Heinrich von Buenau

Im Zug nach Heidelberg




Während meiner Bibelschulzeit (in Erzhausen/Hessen) in den Jahren 1988/89 war ich einmal auf „Heimaturlaub“ in Düsseldorf. In der Nacht vor meiner Rückreise hatte ich einen Traum. Und zwar sah ich mich einen Gottesdienstraum betreten und auf einmal begann ich ganz laut zu singen: „Ich hab` mein Herz in Heidelberg verloren!“

Am nächsten Morgen, als es mir wieder einfiel, dachte ich mir nichts Besonderes dabei. Außer, dass ich mich über die Klarheit des Traumes etwas verwunderte. Ich packte also meine Sachen und fuhr im Laufe des Nachmittags Richtung Bibelschule.

Als ich in Koblenz ausstieg, um in den Anschlusszug zu steigen, hatte ich das entsprechende Gleis vergessen. So ging ich zu der nächst gelegenen Anzeigetafel und fragte, da die Zeit drängte und ein junges Pärchen mir die Sicht verstellte: „ Entschuldigung, der Zug nach Darmstadt. Auf welchem Gleis fährt der ab?“ Der junge Mann schaute kurz auf den Fahrplan und sagte nur: „Von Gleis 1!“

Ich hechtete die Treppe hoch und stieg in den schon bereit stehenden Zug. In einem Großraumabteil fand ich einen Platz und lehnte mich dort entspannt zurück. Der Zug fuhr los und ich döste ein.

Als ich nach einiger Zeit wieder aufwachte, wunderte ich mich über das hohe Tempo des Zuges. Und als er die nächste zehn Minuten nicht hielt, wurde ich stutzig. Irgendetwas stimmte nicht. Ich blickte aus dem Fenster, aber da war es stockfinster. Schließlich sah ich auf einem anderen Sitz ein Zugprospekt liegen. Ich nahm es an mich und schlug es auf. Schnell kam die Erkenntnis: Ich saß im ICE nach Basel. Nächste Station Mannheim, dann Heidelberg!

Heidelberg! Ich war in den falschen Zug gestiegen! Oder doch in den "Richtigen"? Denn schlagartig war mir mein Traum aus der Nacht wieder eingefallen! Einen Moment lang überlegte ich, ob ich in Mannheim aussteigen und umkehren sollte, Entschied mich dann aber doch anders!

Jetzt wollte ich es auch wissen, ob und was an der Sache "dran" war. Das ich ohne ein gültiges Ticket im Zug saß, nahm ich dafür "billigend" in Kauf. Ich hatte eh kein Geld dabei und war nicht absichtlich in den falschen Zug gestiegen.

Tatsächlich hatte ich Glück und es kam kein Kontrolleur bis Heidelberg.
Als ich dort ausstieg hatte ich nicht die geringste Ahnung, was mich hier erwarten würde. Und vor allen Dingen, wie ich an Geld für eine Rückfahrkarte bekommen sollte. Aber das war jetzt auch egal. Ich schaute mich erst einmal suchend im Bahnhof um.

Am oberen Ende eines Bahnsteigabgangs sah ich einen jungen Mann mit einer Reisetasche stehen. Und auf einmal hatte ich den "inneren Eindruck": Der ist es! Wegen dem bin ich hier!" Ich wurde innerlich ganz aufgeregt. Wie sollte ich es bloß anstellen, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ich stellte mich etwas abseits und begann zu beten.

Nach einigen Momenten des Gebets kam mir auf einmal das Wort "Selbstmord" in den Sinn. Bestürzt hielt ich inne. Hatte der Mann etwa vor sich umzubringen. Ich beschloss der Sache auf den Grund zu gehen und ging zu ihm hinüber."Hallo", sprach ihn an. "Darf ich dir mal eine Frage stellen?" Er blickte mich erstaunt an und sagte dann: "Nur zu! Worum geht`s?" Ich holte tief Luft und fragte dann: "Kann es sein, dass du dich umbringen willst?"

Erneut der erstaunte Blick, dann brach er in ein seltsames Lachen aus. "Ich bin doch nicht bescheuert. Mein Bruder hat sich vor einiger Zeit umgebracht.... Ich bin Elitekämpfer in einer kanadischen Einheit. Da haben sich in den letzten zwei Monaten fünf Leute umgebracht, wegen der Härte der Ausbildung! Nee, das würde ich bestimmt nicht tun!" Volltreffer, dachte ich, und fragte nach. Und der junge Mann begann zu erzählen.

Irgendwann erhielt ich Gelegenheit, dem jungen Mann etwas über meinen Glauben an Jesus zu erzählen. Er hörte zu ohne sonderlich beeindruckt zu sein. Aber dies war mir im Prinzip auch egal. Ich hatte meine "Mission" erfüllt und vielleicht würde er ja sich zu einem späteren Zeitpunkt an unsere Begegnung und meine Worte wieder erinnern.

Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, überlegte ich, ob ich, wenn ich nun schon einmal in Heidelberg war, vielleicht noch in die Stadt hineingehen sollte. Letztlich nahm ich dann doch Abstand davon. Es war schon gegen 23 Uhr und der Tag begann auf der Bibelschule früh. Außerdem hattich ja, wie schon erwähnt, keinen Pfennig Geld bei mir.

Heute denke ich, dass ich damals die Nacht hätte ruhig durchmachen und mir Heidelberg anschauen sollen. "Pflichtgefühl" hin oder her! So stieg ich in den nächsten Regionalzug, in der Hoffnung, dass kein Kontrolleur käme. Was dann erstaunlicherweise tatsächlich auch nicht geschah.

Als ich gegen Mitternacht an der Bibelschule ankam, brannte im Aufenthaltsraum noch Licht. Ich klopfte an die Scheibe und wenig später öffnete mir ein Mitstudent. "Wo kommst Du denn jetzt noch her", fragte er mich. "Direkt aus dem schönen Heidelberg," antwortete ich. "Leider habe ich aber nicht viel davon gesehen. Aber das ist eine längere Geschichte." Ich nickte ihm noch kurz zu und begab mich dann auf mein Zimmer.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.06.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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