Lara Meneke

Der Hochzeitstag

Es war der schlimmste Tag in meinem Leben. Wer hatte
gedacht, dass der Tag der vor Jahren mein glücklichster gewesen war, einmal
dieser werden würde. 5 Jahre waren wir nun schon verheiratet gewesen und ich
erinnere mich noch genau an den Tag unsere Hochzeit. Wie ein Brandmal war es in
meinen Erinnerung. Und von einen auf den andern Tag war alles vorbei. Heute war
es soweit ich würde meinen Mann begraben. Den Mann, den ich so geliebt hatte.
Eigentlich hätten wir heute uns heute unter die Decke gekuschelt und uns
Geschichten aus der Vergangenheit erzählt, wie wir es all die Jahre davor auch
so gemacht hatten. Doch nun stand ich an dem Grab und lass immer und immer
wieder die Inschrift des Grabsteins: 12.04.1982 – 24.07.2009  A Lovely Husband. 12.04.1982 –
24.07.2009  A Lovely Husband.
12.04.1982 – 24.07.2009  A Lovely
Husband. Ja, er war es gewesen. Und würde es für mich auch immer sein. Keiner
könnte ihn je für mich ersetzten. Das für mich sein, was er war. Ich musste
hier schnell weg. Einfach nach Hause, dort wo ich mich wohlfühlte und nicht in
all diese traurigen Gesichter von Familie, Bekannten und Freunden blicken
musste. Der Verkehr war ziemlich dicht und ich brauchte 20 Minuten mehr als
normaler Weise von diesem Ort. Wir waren früher oft zum Friedhof gefahren. Denn
seine Mutter war schon lange Tod. Endlich war ich zuhause angekommen. Ich
musste raus aus diesen schwarzen Klamotten. Ich ging zum Schrank in dem noch
alle seine Sachen lagen. Doch mein Blick viel auf diese große, weiße Schachtel
am Boden. Es war mein Hochzeitskleid. Ich öffnete die Schachtel und nahm es
raus. Erst hielt ich es nur an mich und stand eine Weile vor dem Spiegel herum
und betrachtete das Kleid, was ich genau an diesem Tag vor 5 Jahren an gehabt
hatte. Was würde ich jetzt anziehen? Worin wurde ich mich wohlfühlen? Geborgen
und nicht einsam. Ja, es war das Einzige, was ich in diesem Moment anziehen
wollte. Mein Hochzeitskleid. Ich zog es an und spürte, wie mein Herz anfing
schneller zu pochen. Doch es war kein negatives Zeichen. Es war das erste Mal
an diesem Tag, dass ich dachte du lebst doch noch und dein Herz schlägt noch.
Ich wusste noch genau, wo er seine Hände immer hintat, wenn er mich in die Arme
nahm. Genau das brauchte ich gerade. Eine Umarmung. Wer war da um mich in den
Arm zunehmen? Keiner. Nur ich. Ich war alleine und konnte nur mich selber
umarmen.  Er lag sein Kopf immer in
mein Hals und roch an  meinem Hals.
Er liebte das Parfüm, was ich immer trug. Heute morgen hatte ich vergessen es
drauf zu machen. Oder es einfach nicht tun wollen, da es zu sehr schmerzte es
zu riechen. Jetzt im Moment wurde es nur noch alles abrunden. Den Moment
perfekt machen. Es gab so viele Erinnerungen an ihn in diesem Haus. Ich wusste
gar nicht, wo ich zuerst hinschauen musste, um was von ihm zu entdecken.  Es war vorbei. Mein Leben, alles
vorbei. Ich musste raus aus diesem Haus, weg von hier. Ich dachte ich würde
mich hier wohlfühlen, doch so war es nicht gewesen. Es gab einen Ort in dieser
Stadt, wo WIR uns immer wohlgefühlt hatten und dort musste ich hin. Zu der
Eiche am Rande der Stadt.  Dort
hatten wir uns das erste Mal getroffen und er hatte mir eine Kette mit
wunderschönen Verziehrungen geschenkt. Einfach so. Ich weiß noch genau, wie
überrascht ich gewesen war, als er mir etwas in die Hand lag. Ich hatte so was
von nicht damit gerechnet und deshalb trug ich sie auch immer bei mir. Nicht
mal im Schlaf hatte ich sie abgelegt. Doch jetzt konnte ich nicht mit dem
Gedanken leben, dass etwas von im mein Lebensinhalt sein konnte oder sein
sollte! Ich nahm sie vorsichtig ab und zog auch das Hochzeitskleid aus. Beides
legte ich in die große, weiße Schachtel. Ich machte die Schranktüren auf und
schob die Schachtel so weit es ging nach hinten. Auf dem Weg zum Schrank hatte
ich auch noch die Zeitung mit dem Artikel über den Autounfall meines Mannes mit
in die Kiste gepackt. Ja! Es war ein Autounfall gewesen. Es hätte jeder sein
können, doch er war es, der von uns gehen musst. Aber darüber hatte ich mir die
letzten Tage schon genug Gedanken gemacht. Jetzt musste mal Schluss damit sein.
So konnte ich doch nicht weiter leben. Ich packte mir den Schlüsselbund, der
auf der Kommode lag und ran zur Tür. Zog sie auf  und schlug sie hinter mir zu. Mein Mottorad, welches ich ihm
zuliebe immer stehen gelassen hatte, kam mir wieder in den Sinn. Ein kurzer
Moment Unentschlossenheit folgte, der doch schnell wieder verdrängt wurde, von
dem Gedanken endlich wieder fei zu sein. Also nahm ich das Mottorad aus der
Garage und fuhr zur Eiche außerhalb der Stadt. Ich war frei von allen Sorgen
und machte mir keine Gedanken mehr über mein Leben. Wie würde es weiter
verlaufen? Würde ich umziehen? Ein kompletter Tapetenwechsel? War es das was
ich wirklich wollte? Also wirklich sicher wollte? Fragen über Fragen, die mich
in diesem kurzem Moment einfach in ruhe ließen. Am liebsten wäre ich für immer
in diesem Moment gefangen gewesen. Ich und mein Mottorad. Mein Mottorad und
ich. Perfekt!?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.06.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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