Isabell Prüss

Briefe an die Seele (1)

Liebe Seele,

lange habe ich fernab von dir gelebt, habe dir nicht zugehört, dich einfach ignoriert. Doch die Zeit schritt voran und ich merkte, wie verloren ich war. Was habe nur ich getan? Wieso habe ich dich fortgeschickt, als ich dich am meisten brauchte? Jetzt sitze ich hier alleine in der Dunkelheit und schreibe diese Zeilen. Ein letzter Versuch, dich zurückzuholen, zurück zu mir, wo du hingehörst. Ich möchte die Geschichte niederschreiben, um dich umzustimmen, vielleicht auch, um zu begreifen, was für ein Narr ich war.

Es begann vor langer Zeit, ich war jung, sorglos und auf der Suche nach mir selbst und nach dem, was sich Zukunft schimpft. Die Menschheit ist sehr einfach gestrickt, wenn man sich anpasst, gehört man dazu. Nur das wollte ich nie. Ich wollte die Freiheit des eigenen Denkens genießen, mir meiner Selbst bewusst werden. Es stellte sich für mich die Frage, ob das möglich ist, ob ich meine Gefühle abstellen kann, um nur noch durch die Ratio gelenkt zu werden. Ich wollte es versuchen, ja, um jeden Preis wollte ich das versuchen. Ich begann jeden Tag ein Stück mehr, mich von allen Gefühlen zu lösen. Keine Freundschaft, keine Liebe mehr zu spüren, es schien so überflüssig zu sein. Schon Kleinigkeiten waren mir zuwider, wenn jemand mich nur grüßte, ignorierte ich ihn. Erst wollte ich mich schlecht verhalten, ihn mit bösen Blicken strafen. Aber  ist Hass nicht auch bloß ein Gefühl? Genau, das ist es und ich konnte es einfach nicht gebrauchen. Glaub mir bitte, es war schwer, es nagte an mir und zerfraß mich von Innen, aber ich musste mich dran gewöhnen, irgendwann ist es einfach.

Irgendwann rief ich meine Freunde nicht mehr an, meine Familie nicht, blieb alleine in meinem dunklen Zimmer und gab mich meinen Büchern hin, vor allem die Philosophie hatte es mir angetan. Du denkst, das sei ein Widerspruch? Nein, irgendwie bekräftigte mich das nur, es gab mir Kraft und ich fühle mich frei. Siehst du, es hat sich nichts geändert. Ich schreibe dir diesen Brief während das Licht ausgeschaltet ist und ich alleine bin. Nur eine Sache hat sich geändert, ich bereue es, bereue es so sehr, nicht auf dich gehört zu haben. Ich weiß, du wolltest mir nur helfen, ich war zu dumm, konnte es nicht einsehen.

Ich werde dir schreiben, dir alles preisgeben.

Ich brauche dich!

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