Birgit Kleinfeld

Fata Morgana

„Wie oft setzten, wie eine Fata Morgana mit Sinnestäuschung, Einbildung und Trugbild gleich. Vielleicht weil es leichter ist, als zu glauben, es gibt da etwas, das da ist, aber nicht dort wo wir es vermuten. Schützt uns diese Annahme, so wie einen Verdurstenden an Seele oder Leib, der Glaube schütz, das ersehnte bald erreicht zu haben?“
 
Früher habe ich sie immer so geliebt: schlaflose Nächte. Schlaflose Nächte mit dir. Oft haben wir sie durchgetanzt, manchmal einfach nur geredet und gelacht, aber immer haben wir uns geliebt, auch unter der Dusche. Hinterher lagen wir dann eng umschlungen da. Noch benommen von der Hitze des Wassers und unserer, wie ineinander geflossener Körper, schliefen wir dann ein. Oft strichst du mein noch feuchtes Haar hinter mein Ohr, um mir ein Liebesgedicht hinein zu flüstern. Eines wie dieses:
 

der Strom meiner Liebe reißt mich fort bin ertrunken,
beim stillen sehnsuchtsvollen Blick. in deine Augen,
wieder belebt, betrachtend wie du tanzt, gehst, dich bewegst
getröstet durch den beruhigenden Klang deiner Stimme,
geheilt durch Dein Lachen, das Lachen in deinen Augen,
den Augen in denen ich ertrinke. still, sehnsuchtsvoll,
wieder belebt getröstet, beruhigt. Heil
Ich finde neuen Halt, doch…

 
Heute, heute ist alles anders. Ich denke an dich. Wie immer. Doch du bist nicht da. Natürlich nicht. Einsam schlaflos quäle ich mich durch die Nacht. Tanze nicht, rede nicht, lache nicht und werde auch nicht geliebt…
Aber ich stehe unter der Dusche und betrachte die Muster die sich bilden, die Muster die der Dampf auf die Struktur der Trennwand malt. Immer neue, immer andere: dort auf dem rechten Drittel der Falttür- dort in der Höhen meiner Augen, da entdecke ich die Umrisse eines Mannes mit gesenktem Kopf. Er scheint zu meditieren oder zu beten. Oder ja, vielleicht hält er auch eine Frau im Arm, eine Frau die sich an seine Brust schmiegt, wie ich mich gerne an deine schmiegen würde, die er umhüllt - schützend - mit seinen Armen, sie hält mit seinen weichen Händen. So wie das Wasser meine Haut umschmeichelt, der heiße Dampf mich umhüllt. Ich bin ganz benommen von der Wärme und schließe die Augen, schließe sie auch um dich herbei zu träumen- dich bei mir zu haben, dich zu fühlen, riechen, schmecken. Mir wird schwindelig vor Sehnsucht. Ich bin sicher deine Stimme zu hören, sie flüstert. Du lachst. Diese Lachen, das immer alles verschwinden lässt, das traurig macht. Ich zwinge mich die Augen wieder zu öffnen. Da!  Hebt der Mann auf der Duschwand nicht den Kopf, wirklich den Kopf und schaut mich mit deinen Augen deinem Lächeln an? Das Wasser ist viel zu heiß, meine Haut viel zu rot, der Dampf so stark, und so ist er auch schon verschwunden, fort. DU bist fort. Natürlich bist du fort…
Langsam erscheint ein neues Bild eine Frau, gesichtslos, schlank. Sie könnte ein bodenlanges hautenges Kleid tragen. Auch sie hebt den Kopf und…
Durch die offene Badezimmertür dringt plötzlich kalte Luft ein. Luft, die die Frau verschwimmen, und dann verschwinden lässt. Aber da, auf dem anderen Drittel der Duschwandtür ist er nun wieder da, der Mann, der eine Frau in den Armen hält. Du bist wieder da. Warst du je fort, je fort aus meinen Gedanken? 

„Nein“, höre ich deine Stimme ganz deutlich, fühle deine Hand auf meinem Gesicht. „Nein, ich  werde nie fort sein. Werde dich immer beschützen.“
Noch ehe ich dir antworten kann, mich meinen Träumen, oder nicht doch wahrhaftig dir- weiter hingeben kann, verändert sich das Bild auf der Duschwand wieder. Wieder ist da eine Frau, eine Frau, die den Kopf nach hinten geworfen hat, den Mund mit den vollen Lippen, fast ekstatisch halb geöffnet. Sie genießt die Berührung ihres Geliebten, den ich nicht sehe. Gibt sich ihm hin. Bin ich es nicht doch selbst?  Vielleicht, denn ich spüre dich überall. Spüre deine Küsse auf meiner Haut, deinen leicht salzigen Geschmack auf meinen Lippen, deine Locken zwischen meinen Fingern, als du dich vor mich kniest. Verkrampfe meine Finger immer mehr in deinem Haar, deinem seidigen, nassen Haar. Dann plötzlich hebst du mich und….
Energisch, wische ich mit meiner Hand, der Hand die grade noch, wenn auch nur in Gedanken, dich zärtlich streichelte, alle Bilder weg. Alles ist eh nur Lug und Trug, und verschwindet, mit der Zeit. Nur du nicht, nicht aus meinem Herzen, nicht aus meinem Kopf. Ich steige aus der Duschwanne und schaue in den Spiegel, auch dort bildet der Dampf Bilder. Bilder von deinem Gesicht.
Plötzlich verstehe ich alles: Ich denke an dich. Wie immer. Doch du bist nicht da. Natürlich nicht. Denn du bist  gestorben, im nebligen Meer ertrunken. Deine  Seele  aber ist noch bei mir. Natürlich. Nicht nur jetzt, in diesem fast magischen Augenblick. Stets werde ich suchen, weiter nach dir greifen, wissend auf Denn:
 

..reißt der Strom meiner Liebe mich auch fort
find ich doch neuen Halt
in meiner Seele Licht, mit meines Herzen Augen.
Sehe ich dich nicht allein im heißen Wasserdampf.
Doch wann immer Liebe und Trauer sich treffen.
Wie der Sonne grelles Licht eine Fata Morgana entstehen lässt
treffen warm und kalt aufeinander- und spiegeln was weit fort.
Doch es ist da, du bist da,  weit fort doch mehr als Trug.
 

Noch  hält mich dies am Leben: Tag ein, Nacht aus. Bis Gott mich dahin schickt, wo du nicht Seelenspiegelung, ich nicht mehr eine Wesen auf der Erde Grund.
 
 

Diese Geschichte verfasste ich für die Anthologie
"Verliebt bis in den Tod"
Birgit Kleinfeld, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Birgit Kleinfeld).
Der Beitrag wurde von Birgit Kleinfeld auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.09.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Birgit Kleinfeld als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Schmetterlinge weinen leise: Gedichte voller Liebe, Leidenschaft und Sehnsucht von Uwe Walter



Der Autor dieses Gedichtbandes, Uwe Walter, wird Sie mit seinen tiefsinnlichen Werken für einen Augenblick zu den Quellen der Liebe entführen. Tauchen Sie ein, in blühende Herzlandschaften einer romantischen und poesievollen Welt. Entdecken Sie die Vielfalt seiner fantasiereichen und mit Leidenschaft geschriebenen Werke. Diese Auswahl seiner schönsten Gedichte beinhaltet alle Facetten der Liebe. Verse voller Sehnsucht, bei denen Weinen und Lachen eng beieinander liegen. Worte, die vom Autor mit Herzblut und tiefem Einfühlungsvermögen verfasst wurden.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Abschied" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Birgit Kleinfeld

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Visionen am Kamin von Birgit Kleinfeld (Spannende Geschichten)
Mein lieber alter schwarzer Kater von Rita Bremm-Heffels (Abschied)
Smarty von Karl-Heinz Fricke (Sonstige)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen