Es ist der 11.Januar 1995, neun Uhr morgens.
Meine Mutter liegt im Sterben.
Ich und meine Schwester sitzen links und rechts von ihr am Krankenbett,
auf einmal beginnt sie zu singen - alte Seemannslieder.
Das hat sie früher nie getan.
Wir sehen uns an, sprechen im Flüsterton.
Plötzlich streckt sie ihren Arm aus, greift ins Leere, sie ist fast blind.
Mein Mäuschen ist auch da, sagt sie heiser.
Ich bin erleichtert, sie hat mich wahrgenommen.
Die letzten Tage sind wir ihr fremd geworden.
Ja, Mama, sage ich leise, ich bin hier und nehme ihre Hand.
Mein Blick wird verschwommen.
Im Krankenzimmer herrscht Stille, nur das abgehackte Ticken des Infusomaten
mit der Morphiummedikation ist zu hören.
Gegen ein Uhr mittags klopft es an der Tür des Krankenzimmers, mein Vater ist ge-
kommen.
Er löst uns ab.
Zuhause esse ich zwei Kekse,trinke etwas Wasser, mehr bringe ich nicht runter.
Ich werde unruhig und fahre zurück in die Klinik.
Meine Schwester kommt nicht mit.
Um zwei Uhr gehe ich durch die Pforte der onkologischen Abteilung, mein Vater
läuft mir auf dem Flur bereits entgegen.
Er sieht müde und alt aus.
Jetzt hat sie mich allein gelassen, sagt er.
Dann liegen wir uns in den Armen.
Seine Stimme bricht immer wieder ab.
Ich spüre seine Tränen an meinem Hals hinunterlaufen.
Du bist nicht allein, Papa, sage ich und nehme seine Hände.
Wir gehen an ihr Bett.
Ihr Brustkorb ist stumm.
Ich kann es nicht fassen.
Sie ist nicht mehr da und doch liegt sie vor mir im Bett.
Mit meiner Hand schließe ich ihre Augen, falte ihre Hände.
Sie sind noch warm.
Ich beuge mich über meine Mutter, zögere, vielleicht öffnet sie doch
ihre Augen oder bewegt sich?
Dann küsse ich sie vorsichtig auf die Stirn - ein letztesmal.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Petra Gerlach).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.06.2013.
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