Christa Astl

Sonnwendfeuer

"Feuerbrennen"
 

Diesen Samstag brannten sie wieder, die Bergfeuer, die Sonnwendfeuer, die Herz-Jesu-Feuer, die Johannesfeuer, schon allein die vielfältigen Namen zeugen von der weiten Verbreitung dieses Symbols.
 
Die Tiroler Herz-Jesu-Feuer gehen auf den Herz-Jesu-Schwur im Jahr 1796 zurück, mit dem die Tiroler Einheit im Kampf gegen Franzosen und Bayern hergestellt werden sollte. Zum Zeichen des Schwurs wurden damals Bergfeuer angezündet. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstand an vielen Orten in Tirol der Brauch, Sonnwendfeuer in Erinnerung an diesen Schwur als Herz-Jesu-Feuer zu feiern.

Vorher war es ein heidnischer Brauch, auf Bergspitzen ein Feuer zu entzünden, um die Kraft der Sonne zu verstärken und Böses von Mensch und Tier fernzuhalten. (Wikipedia)

 
 Am Samstag um den 21. Juni, den Tag der Sommersonnenwende ist es an klaren Abenden ein grandioser Anblick, wenn um 22 Uhr mit einsetzender Dunkelheit auf den Berggipfeln die Sonnwendfeuer entzündet werden.
Ein Muss für jeden Bergfex, Bergfreak, der das Außergewöhnliche liebt, dabei zu sein. Denn es ist was Außergewöhnliches, die Nacht am Berg zu verbringen, auf freier Wiese oder unter einem Baum zu schlafen, oder im Dunkeln, manchmal bei Gewitter, wenn Blitze minutenlang die Gegend erhellen, ohrenbetäubender Donner hallt oder bei einem starken Gewitterregen den Abstieg zu wagen. Auf rutschigen Steinen, schlammigen Wegen, wenn das Wasser bereits in den Bergschuhen quillt, ist das Gehen ein Abenteuer. Viele Jahre war ich auch dabei.
 
Alpenvereinssektionen haben ihre „Hausgipfel“, unserer war das Kegelhörndl. Von meinem Haus war es in drei Stunden Gehzeit leicht zu erreichen (heute brauche ich schon vier), auf schmalem, anfangs steilem Weg, aber ohne größere Schwierigkeiten und Gefahr.
Die weiter entfernt Wohnenden trafen sich schon vorher zu Fahrgemeinschaften, ich stieß dann unterwegs dazu. Früher schleppte man ja noch alte Autoreifen, Altöl, einfach alles Brennbare hinauf, Hauptsache, das Feuer war dann entsprechend groß. Das Mitgebrachte wurde einigermaßen gerecht aufgeteilt, unterwegs wurden die Lasten auch  mal jemand anderem zum Weitertragen gegeben, Kameradschaft war hier immer schon groß geschrieben. Einen Kanister Öl bekam ich auch meistens.

In den letzten Jahren dachten zumindest die Bergsteiger auch daran, die Natur Natur sein zu lassen, nun suchte man dürre Äste, schon unterwegs und dann vom Feuerplatz aus. Da gab es mal kein stilles unberührtes Fleckchen Almboden zwischen den Latschen (Kriechföhren), wo einem nicht jemand begegnen konnte.
 
Auf halber Strecke stand ein Gasthaus, wo wir den ersten Durst löschten. Der Aufstieg verlief bisher in einem sonnenverbrannten, steilen Graben, oft war auch der Weg abgerutscht, je nach vorheriger Witterung. Inzwischen trafen noch andere unserer Gruppe ein und nach Neuverteilung der Lasten ging es gestärkt und schon ein wenig heiter von Neuem bergauf, allerdings nicht mehr so steil und zeitweise durch den Wald. Wer noch genug Luft hatte, redete, erzählte lustige Sachen, Witze flogen von Männlein zu Weiblein, und natürlich zurück, an Müdigkeit dachte man nicht. Nicht einmal daran, dass der Schuh drücken konnte, und das taten die damaligen harten Bergschuhe meistens.
Nach neunzehn Uhr waren die Ersten bereits an der Arbeit. Der Platz wurde geebnet, brennbares Trockenmaterial der Umgebung in die Mitte der Feuerstelle gelegt, Steine zur besseren Eingrenzung gesucht. Inzwischen hatten die neu Angekommenen sich ihrer Lasten entledigt, saßen erst mal zur „Jausn“ beisammen. Brot, Wurst, Speck und Käse wurden ausgepackt, - mit meinem Knäckebrot, das mich von einer Bergtour zur nächsten begleitete, wurde ich wie immer ausgelacht, - Tee-, Saft- und Bierflaschen wurden angesetzt, ein „Flachmann“ mit echtem Bauernschnaps ging die erste Runde – als Hausmittel nur, dass man sich nach dem Schwitzen nicht verkühlte. –
Dann wurde kollektiv gearbeitet. Die erfahrenen Könner begannen, wir schauten zu und warteten auf Befehle oder griffen von selber mit an.

Die Reifen wurden kunstvoll aufgebaut, dazwischen kamen dürre Zweige und größere Äste, die in der Nähe lagen, was noch Brennbares den Rucksäcken entnommen wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ich glaube, es war auch besser so.

Die Sonne war bereits untergegangen, und von Westen schob sich eine bedrohlich schwarze Wolkenwand näher. Ob es so lange hält? fragten die Zaghaften. Ach, das zieht drüber, meinten die Optimisten. Ich wartete gelassen ab. Naturschauspiele lockten mich immer!
 
Halb zehn vorbei. Alles war vorbereitet, wir saßen wartend im Kreis, Lieder und Jodler tönten von Gipfel zu Gipfel, nur Much, unser Gruppenführer, sah immer noch was zum Richten, fand was aufzuhäufen, herauszuziehen, hineinzustecken, - dazwischen blickte er wie wir alle zum großen Pölven, wo traditionsgemäß das erste Feuer entzündet wurde.

Langsam ging die Dämmerung in Dunkelheit über, endlich!! – das Startfeuer. Schnell nochmals Petroleum darüber, oder was die Flasche sonst beinhaltete, - von der Ferne eine Fackel hineingeworfen, - eine Feuersäule stieg auf, ein wenig Qualm, aber dann lohte es hellauf. Auch von anderen Gipfeln leuchteten bereits die Sonnwendfeuer.

Ehrfurchtsvolle Stille, wir reichten uns die Hände, standen minutenlang schweigend. Niemand kann sich dieser Stimmung entziehen. Dann machten wir es uns irgendwo bequem. Eine Stunde saßen wir sicher um die Flammen. Kühler Nachtwind umfasste uns, ließ uns näher ans Feuer rücken, hin und wieder spritzte Glut auf, es brannte immer noch hoch, mit langen Stöcken bewaffnet beobachteten wir  die aufspritzenden Glutstückchen, um sie zurückzuschieben oder zu löschen.

Im letzten Feuerschein packten wir schon die Rucksäcke, noch war vom Wettergott nicht Entwarnung gegeben. Wir mussten aber warten, bis das Feuer abgebrannt war, die Glut mit Stöcken, Steinen und Sand löschen, und zuletzt mit Wasser übergießen, - dazu hatten wir übrigens ein paar Kanister am Almbrunnen gefüllt. –
Die nicht verbrannten Reste wurden dann am nächsten Tag geholt. Wir hinterließen die Berge sauber!

Stockdunkel war es für die ersten Schritte des Abstieges, hatten wir doch lange ins Feuer geschaut. Die Augen gewöhnten sich rasch an das Dunkel, die Füße ebenso. Still und auf den Weg konzentriert stiegen wir ab. Von Weitem leuchtete uns einladend das Fenster des Berggasthauses entgegen.
Das Wetter hielt, die Wolken verzogen sich, die letzten Meter begleitete uns der Vollmond.

Endlich fanden auch wir noch Platz in der bereits übervollen, überhitzten Hütte. Gitarre und Quetschn spielten bereits auf, feuchtfröhlich klang die Nacht aus, bis sich alle ins Matratzenlager zurück gezogen hatten, unters Dach, etwa 50 verschwitzte Körper, der Geruch nach Schweißfüßen und –Socken, die zwei kleinen Luken brachten so gut wie keine Frischluft herein. Ein paar Stunden kämpfte ich für etwas Schlaf. Mal wurde ich von links in den Rücken gestoßen, mal stieg mir die Alk-Fahne des anderen Nachbarn ins Gesicht oder eine Hand vergriff sich an meiner Zudecke.

Bei beginnendem Tagesgrauen schälte ich mich vorsichtig aus den Hüllen und verließ ich diese dumpfe Schlafhöhle.
Herrlich frische Luft vor der Hüttentür! Ich schnürte meinen Rucksack, und nahm den Weg über die Alm, wo ich mit den ersten Sonnenstrahlen ein hübsches stilles Moosplätzchen fand, genau das richtige Bett, das ich in dem Moment brauchte.  
 
 
 
ChA,  im Juni vor vielen Jahren erlebt, geschrieben 23.06.13

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Christa Astl).
Der Beitrag wurde von Christa Astl auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.06.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Christa Astl

  Christa Astl als Lieblingsautorin markieren

Buch von Christa Astl:

cover

Sie folgten dem Weihnachtsstern: Geschichten zu meinen Krippenfiguren von Christa Astl



Weihnachten, Advent, die Zeit der Stille, der frühen Dunkelheit, wo Menschen gerne beisammen sitzen und sich auch heute noch Zeit nehmen können, sich zu besinnen, zu erinnern. Tirol ist ein Land, in dem die Krippentradition noch hoch gehalten wird. Ich habe meine Krippe selber gebaut und auch die Figuren selber gefertigt. So habe ich mir auch die Geschichten, wie jede wohl zur Krippe gefunden hat, dazu erdacht.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (7)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Wahre Geschichten" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Christa Astl

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Abschiede vom Leben von Christa Astl (Abschied)
DIE GANGSTERBRAUT von Christine Wolny (Wahre Geschichten)
Befriedigte Neugier von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen