Georges Ettlin

Der kleine Ostermord


Es begab sich ein Ereignis, so zufällig wie ein Kinderspiel an einem kalten Ostermorgen,
dass ich zu meinen Knaben ging und meine gleichaltrigen Ministranten auf dem Kirchhof fand,
die alle Helfer in der Sakristei waren, auserkoren für das Klingelspiel von silbernen Glöcklein,
um diese zur rechten Zeit bei der sogenanten Wandlung zum Klingen zu bringen.
Das erfolgte dann in der heiligen Messe rechts und links vom Pfarrer, abwechselnd und war gleichzeitig das
Signal für die gläubigen Kirchenbesucher, sich hinzuknien, wegen der Segnung der Hostie, die sich dann
durch die Segnung des Priesters
in das Fleisch Christi verwandelte. Das Fleisch sollten die Gläubigen, die vorher
ausnahmsweise `mal  nicht sündigen und nicht frühstücken durften,
sich auf die Zunge legen lassen um es dann ohne zu-zubeissen oder zu kauen, runterzuschlucken.
Dieser wunderbare Spruch des Jesus: "Tut dies zu meinem Andenken" war aber nicht als
Zauberei gedacht, sondern als Brotbrechen und Weintrinken der überlebenden Christen zum Andenken Christi,
der zur Passah-Zeit wusste, dass er nicht mehr  lange im Fleische wandelt, sondern bestenfalls als
erhöhter, geheiligter göttlicher Geist im Herzen seiner Freunde erscheinen wird...Als Retter
der Menscheit und zukünfiger Herrscher in einer zukünftigen von der Sünde gereinigten Welt.

Ich hatte an diesem Ostermorgen ein Schokoladehäschen, welches ein goldenes Glöcklein um den Hals trug vom Tisch meiner Mutter mitgenommen: Es war mein Häslein. Meine gleichaltrigen Freunde standen still um
den seltsamerweise am Boden sitzenden Pfarrer, der bleich, wie geistig entrückt vor sich hinstarrte und sich nicht mehr bewegte.
Wärend ich meinen Schokoladenhasen ass, erzählten mir meine Sakristeikameraden,
dass unser Pfarrer, der  den besonders zarten Jungs besonders nahe getreten war, 
hoch oben vom staubigen Glockenstuhl wie betrunken vom alten Geläutgestell
beim Kirchendach herunterkroch und keiner wollte oder konnte wissen, was der Pfarrer dort am frühen Ostermorgen tat.
Jedenfalls wurde er dort bei einer gewohnheitsmässigen, lustvollen zölibatären Tätigkeit oder im Weinrausch schlafend, vom plözlichen, monströsen Geläut der Osterglocken derart fürchterlich eingeschallt und erschreckt,,
dass er durch die laute Akkustik der tonnenschweren Glocken irgend eine
gesundheitliche Schädigung erfuhr.

Nun sass er da und starrte geradeaus, ohne meine Kameraden zu bemerken und ohne mit
ihnen ein erklärendes Gespräch zu führen. Das war für uns eine Sensation und ein erwünschter
Baustein bezüglich unserer noch kleinen, kindlichen Lebenserfahrung.
So standen wir da und niemand getraute sich, den Pfarrer anzufassen.

Ich erinnerte mich an das geflügelte Wort vom Tropfen, welcher das Fass zum
überlaufen bringt :

Der Mensch war ja minutenlang einer österlichen Glocken-Schallorgie
ausgeliefert, die wohl sein Nervenkostüm total demolierte.
Ich nahm langsam das keine Glöcklein von meinem Schokoladenhäslein, hielt das Glöcklein
dem entsetzten Pfarrer vor die Augen: Dann machte mein kleines Glöcklein "Kling!"
und der Pfarrer war tot.

***

c/G.E.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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