Robert Nyffenegger

Wenn jemand eine Reise tut,so kann er was erzählen Atlantik4


Arrecife:
Es ist bereits dunkle Nacht als Arrecife auf Lanzarote vor uns auftaucht. Mit GPS und munteren Zurufen eines französischen Seglers, der dort im alten Naturhafen vor Anker liegt und uns um die Untiefen schreit, lassen wir das Ankergeschirr fallen und geniessen eine sternenklare Nacht. Unseren Wetterfrosch haben wir zwar eingebüsst, aber Augen, Ohren und gesunder Menschenverstand lassen eher stürmische Tage erwarten. Wir segeln folglich am nächsten Morgen unter gerefften Tüchern in den eigentlichen Hafen von Arrecife. Die vier Meter hohen Wellen schieben uns ungestüm in den hinteren Hafenabschnitt, wo wir an einem Schwimmsteg einen Platz ergattern. An Stelle eines Heckankers vertäuen wir uns an den Nachbarbooten, die nach dem Aussehen zu schliessen, vermutlich unberührt seit Jahren dort vor sich hin gammeln. Der Hafenmeister, ein zerknittertes Chinesenmannli, gibt uns den Schlüssel für die ungepflegte Dusche und das WC, das sich -vermutlich Gott sei dank- nie öffnen lässt. Ein längerer Fussmarsch führt in die Altstadt mit Fussgängerzone, es erscheint alles etwas ungepflegt. Frisches Gemüse und Früchte werden im Hinblick auf einen nicht funktionierenden Frigo in Kleinmengen gepostet, Alkoholika aber umso mehr berücksichtigt. Die Köchin will ihre Kochkünste beweisen, sodass mein Vorschlag im Restaurant zu essen, abgelehnt wird. Am nächsten Morgen tobt ein Sandsturm, die Wellen schlagen weit über die sechs Meter hohe Hafenmauer und das Schiff wird zentimeterdick in einen feinen gelben Sahara-Sandstaub eingehüllt und bedeckt. In den nahe liegenden Bootsausrüstungs- läden werden verschiedene Ausrüstungsgegenstände gekauft und montiert, denn es hat sich gezeigt, dass etliche Manöver nur mit Händen und Füssen und oft zusätzlich noch mit dem Mund zu bewerkstelligen sind. Ein Honda-Generator wird vom Skipper ausführlich betrachtet und an seiner Stelle schliesslich eine zusätzliche Autobatterie gekauft. Nach weiteren zwei Tagen hat sich das stürmische Wetter soweit beruhigt, dass nach einer Stunden dauernden Wasch- und Spritzaktion die nächsten Seemeilen unter den Kiel genommen werden.
 
Puerto Castillo
auf Fuerteventura. Ein recht kleiner Yachthafen mit wenig Infrastruktur. Einem unfähigen dafür umso frecheren Hafenmeister, der mit seinem Wassertöff rumbraust. Das ganze Dorf ist voll touristifiziert: „ Knödel fürs Blödel“, “Würstel fürs Bürstel“, “Futtern bei Muttern“. Am 20. Januar verlassen wir bei schönstem Wetter und Windstärke 5 den Eingroschenferienort Richtung Kapverden. Am 28.01. kommt die erste Insel, Sal in Sicht.
Zwischenbemerkung:
Bis hierher sind wir in Gefilden gesegelt, die unserem Naturell, unserer Kultur entsprechen. Man versteht die Leute, auch wenn man ihre Sprache nicht spricht. Gestik und Mimik sind uns vertraut, Formalitäten dank gemeinsam ausgehandelter Vorteile werden nicht gefordert. Jetzt aber segeln wir in Gebieten urtümlicher (anderes Wort für primitiv) Gesellschaften. Je urtümlicher das Volk, je komplizierter und ausufernder die Bürokratie. Worte und Handeln habe eine völlig andere Bedeutung: Bestechen heisst „sich bedanken“, stehlen bedeutet „für sich beanspruchen“, Betrügen ist „gerechter Ausgleich“, übers Ohr hauen ist „normal“ usw.
Santa Maria:
liegt auf der Insel Sal. Diese Insel besteht nur aus Sand, Geröll und Salz. Die Einheimischen vermitteln  das Gefühl, dass man sich in Schwarzafrika befindet. Die Insel ist punktuell von weissen, sportlichen, mental multi-kulti Surfern und Wohlfühltüten besetzt. Ein echtes Surfparadies: Windsurfen und Kiten bei optimalen Windverhältnissen. Eine Marina findet sich nicht, nur eine Ankerbucht ohne jede Zusatzleistung. Bei Androhung an die Kette gelegt zu werden, ist man zur Anmeldung verpflichtet: Hafenpolizei, Gesundheitsamt, Zoll- und Einwanderungsbehörde. Da die erwähnten amtlichen Stellen auf der Insel verstreut sind, verdienen die Taxifahrer ihren Unterhalt und man braucht fast zwei Tage zur Erledigung. Die Abmeldung verlangt dasselbe Procedere, sonnenklar, dass jeder Akt  mit einem Obolus verbunden ist.
Das Wasser ist super, warm um 26 Grad, klar und tiefblau-grün. Auch bei zehn Meter Tiefe sieht man den Grund und tausende bunter Fische. Einheimische bieten uns für wenig Geld Fische an. Wir begnügen uns mit einer Haifischflosse, die herrlich schmeckt.  Es herrscht ziemlich Schwell, was unruhige Nächte garantiert.
Wir verabschieden uns von Björn, dem Robinson-Segellehrer, der sich bestens bewährt hat und nehmen Lukas, den Sohn des Skippers in Empfang.
Des Skippers Versprechen an seine Ehefrau bedingte diesen dritten Mann, sonst hiesse es: Rechtsum und kehrt! Mit einem Aufwand von mindestens 600 Euro Telefonkosten und einer Unzahl mir nicht bekannten Zusagen und Vergünstigungen gelingt es dem Skipper schliesslich seinen Sohn aus erster Ehe für das Abenteuer zu bewegen.
Lukas „der Junge mit der Mundharmonika“ ist knapp 20 Jahre alt, Träger des schwarzen Karategurtes und bringt an Stelle der Mundharmonika eine Unmenge CD mit: Rap, Pop, Techno, Gaga usw. sowie esoterischer Musik, das heisst Schamanengeheul vermischt mit Vogelgezwitscher. Das kann ja lustig werden. Er ist wie alle Jungs zu Beginn des dritten Jahrtausend: voll von sich überzeugt, mit riesiger Lebenserfahrung, kommunikationsfreudig, ausgewachsener Narziss, kennt und weiss alles bestens, vollgestopft mit Psychogebrabbel. Trotzdem gelingt es mir mühelos, ihn von seinem Podest der Selbstbewunderung mit mehr oder weniger – meist mehr- dummen Sprüchen herunter zu holen. Mit der Androhung meine CD „Alte Kameraden“ und „Wir fahren gegen Engelland“ aufzulegen, kann auch seine Musikpräferenz auf täglich zwei Stunden beschränkt werden.
Wir segeln in der Folge nach Boa Vista, Mayo und Santiago. In Santiago entschliesst sich der Skipper ängstlichen und schweren Herzens einen Honda-Generator anzuschaffen, leider kostet er das Zweifache des Preises auf den Kanaren. Nach einem aufwendigen Abmeldemanöver starten wir am 05.02. auf die „grosse Reise“. Es bleibt uns also Zeit einige Abenteuer gesondert aufzuführen.
Fortsetzung folgt

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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