Gespenst auf dem Dach
In einer warmen Sommernacht saß ein kleines Gespenst auf dem Dach eines alten Hauses. Es guckte den Mond an und seufzte: „Mond, was soll ich tun?“
Der Mond antwortete nicht, denn er ist stumm.
Plötzlich rauschte es, und mit einem Plumps setzte sich etwas auf das Dach. Erschrocken guckte das Gespenst zur Seite. Da saß eine große Eule und blinzelte es an.
„Na, langweilst du dich?“ fragte die Eule.
„Ich bin hier fremd und weiß nicht, was ich tun soll“, antwortete das Gespenst.
„Fremd? – Woher kommst du denn?“, fragte die Eule.
„Das weiß ich nicht. Eine Hexe hatte mich vor vielen, vielen Jahren in einen langen Schlaf gezaubert. Nun bin ich hier eben aufgewacht.“
Die Eule hörte aufmerksam zu, sagte aber nichts.
„Was soll ich tun?“ fragte das kleine Gespenst nun die Eule.
Die Eule antwortete nicht.
„Ich bin Wendel“, stellte es sich vor und klagte:„Es ist nichts los hier. Kein Mensch ist auf der Straße, den ich erschrecken könnte, kein Fenster ist beleuchtet, in das ich hineinsehen kann. Es ist wirklich langweilig.“
„Wenn du unbedingt jemanden erschrecken willst, Wendel, dann sieh doch mal in den Garten.“
Im Garten stand ein kleines Häuschen, aus dem ein lautes Schnarchen drang. „Wer wohnt da?“ „Da wohnt ein schwarzer böser Hund. Dem solltest du mal ordentlich Angst machen“, schlug die Eule vor.
Flugs schwebte Wendel in den Garten und schrie „Huuuuu, huuuu“. Der Hund rührte sich nicht und schnarchte weiter. „Hihi, haha, huhuuuuu“, versuchte es das Gespenst noch einmal.
Und wirklich – der Hund wachte auf, öffnete die Augen ein wenig und spitzte die Ohren. Da er aber nichts sehen konnte außer einem weißen Schimmer – denn, du weißt ja, Gespenster bestehen nur aus Hauch und Schleier, - schlief er gleich wieder ein.
Das ärgerte Wendel gehörig. Er schlüpfte zu dem großen Hund in die Hütte und versuchte ihn an der Nase zu zwicken. Den Hund störte das nicht im Schlaf. Kleine Gespenster aus Hauch und Schleier haben eben keine Kraft, um weh zu tun. Der Hund nieste nur kurz und kräftig. Dann gähnte er, wobei er die Schnauze weit aufriss. Weil es so eng in der Hundehütte war, geriet Wendel in die Schnauze, gerade als der Hund sie wieder zumachte. Es roch scheußlich dort. Igitt, igitt.
Vergeblich versuchte das Gespenst zwischen den Zähnen heraus zu schlüpfen. Dabei kitzelte es den Hund an seiner Zunge. Der Hund musste husten. So kam Wendel mit einem Schwung wieder an die frische Luft.
„Komm wieder rauf!“, rief auch schon die Eule vom Dach, „gleich läutet die Turmglocke einmal! Da musst du wieder im Bett sein.“
„O je, wo ist ein Bett?“, jammerte das kleine Gespenst, als es wieder oben auf dem Dach saß. Es sah sich um und entdeckte eine Dachluke mit einer zerbrochenen Scheibe. Wendel ließ sich einfach durch das zerbrochene Glas fallen. Er landete in einem leeren Pappkarton. In einer Ecke rollte er sich zusammen, bevor er in tiefen Schlaf fiel.
© I. Beddies
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.05.2013.
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