Als ich Kind war, beobachtete ich die "Maus-Frau", die als geheimnisvolle Nachbarin grau und leise
auf dem Balkon werkelte, sodass ein mäusenestartiges Rascheln entstand.
Sie war in meinen Augen mehr als tausend Jahre alt.
Grau gekleidet, schnupperte sie graubleich und mit Haaren am Kinn
zum Fenster hinaus, die Vorhänge gingen auf- und -zu.
Sonst war nichts zu sehen. Es gab nie "Maus-Männer", die starben früh oder waren
aus anderen Gründen nicht da. Da wir dachten, die aus kranken Luftwegen
fiependen "Mausfrauen" seien keine denkenden Wesen,
spielten wir unsere verbotenen Spiele direkt vor ihren Fenstern und besprachen dort unsere
erotische Fantasien und Erlebnisse, haben aber mit unseren Erzählungen oft übertrieben.
Bedrohungen durch allerelei Gefahren waren wir auch ausgesetzt, wir merkten das aber kaum.
Das filzig-wuschelnde Mausartige des Greisentums entsteht nicht nur optisch, es ist die Folge von
Armut und Erfahrungen, die Angst machen. Auch das ewige Schwächegefühl, die Schmerzen
und das Wissen, sich auf keiner alltäglichen Ebene des Lebens den jüngeren
agileren Feinden ( die nicht merken, dass sie Feinde sind) erwehren zu können,
führt zum ängstlichen Mäus-chen-Verhalten, da man betrügerische oder sadistische
Menschen fürchtet, als seien sie hungrige, hirnlose Katzen.
Nun bin ich auch still und leise ein vergrauendes Mitglied
der gegenwärtigen "Mäusemenschen-Generation" geworden und schnuppere
mit meiner frisch- bewarzten, trockenen Schnauze
täglich und vorsichtig zum vergammelten Fenster hinaus.
Hie und da, wenn vor dem Fenster die Kinder spielen, fiepe ich oder
ich rufe laut "pieps!"... Seither klingeln die mit frischem Testosteron vollgepumten
Teenager-Buben nicht mehr so oft an meiner verrosteten
Haustüre und ich habe meine Ruhe.
***
c/G.E.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.06.2013.
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