(Ein Ausweg aus der Depression)
Wieder einmal steckt sie drin, mittendrin, in dieser alles umfassenden Nacht, die tagelang dauern kann, wieder einmal mitten drin in ihrer Depression. Ein Blick durchs Fenster, - die Sonne ist so fern, obwohl nur auf der anderen Seite des Hauses, der Himmel ist so blau, sagen die anderen, nein eher grau, sagt sie. Nur den Wind spürt sie, der kalt bis in ihr Innerstes dringt. Doch auch er ist nicht fähig, die Wolken von der Seele zu blasen.
Seit Tagen müht sie sich um Momente, kleine Freuden, die sie erhellen mögen, immer trüber wird der Blick, die Ohren verschließen sich immer mehr, der Mund sowieso. Jede Bewegung fällt schwer, der Kopf drückt, brummt, es klopft und sirrt darinnen, kein klarer Gedanke lässt sich fassen, keine Richtung anpeilen. Orientierungslos, mit bleischweren Füßen macht sie ihre Wege. Neben den anderen, an den anderen vorbei. Keiner sieht sie, keiner sieht sie an, keiner sieht in sie hinein. Alltagsgespräche. Sprachfetzen dringen wie durch Watte zu ihr, Worte die sie nur halb versteht, Sätze die für sie keinen Sinn ergeben.
Was hat überhaupt Sinn? Diese Frage kreist, schwer wie ein Mühlrad, durch ihre Gedanken, steht riesengroß vor ihr. Alles ist doch sinnlos, sie mag nicht mehr. Warum noch leben, wofür denn noch abstrampeln, wem ist es denn wichtig, ihr schon lange nicht mehr. Wem ist sie denn noch wichtig? Die Antwort erspart sie sich, denkt gar nicht darüber nach. Sie will nicht mehr, nichts denken, nichts tun, nur umfallen, liegen bleiben und schlafen. Dabei war sie gar nicht schläfrig. Und doch nur müde, antriebslos, lust- und freudlos.
Was sollte sie tun? Was könnte sie tun? Gedanken an ein Fallenlassen tauchen auf, ganz allgemein an das Fallen, ganz ohne Angst. Fallen, - auf die Fahrbahn, bevor der Bus kommt, auf die Schienen, wenn der Zug einfährt? Fallen, - von einem Berg hinunter, wenn sie nur erst hinauf käme…
Sie will sich ins Bett legen, am helllichten Nachmittag, die Vorhänge fest verschließen, damit kein Sonnenstrahl hereinkommt, die Decke über den Kopf ziehen. Darunter ist es dunkel, dunkel wie in ihr. Einige Zeit verharrt sie so, mit angezogenen Beinen, zusammengekrümmt, in Embryostellung. Die Beine schlafen ein, werden kalt, in der rechten Hand verspürt sie ein Kribbeln, - muss heraus aus ihrem dunklen Versteck. Liegt nun ruhig auf dem Rücken, den Blick zur Decke, oder eher durch die Decke, irgendwohin… Sie sieht in ein helles, sonniges, warmes Land, mit aufgeschlossenen fröhlichen Menschen, die sie freundlich willkommen heißen, in ihre Mitte nehmen, ihr Heimat geben, mit denen sie lachen und glücklich sein kann… aber der Traum ist plötzlich zu Ende, sie findet sich wieder allein im Bett. Hat sie wirklich eingeschlafen? Die Sonne ist untergegangen, oder sind nur Wolken vor?
Plötzlich kommt die Lust sie an, hinaus zu gehen, sich den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen. Es dauert allerdings eine Weile, bis sie sich aus dem Bett wälzt, bis sie die Schuhe gebunden hat. Welchen Anorak soll sie anziehen? Sie entscheidet sich für den dicken, warmen. Mütze und Handschuhe steckt sie in die Taschen, noch einmal zurück um den Hausschlüssel, dann geht sie, erst noch zögernd zur Tür, dann aber doch entschlossen hinaus.
Eine Stunde Wanderung durch den Wald, erstaunt bleibt sie manchmal stehen und erkennt wie zurück aus weiter Ferne, dass bereits der Frühling seine ersten Boten, die Leberblümchen und Buschwindröschen, ausgesandt hat. Ein Eichhörnchen huscht von Baum zu Baum, wirft ihr eine Eichel vor die Füße, irgendwo klopft ein Specht…
Ja, sie ist wieder angekommen, zu sich gekommen, hat in der Natur wieder die Schönheit und Lebendigkeit erkannt und erfahren. Als sie heimkommt, geht es ihr gut, - wieder einmal durchgekommen....
ChA 02.04.13
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.04.2013.
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