Tilly Boesche-Zacharow

AUF DEN BOSS IST VERLASS Krimi

Ted Lamster grinste ein wenig vor sich hin, während er die Gangway zum Flugzeug hinaufstieg. Drinnen ließ er sich am Fenster über einer der Tragflächen nieder und blickte dann auf die Uhr.
Dreizehn Uhr zehn! Noch fünf Minuten, dann würde die Maschine vom Boden abheben und ihn in ein neues, ein herrliches  Leben fliegen. Die Voraussetzung für dieses herrliche Leben hielt er in Form einer schwarzen Lederaktentasche auf den Knien.Sie besaß ein stattliches Gewicht. Es hatte sich gelohnt. Ja, es hatte sich wirklich gelohnt: die Planerei, die Schufterei, die ganzen Absprachen und – dass man alles auf eine Karte setzte, die dann schließlich stach, - vor allem aber, dass er sich von Jim und Ben zu trennen vornahm, wenn alles gut ging.
Und weshalb sollte es eigentlich nicht gut gehen? Sie hatten als Trio zufriedenstellend miteinander gearbeitet, jedenfalls solange, wie die beiden anderen ihn, Ted, als Boss akzeptierten. Aber dann bekam er zufällig ein Gespräch mit, welches die beiden miteinander führten, als sie sich unbeobachtet glaubten. Jim erklärte Ben, der alte Ted begänne allmählich verkalkt und senil zu werden. Ben nahm das nicht einfach nur zur  Kenntnis, sondern setzte noch eins drauf, indem er meinte, es sei auf den Boss eben kein Verlass mehr, und man würde wohl gut daran tun, sich nach diesem letzten Coup endgültig von ihm abzuseilen.
Das hätte auch jedem anderen, nicht nur Ted, gereicht, seine eigenen Dispositionen zu treffen. Er wollte es ihnen zeigen, wer alt, dement und verkalkt war, auf wen man sich verlassen konnte. Nun hatte er es ihnen gezeigt, sie wussten es nur noch nicht.
Er jedenfalls saß im Flugzeug und zwar mit dem Gesamterwerb der ganzen letzten, keineswegs leichten Unternehmung, während die beiden anderen zu Land im Auto – ebenfalls mit einer schwarzen, schweren Aktentasche – unterwegs waren und ihrerseits gemeinsam  in eine gesicherte Zukunft zu blicken glaubten. Sie dachten, es sei alles in bester Ordnung. Man hatte sich freundschaftlich voneinander verabschiedet, fast ein bisschen wehmütig der langzeitigen Kameradschaft gedacht. Man schlug sich gegenseitig auf die Schultern und wünschte „Hals-und Beinbruch!“ Dann trennten sie  sich, und jede der beiden Parteien dachte, jeweils die Hälfte des lukrativen Bankraubes mit sich fortzutragen. Dem Boss gestand man 500.000 Piepen zu.  Schließlich war der Plan für die Unternehmung von ihm ausgetüftelt worden, während seine Gehilfen sich mit je einem Viertel vorliebzunehmen bereit erklärten. Sie wollten  ehrbar werden, beisammen bleiben und ein gemeinsames Geschäftsunternehmen aufziehen.
Ted im Flugzeug blickte erneut auf die Uhr. Im Ohr hatte er plötzlich den Klang von Jims etwas schriller Stimme: „Alt und senil, - unzuverlässig!“
Die Passagiere waren nun alle in den Flugzeugrumpf geklettert, hatten Platz genommen, ihr Handgepäck war verstaut, und die Türen wurden verschlossen. Die Propeller begannen sich zu drehen - Ted fiel dabei der Vergleich mit dem zitternden Schnurrbart eines alten Mannes ein – die Tragflächen breiteten sich aus, um genügend Schwung durch die darunter sausende Luft zu bekommen. Der Riesenvogel begann vorwärts zu rollen. Entspannt lehnte sich Ted zurück und atmete tief ein. Es war soweit. Das Leben war schön.
Noch immer hielt er die Aktentasche auf den Knien. Die ihn davon befreien wollende Stewardesse hatte er zurückgewiesen. „Nein, danke!“ Er behielt sie lieber nahe bei sich, sozusagen in Tuchfühlung. Fast kam er sich vor wie ein Liebhaber, der das ihm Liebste auf der Welt um keinen Preis von sich lassen wollte. In diesem besonderen Fall bezog er sich sogar auf die oft angeführtenw, ihm wohlbekannten Innenwerte.
Jim und Ben fielen ihm wieder ein, die tief, tief unter ihm gewiss auch schon auf ihren vier Rädern zu rollen begonnen hatten. Sie waren  sichtlich in Eile,  fortzukommen. Diese Eile würde sie vermutlich auch daran gehindert haben, zumindest in den nächsten fünf Minuten, den Inhalt ihrer Tasche zu inspizieren. Hatten sie es allerdings bereits getan, dann – wussten sie auch schon, dass kein Geld in dem darin befindlichen Paket war, sondern – eine Zeitbombe. Sie war genau eingestellt und zwar auf dreizehn Uhr zwanzig.
Ted riskierte einen Blick zum Handgelenk mit der Rolex – das Erinnerungsstück an ein früher ausserordentlich gut gelungenes Unternehmen in der Uhrmacherbranche. Sie zeigte genau auf achtzehn Minuten nach eins. Die Maschine hatte abgehoben und stieg  gen Himmel. In zwei Minuten würde er schon weit weg sein von dem Punkt, an dem die Katastrophe sich ereignete. Vielleicht las er es irgendwo in den nächsten Tagen in einer Zeitung, dass sich in der Nähe des Flughafens ein Unglück ereignete. Ein Auto war explodiert, Ursache unbekannt. Niemand würde wissen, was in Wahrheit dahintersteckte. Ebenso wenig mochte den beiden Insassen  Zeit genug geblieben sein, sich über die tatsächliche Ursache der Katastrophe  klar zu werden.
`Eigentlich schade!´ dachte Ted. `Wär gar nicht mal schlecht gewesen; vielleicht hätten sie begriffen, dass man von seinem Boss nicht so abfällig reden sollte!´
Nun erfasste  ihn Rührseligkeit. Ganz schön einsam würde es sein ohne die Beiden und - wer weiß, vielleicht fand er so gute Freunde nie wieder. Doch dann ermannte er sich. Wozu brauchte er Freunde, da er doch zweimal fünfhunderttausend Piepen bei sich trug? Die würden wohl genügen, ihm die Einsamkeit zu vertreiben.  Es drängte ihn, einen kurzen Blick in die Aktentasche zu werfen, um sich an ihrem Inhalt zu erfreuen. Natürlich musste das unauffällig geschehen. Niemand durfte auch nur ahnen, was für einen Geldberg er mit sich schleppte, so wie andere ein Wurstpaket.
`Gleich,´ dachte er, `gleich wird es sich zeigen, wie senil der gute Ted wirklich ist und dass er absolut noch genau weiß, was er tut…!´
Leise klickte der Verschluss, er öffnete de Tasche und lugte hinein.
Was er sah, genügte, ihm das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Sein Herzschlag stockte.
„Alt und senil!“  gellte es in seinen Ohren.
In der Aktenmappe, die er auf den Knien balancierte, lag das Paket mit der Zeitbombe. Trotz des leichten Rauschens, das immer im Innern eines mit Vollkraft dahinfliegenden Flugzeuges vernehmbar bleibt, hörte er das Ticken des gefährlichen Zeitmessers.
Es war nicht ganz klar, ob er wirklich noch begriff,  dass dies hier gar nicht seine Tasche war, die er in der Eile des Abschieds von den Gefährten an sich riss, sondern vielmehr die, die jetzt eigentlich bei Jim und Ben im Auto liegen sollte und  nun  genau dreizehn Uhr zwanzig  - zur Explosion kam…
 
Jim und Ben schüttelten die Köpfe, als ihnen die Million Euros aus der Tasche entgegenquollen. Sie begriffen nicht, weshalb der Boss ihnen das ganze Geld überlassen hatte. Erst als sie von dem Flugzeugunglück vernahmen, bei dem auch Ted Lamster den Tod fand, glaubten sie, des Rätsels Lösung gefunden zu haben
„Soll ja sowas wie das zweite Gesicht geben“, brabbelte Ben konsterniert. „Vielleicht hat er gespürt, dass ihm was passieren wird.“
Jim nickte gedankenvoll dazu. „Na ja, wär auch schade gewesen, wenn das ganze schöne Geld mit hops gegangen wäre. Tut mir leid um den Alten. War im Grund ´n feiner Kerl. ´Toller Bursche! Man konnte sich immer auf ihn verlassen.“
 
 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.09.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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