeles war es Straßenschlachten mit der Staatsgewalt ge-kommen, ebenso wie in Chicago und Boston. Nur der Big Apple, New York City war davon verschont geblieben. Zwar gab es auch dort revolutionäre Kräfte, aber die Stadt-verwaltung hatte im Zuge der täglichen UN-Versammlungen alle Demonstrationen ver-boten und vorübergehend den Ausnahmezustand ausgerufen. Das Zentrum der New Yorker Bewegung waren die umliegenden Städte und Gemeinden, Tausende zogen Woche für Woche zu Aktionen und Kundgebungen außerhalb der Stadt. Es ging sogar soweit, dass einige Aktivisten sich mit den Rebellen verbrüderten und zum Sturm auf Washington aufriefen.

Aber nicht nur in den USA gingen die Bürger auf die Strasse, auch in anderen Staaten begannen viele an der Entscheidung der UN zu zweifeln und dagegen zu protestieren. Das europäische Gegenstück zu San Francisco war die französische Hauptstadt Paris, wo sich an den Wochenenden über eine Million Menschen eingefunden hatten. Vom Arcd‘ Triumphe bis zum Eiffelturm hatten die Aktivisten Rue d’la Peace errichtet, das Zentrum der europäischen Bewegung. Auch kulturelle Einrichtungen wie das Centre d‘ Pompidou hielten die Aktivisten fest in ihrer Hand und sie ließen sich weder von den Gendarmen noch von der Nationalgarde vertreiben. Die allgemeine Auffassung war zi-viler Ungehorsam gegenüber der staatlichen Autorität, eine neue 68er Bewegung und auch Hippieära schien angebrochen. Die Drahtzieher der Marsaufstände nahmen das Geschenk der Solidarität gerne an und in ihrer Kriegspropaganda versuchten sie die Wut auf den Staat für ihre Sache zu gewinnen. Je nach Stimmungslage versuchten die einzelnen Fraktionen die Proteste in ihre Planungen miteinzubeziehen, um so die Moral der eigenen Kämpfer zu stärken und die der Armeeverbände zu schwächen. Zwar wa-ren die Hintermänner und das Führungspersonal der Aufständischen auf der Gehalts-liste der Multikonzerne, die sich aus dem Krieg Machtzuwachs erhofften, jedoch die einfachen Anhänger glaubten fest an die Versprechungen und Anschuldigungen ihrer Führer. In ihrem blinden Vertrauen war das Wort der Oberhäupter für sie reiner Wein und die staatliche Autorität der wahre Feind. Als die Berichte von den Protesten auf der Erde auch den roten Planeten erreichten, nahmen sie dies als wohlwollende Unterstüt-zung und als Bestätigung ihres Kampfes wahr. Die eigentlichen Absichten jedoch blie-ben ihnen verborgen und so kämpften bzw. starben sie für eine Lüge, wobei sie viele Unschuldige mit in den Abgrund rissen. Besonders leichtes Spiel hatten die religiösen Führer, in dem sie Fanatismus und Hass säten, die ihre Kämpfer zu unberechenbaren Waffen machten. Ähnlich den fanatischen Islamistenorganisationen, die Ende des 20 Jahrhunderts in vielen Staaten geherrscht und ihren Glauben missbraucht hatten, fielen diese neuen Fanatiker über alles her, was nicht ihrer Doktrin entsprach. Besonders ausgeprägt war dieser Form des Aufstandes in den Kolonien von Japan und Neo-China, wo die Fundamentalisten Gottesstaaten einer Sekte errichten wollten. In der Re-alität jedoch arbeiteten sie für einen japanischen Megakonzern, der keinerlei Interesse an Religion zeigte. Der Mars war nach dem römischen Gott des Krieges benannt wor-den und es schien, als verdiene er diesen Namen zum ersten Mal in der Geschichte zurecht.

7 Highway to Hell

Mit lauten Knattern flog der schwergepanzerte Transporthubschrauber über die Dächer von Neu-Stuttgart, in seinem Bauch waren 10 vollgepackte Soldaten untergebracht, die zum ersten Mal direkt ins Kampsgeschehen eingreifen würden. An seinen beiden Flan-ken flogen 2 Tiger-Kampfhubschrauber als Begleitschutz. Ihre tödlichen Waffensysteme waren allzeit bereit, um jeglichen Feindkontakt angemessen zu beschäftigen. Irgendwo in der Ferne detonierte eine Granate aber es reichte um die noch sehr müden Kämpfer wieder in die Realität zu holen. Unter ihnen in den Strassen patrouillierten bewaffnete Fahrzeuge der Bundeswehr und auch am Himmel herrschte reger Verkehr. Cobra-und Tigerhubschrauber der neusten Generation schwebten unermüdlich von einem Ende der Stadt zum nächsten. Es war nicht ungefährlich so tief zu fliegen, schließlich boten die Dächer der Stadt viele Schlupfwinkel für tragbare Flugabwehrsysteme. Es war noch sehr früh am Morgen und durch die transparente Kuppel der Kolonie fiel nur sehr dämmriges Licht, noch war es ruhig, aber bereits in wenigen Stunden würden die Kämpfe wieder heftig auflodern. Leutnant Robert Strasser nagte lustlos an einem harten Schokoriegel, eine Art Ersatzfrühstück der Soldaten. Er schmeckte widerlich, die che-mischen Bestandteile konnten auch nicht durch künstliche Aromastoffe überdeckt wer-den. Aber es gab nichts anderes, also biss man die Zähne zusammen, verzog das Ge-sicht und schluckte die braune Masse hinunter, um wenigstens ein Alibi für den Magen zu haben.
„Würg, das Essen im Knast ist bestimmt besser als der Scheiß hier“, grummelte einer der jungen Menschen, die mitflogen.
„Warn aber dann bitte vor, bevor du das Zeug wieder auskotzt“, rief ein anderer.
„Und vergiss das Aufwischen nicht“, frotzelte eine junge Soldatin, jedoch keiner lachte.
„Ok, ok, schon kapiert, der war jetzt gaaaaanz flach.“
Es mochte an der frühen Uhrzeit liegen oder vielleicht auch daran, dass es nun zum ersten Kampfeinsatz kam, aber die Stimmung an Bord der Maschine war alles andere als gut. Viel mehr hingen die Insassen lustlos auf ihren Bänken und dösten vor sich hin. Im Grunde hatte der Hubschrauber von der Laune her keine Soldaten an Bord, sondern vielmehr bockige Teenager in Katerstimmung. Für die Tragweite dieses Auftrages war dies natürlich tödlich, keiner würde so lange im Gefecht überleben. Leutnant Strasser erhob sich und stauchte seine Untergebenen tüchtig zusammen, um ihnen den Ernst der Lage zu vermitteln. Schließlich war das Letzte was er brauchte ein Gefallener auf-grund von Desinteresse. Überhaupt war er der Meinung, dass die Truppe überhaupt nicht für diesen Einsatz bereit war, jedoch hatte das Oberkommando ihm diesen Auftrag erteilt. Strasser erinnerte sich an die Einsatzbesprechung, die erst 1 Stunde zuvor ge-wesen war.

Es war eine hektische Stimmung im Besprechungsraum gewesen und überall huschten Offiziere und Adjutanten durch den Komplex. Eine größere Offensive war angekündigt worden und nun wollte man den Frontkämpfern ihre Aufgaben zu teilen. Robert Stras-ser hatte zusammen mit anderen Gruppenführern beisammen gesessen, während sie ungeduldig darauf warteten, dass General von Ratstein endlich das Briefing eröffnen würde. Es dauerte dennoch mehrere Minuten bis endlich die Sitzung beginnen konnte. General von Ratstein stand vor einer holographischen Karte, auf der die verschiedenen Zonen der Kolonie eingezeichnet worden waren. Auf einen Sektor, der von Neo-Nazis beherrscht wurde, waren 3 große Pfeile gerichtet, welche Angriffstrupps darstellen soll-ten.
„Meine Damen und Herren Offiziere, heute werden wir einen bedeutenden Schritt in Richtung Kriegsende machen. Der Planungsstab hat eine großangelegte Offensive ge-gen die vom Feind besetzten Stadtviertel angesetzt. Diese sieht vor, innerhalb von einer Woche 5 Sektoren aus der Hand der Rebellen zu befreien. Wie Sie hier auf der Karte erkennen können, ist als erstes Angriffsziel der Bezirk Daimlerviertel, dessen Codena-me Emil Anton Anton Berta Dora lautet, ausersehen. Aus drei verschiedenen Richtun-gen werden die Verbände in das Gebiet einmarschieren, zuvor jedoch werden wir meh-rere 10 Mann starke Trupps entsenden, welche die Aufgabe haben, größere Bedrohun-gen für die Hauptstreitmacht auszuschalten. Sie sollen vor allem auf mögliche Fallen und Minenfelder achten und diese gegebenenfalls neutralisieren. Wenn Sie auf heftigen Wiederstand stoßen, so melden Sie dies dem Hauptquartier, wir wissen dann, dass ihr Auftrag durchgeführt wurde und nun die Hauptstreitmacht übernimmt. Sobald dies der Fall ist, sollen sich die Expeditionskorps sofort an den Absprungpunkten melden, von denen sie dann ausgeflogen werden. Wir erwarten auf jeden Fall heftigen Wiederstand in der Zone 12 Gamma, wo sich Industrieanlagen befinden, sowie auch in Zone 9 Zeta, dem Gebiet der Arbeitersiedlungen. Passen Sie also auf sich auf. Die Expeditionskorps werden in einer dreiviertel Stunde starten, spätestens 2 Stunden nach ihrem Aufbruch erfolgt dann die Großoffensive. Achten Sie deshalb unbedingt auf das Zeitfenster. Ich wünsche ihnen viel Glück und gutes Gelingen dabei.“

Gutes Gelingen und viel Glück, ja das würde dieser müde Haufen auch dringend nötig haben, wenn sie alle Überleben wollten. 2 Stunden hatten sie Zeit um in ihrem Sektor aufzuräumen, bevor die Operation „Säbelzahntiger“ beginnen würde. Wenn man die Geschaffenheit des Geländes und das dort verborgene Gefahrenpotential beachtete, so war dies nur ein sehr knapper Zeitrahmen. Dennoch, man würde nichts unversucht las-sen, um den Auftrag zu erfüllen. Der Hubschrauber näherte sich mit hoher Geschwin-digkeit dem Zielgebiet und die Passagiere machten sich zum Absprung bereit. Langsam ging die Maschine tiefer und versuchte in einem gefährlichen Spagat zwischen den Häuserreihen zu landen. Als sie nur noch wenige Meter über dem Boden schwebten, wurden die Türen aufgerissen und vollbewaffnete Soldaten sprangen heraus. Schnell sprintete die kleine Gruppe die Treppe einer nahegelegenen U-Bahnhaltestelle hinunter um dort Deckung suchen, während der Helikopter sich wieder in die Lüfte erhob und abdrehte. Unten in der Station angekommen, reihten sich die Soldaten um Leutnant Strasser.
„Ok, wir befinden uns hier an der Station Roter Wald mitten im Einsatzgebiet. Unsere Aufgabe lässt sich am besten mit dem Begriff Search & Destroy bezeichnen, von daher will ich unsere Einheit in 2 Gruppen aufteilen. Gruppe 1 erhält den Auftrag mögliche Ziele auszukundschaften und abzulenken, während Gruppe 2 aus dem Hinterhalt den Gegner ausschaltet. Denken Sie aber daran, dass wir es mit einem Gegner zu tun ha-ben, der keine Gnade zu kennen scheint. Noch irgendwelche Fragen? Nein? Gut, dann los“, sagte Leutnant Strasser.
Innerhalb weniger Sekunden war die Station wieder einsam und verlassen, still wie ein Grab. Draußen war es währenddessen heller geworden und die Stadt war am Erwa-chen. Auch in Zeiten des Krieges musste das Leben weiter gehen, zur gleichen Zeit jedoch begannen auch die Kämpfe von neuem aufzuflammen. Schon Minuten nachdem die kleine Truppe ihr Versteck verlassen hatte, geriet sie in einen Hinterhalt. Sie waren gerade eine kleine Gasse entlang gelaufen, um einen Hinweis zu überprüfen, welcher ein Lagerhaus dort vermutete. Das Inferno begann aus heiterem Himmel, ohne eine Vorwarnung. Plötzlich waren die Fenster eines kleinen Wohngebäudes aufgerissen worden und aus den Löchern regneten tödliche Projektile auf die überraschten Solda-ten. Sekunden verrannen wie Ewigkeiten, bevor sie sich endlich in die schützende De-ckung retteten. Über ihre Köpfe hinweg peitschten unaufhörlich Geschosse hinweg, dennoch hatte es bisher keine Verluste gegeben. Wie schon im Voraus geplant, hatten sie sich in 2 Gruppen aufgeteilt. Während sich die Einheit um Leutnant Strasser in um-mittelbarer Nähe vor dem Gebäude verschanzt hatten, war die zweite zurückgewichen, um dem Gegner von einer unerwarteten Seite aus zu überraschen. Per Harpunenhaken kletterte das Beta-Kommando auf das eines weiter entfernten Gebäudes, um von dort aus, ihr Einsatzgebiet unbemerkt zu erreichen. Das Alpha-Kommando hingegen begann nun, das Feuer auf die Angreifer zu erwidern. Rote Laserblitze schlugen in die Haus-wand ein und verursachten dort beachtliche Löcher. Eine junge Soldatin aus Strassers Truppe versuchte eine Granate in eines der Fenster zu werfen, um so Verwirrung zu stiften. Jedoch prallte der Sprengkörper an der Wand ab und detonierte unter einem geparkten LKW, dessen Explosion Dutzende von benachbarten Scheiben und eine Hausfassade zerstörte. Schwarzer Qualm vernebelte nun das kleine Schlachtfeld und es wurde unmöglich zu zielen. Strasser aktievierte sein Funkgerät und kontaktierte die andere Gruppe:
„Beta-Kommando, wo befinden Sie sich zur Zeit?“
„Alpha-Kommando, hier Beta-Kommando. Wir befinden uns derzeit noch etwa 20 m von ihrer Position entfernt, wir versuchen so schnell wie möglich bei ihnen zu sein. Leider wird unsere Sicht hier oben behindert, d.h. wie kommen nur langsam voran.“
„Beeilen Sie sich Beta-Kommando, ich will die Stellung hier nicht länger halten als nö-tig“, erwiderte Strasser und deaktivierte den Kommunikator.
Plötzlich zischte ein schnelles Geschoss an ihm vorbei und explodierte in einer Einfahrt.
„Was zum Teufel war das“, schrie er.
„Die Schweine haben eine Saber-Panzerabwehrakete auf uns geschossen“, antwortete ein anderer.
„Verdammt, noch ein bisschen näher und wir sind Geschichte. Beta-Kommando beeilt euch, sonst braucht ihr gar nicht mehr zu kommen“, brüllte Strasser.
Inzwischen hatten mehrere Granaten ihr Ziel getroffen und das Gebäude in Brand ge-setzt. Dennoch leisteten die Besatzer heftigen Wiederstand und es schien nicht so, als würde sich dies demnächst ändern. Seine eigenen Leute hatten leichte Verletzungen durch Spliter und Streifschüsse einstecken müssen, aber bisher lag nichts schwerwie-gendes vor. Aber es war Strasser bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die ersten Opfer zu beklagen waren. Wenn die nächste Rakete besser sitzen würde, dann wären auf einen Schlag alle 5 tot. Ihre Deckung, ein Schutthaufen, der früher mal ein kleines Haus gewesen war, würde nicht mehr lange standhalten. Plötzlich explodierte die gesamte Front des besetzten Hauses und Teile von menschlichen Körpern wurden durch die Wucht empor geschleudert. Flammen loderten meterhoch und ein widerlicher Geruch von Verschmorten lag in der Luft. Das heftige Abwehrfeuer war abrupt zum er-liegen gekommen, es waren nur noch kleinere Detonationen von Munition in der Flam-menhölle zu hören. Verwundert wagte sich das Alpha-Kommando aus seiner Deckung, nur um zu sehen, dass von ihren Gegner nichts mehr übriggeblieben war, außer ver-brannten Leichen. Während sie sich fragten, was überhaupt passiert sei, sprintete das Beta-Kommando herbei. Leutnant Strasser erwartete sofort von dem verantwortlichen Leiter einen Bericht.
Sie hatten sich über das Dach ins Feindgebiet gewagt und waren von dort aus in das Gebäude vorgedrungen. Die Verteidiger waren zu sehr mit dem Feuern beschäftigt, so dass die Eindringlinge nicht bemerkt wurden. Sehr schnell hatte man einen fatalen Fehler der Besatzer gefunden, nämlich dass sie große Mengen an Sprengkörpern auf einem Punkt gelagert hatten. Also hatte man eine kleine ferngesteuerte Sprengladung angebracht und das Gebäude schnell wieder verlassen. In sicherer Entfernung habe man den Zünder aktiviert und alles in die Luft gejagt.
Noch immer hing dichter Qualm über dem Gebiet und eine Menge Brände waren aus-gebrochen. Die Strasse glich einem Pfad, gesäumt von Flammenwänden. Strasser fühlte sich an ein Lied einer Hardrockgruppe des 20 Jahrhunderts erinnert. Highway to Hell hatte es geheißen, Autobahn zur Hölle und genau dieser Titel beschrieb das neue Gesicht dieser Strasser am besten. Es schien keine zivilen Opfer gegeben zu haben, das Gebiet war menschenleer. Das Gefecht hatte sie 20 Minuten gekostet, 20 wertvolle Minuten ihres knappen Zeitbudgets. Rechnete man noch die 10 Min. Weg zum Sam-melpunkt noch hinzu, hatten sie bereits 30 Minuten verbraucht. In der Ferne waren Si-renen zu hören, wahrscheinlich hatte es wieder Anschläge in den gesicherten Zonen gegeben. Es nutzte nichts sich darüber nun Gedanken zu machen, die Zeit arbeitete gegen sie. Die kleine Truppe schulterte ihre Waffen und machte sich daran, weiter in das Zielgebiet vorzustoßen. Während dieses Marsches versorgte der Sanitäter die leichten Verletzungen der Soldaten, andere hingegen wechselten Magazine um wieder jederzeit kampfbereit zu sein. Der Highway to Hell, dem sie folgten, wurde mit jedem Schritt trostloser und abstoßender. Die Häuser, sofern man sie so überhaupt noch nen-nen konnte, waren zerbombt oder gar komplett zerstört. Riesige Trümmerberge, tiefe Bombenkrater und durchlöcherte Hauswände säumten ihre Route. Zwischen diesen Ruinen huschten vermummte und dreckige Gestalten umher, viele von ihnen waren noch Kinder. Ein Bildnis des Schreckens, Bilder wie es sie seit 100 Jahren nicht mehr gegeben hatte. Zur Untätigkeit verdammt schritten die Soldaten voran, versuchten das Gesehene zu ignorieren, aber es war unmöglich. Es war unvorstellbar, dass dies hier nur ein kleiner Stadtteil war, denn es schien so, als wäre eine komplette Stadt in Schutt und Asche gelegt worden. Sie trafen auf keine nennenswerten Wiederstandsnester mehr, sondern auf nur noch mehr Leid und Tragödien. Viele der Verwüstungen waren im Zuge des brutalen Terrors der aufständischen Neo-Nazis geschehen, doch auch die Bundeswehr hatte eine schwere Schuld daran zu tragen. Diese Verantwortung be-schäftigte Strasser auch weiterhin, längst waren sie schon zu ihrem Sammelpunkt zu-rückgekehrt und erwarteten den nahenden Hubschrauber. Dennoch konnte er das Er-lebte nicht vergessen, zu sehr waren die Bilder in sein Bewusstsein eingebrannt. Auch andere seines Kommandos waren davon betroffen, es war wie eine ansteckende Krankheit, die um sich griff. Der schwere Black Hawk V Helikopter schwebte von sei-nem Landeplatz weg und hinterlies wieder einen gespenstischen, menschenleeren Platz. In der Ferne machten sich schwere Kampfverbände bereit, in das besetzte Ge-biet einzumarschieren.

8 Großoffensive

Ein lautes Röhren durchbrach die Geräuschkulisse des deutschen Stützpunktes vor den Toren Neu-Stuttgarts. Mehrere Dutzend Leopard-Kampfpanzer rollten gen Lageraus-gang, ihnen folgte eine noch größere Anzahl kleinerer Panzerfahrzeuge und Transpor-ter. Auf dem Flugfeld standen mehrere Tiger-und Cobrakampfhubschrauber bereit, um den ersten Schlag zu tun. 6 Thunderbolts ließen ihre Maschinen warmlaufen, während man unter ihren Tragflächen schwere Cerberus-Bomben montierte, die mögliche Re-bellennester ausradieren sollten. Auch außerhalb des Lagers gingen Truppen in Stel-lung, Panzerhaubitzen und M.A.R.S.-Werfer hatten ihre Geschütze in Richtung feindli-ches Gebiet gerichtet. Die Besatzungen dieser Fahrzeuge waren nicht besonders von dem Gedanken begeistert ihre tödliche Fracht auf eine Stadt zu feuern, besonders wenn es sich um ihr eigenes Hoheitsgebiet handelte. Einige von ihnen waren hier auf-gewachsen und das machte die Sache noch komplizierter. Aber sie wussten auch, dass es nötig war die Bedrohung für die Menschen zu entfernen, selbst wenn ihnen die Durchführung in dieser Form zuwider war. 5.000 Infanteristen machten sich bereit die Offensive zu starten, viele wurden in Huey- und Black Hawk V Hubschrauber verladen, um schnelle Vorstöße zu wagen. Die meisten jedoch wurden zusammen mit den Fahr-zeugverbänden in die Stadt eindringen. Hunderte hatten sich bereits in den Strassen nahe der Grenzlinie versammelt, sie würden zusammen mit den Hubschraubern die erste Front bilden. Es war jedem klar, dass dies hier keine Schlacht auf offenem Felde sein würde und deshalb Bodenfahrzeuge nur bedingt eingreifen konnten. Vielmehr wa-ren sie nur eine Form von Symbol, die Hauptarbeit mussten die Infanterieeinheiten tra-gen. Nur sie konnten im Häuserkampf bestehen und genau dies stand ihnen bevor. Nur noch Minuten bis Operationsbeginn, die Zeit schritt unaufhaltsam voran. Unterdessen hatten die Kampfpanzer ihre Position eingenommen, bereit ihre Geschütze sprechen zu lassen. Die leichten Kampfgefährte näherten sich den wartenden Soldaten, um sie beim Kampf zu unterstützen, bewaffnet waren sie mit schweren Maschinengewehren und leichten TOW-Geschützen.
Auch im Kommandozentrum herrschte gespannte Aufregung, es war ihre Aufgabe alles so zu koordinieren, dass die Mission erfolgreich sein würde. General Werner von Rat-stein lief unruhig hin und her. Ihn plagten Zweifel, Zweifel an seiner Entscheidung eine Großoffensive zu starten. Viele Menschen würden heute ihr Leben verlieren, Angehöri-ge der Bundeswehr, Aufständische und zu allem Übel auch sehr viele Zivilisten. Aber die höchste Entschidungsgewalt lag in den Händen der Bundesregierung und diese hatte die Offensive bewilligt.
„Herr General?“, fragte einer seiner Untergegebenen.
„Ja, Leutnant? Was gibt es?“
„Die Hubschrauber sind in Position und warten zusammen mit den Thunderbolts auf den Angriffsbefehl.“, sagte der Leutnant.
General von Ratstein nickte und schloss die Augen. Er wusste, dass nun die zeit ge-kommen war, alles wartete auf seinen Befehl. Ein Ton von ihm genügte und Raketen und Granaten würden fliegen. Sekundenlang wartete er ab, bevor er endlich antwortete. Die Worte kratzten wie Nägel in seinem Hals, als er sie aussprach.
„Angriff starten, sofort“, sagte er mit matter Stimme.
War eben noch kaum Kommunikation zwischen den Verbänden, explodierte nun förm-lich der Funkverkehr. Befehle wurden dutzendfach über den Äther gesendet, jedem wurde eine Aufgabe zuteil. Der sogenannte Erstschlag war der Artillerie vorbehalten, ihre Geschütze bereit dies zu erfüllen. Es waren nur noch wenige Sekunden bis die Herrschaft des Feuers von neuem beginnen würde.

„FEUER“, schrie der Waffenoffizier.
Ein gewaltiges Krachen und Donnern erschütterte die Luft. Flammenzungen zuckten aus den Mündungen der Haubitzen, als ihre Geschosse zündeten. Aus den Batterien der M.A.R.S.-Werfern rauschten Raketenprojektile, die zusammen mit den Granaten der Haubitzen Kilometer entfernt detonierten. Riesige Feuerpilze stiegen von den Ein-schlagstellen empor, schwarzer Qualm stieg auf und verdunkelte den Himmel unter der schützenden Kuppel der Domecity. In der Ferne sah man brennende und zusammen-stürzende Gebäude, ein Inferno wie nach einem Vulkanausbruch. Schon nach wenigen Minuten hatte die Artillerie ihr Potential eingesetzt, nun war es an den anderen Verbän-den den Kampf zu führen. Hubschrauber rasten mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft, bereit jeden Wiederstand zu brechen. Auch am Boden stürmten die Truppen vor-an, und wurden dort auch gebührend empfangen. Dutzende wurden bereits jetzt nie-dergemäht, der Krieg zeigte seine schreckliche Fratze in all seiner Widerwärtigkeit. In einiger Entfernung feuerten Kampfpanzer ohne Unterlass ihre tödlichen Projektile ins Feindgebiet, es gab kein Entkommen. Während die Truppen weiter voranstürmten, kam nun auch die Luftwaffe zum Einsatz, feuerspeiend rasten die Thunderbolts dicht über die Dächer der Häuser. Ihre Bomben zerstörten Haus um Haus und ihre Lasergeschüt-ze in der Nase beseitigten ein Nest nach dem anderen. Die Luft war von Qualm, Explo-sionen und Schreien erfüllt, die Schallwellen ließen niemanden unbehelligt. Es war wie in einem schlechten Film und doch so unbeschreiblich. Die Laserblitze wirkten wie ein farbenprächtiges Feuerwerk, in Wahrheit jedoch waren sie von höchster zerstörerischer Kraft. Stundenlang ging dieses Spektakel des Teufels, Stunden in denen Leid und Trauer herrschten. Am Ende des Tages hatte sie nichts geändert, die Grenzen waren noch immer gleich geblieben. 2500 Menschen hatten ihr Leben dafür lassen müssen.

....Ende des zweiten Teils....

Ich möchte zu dieser Geschichte noch einige Dinge sagen. Es handelt sich hierbei um den mittleren Teil der ESF: Bürgerkrieg's Trilogie. Vor allem aber ist dies der brutalste Block des Ganzen. Hauptmerkmal des Ganzen ist die Darstellung des Krieges und dessen Ausmaße. Der geplante dritte Teil soll sich dann mehr mit den Menschen ansich befassen.
Hinzu kommt noch, dass einige Passagen an den derzeitigen Konflikt im Irak erinnern, beispielsweise das Friendly Fire. Der Irak-Krieg hatte keinerlei Einfluss auf die Entstehung dieser Geschichte, leider hat er die Fiktion eingeholt.
Nebenbei bitte ich einige Fehler zu entschuldigen, denn egal wie oft ich auch korrigiere, übersehen tu ich immer etwas.
Michael Schiller, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.04.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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