Thomas Schäfer

Es ist soweit

Ich war in der Kneipe. Blöder Fehler. Sie war da.
“Du, kann sein, dass dich meine Schwester noch anruft. Ich glaube, sie möchte, dass du sie am Freitag abholst“, sagte sie. Freitags fuhren wir drei immer zusammen. Zumindest in letzter Zeit, da sich alles zu normalisieren schien. Wir wechselten uns mit dem Fahren ab.
“Aha, wieso das denn?“
Die letzten Wochen waren recht gut. Wir hatten viel gelacht und uns wirklich gut verstanden. Unser Verhältnis besserte sich, und ich zeigte mich immer nur von der besten Seite. Irgendwie pegelte sich alles wieder ein, und ich schöpfte langsam Hoffnung. Wir lachten auch viel. So wie früher.
“Ich fahr weg übers Wochenende“, kam die Antwort.
Scheiße, dachte ich.
“Wohin denn?“ fragte ich viel zu schnell. Hätte ja erst nachdenken können. Doch nun wars zu spät.
“Nach Prag!“ kam prompt die Antwort.
Oh, Prag! Da waren wir auch zwei Mal. Ich habe nur die schönsten Erinnerungen. Pure Liebe. Zweisamkeit. Vollendung der Gefühle. Liebesurlaub. Was haben wir gelacht. Was haben wir dort erlebt. Was haben wir uns geliebt. Wie sehr vertrauten wir. Auf alles. Auf uns. Auf die Zukunft.
“Mit wem denn?“ fragte ich zusehends nervöser werdend. Eigentlich wollte ich die Antwort garnicht wissen. Doch ich konnte nicht anders.
“Ähm, naja. Kennst du nicht. Ein Sozialpädagoge.“ Hätte ich doch nur nicht gefragt.
Schock. Übelkeit. Zittern. Tränen. Entsetzen. Ihr neues Leben hat also begonnen - ich bin gefangen im alten. Ganz leise und ohne Gefühl, mit einem Zittern in der Stimme, kann ich nur noch ein “Viel Spaß“ rausquetschen, ehe ich mich kotzübel, den Brechreiz unterdrückend, nach draußen flüchte, und mir dann die Seele aus dem Leib kotzend, meine letzten Gefühle aus dem Hirn hämmernd, gegen die Eisentreppe stürze. Kotze und Hirn sind eine Masse. Ergeben keinen Sinn. So wie mein Leben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.04.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Wenn erst ein laues Lüftchen weht,
das sich naturgemäß dann dreht
und schnelle ganz geschwind,
aus diesem Lüftchen wird ein Wind,
der schließlich dann zum Sturme wird,
und gefahren in sich birgt-
Dann steht der Mensch als Kreatur,
vor den Gewalten der Natur.
Der Mensch wird vielleicht etwas klüger,
seinem Sturmwind gegenüber.


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