Constanze Gabriel

BEGEGNUNG



Da saß er. Drei Reihen vor mir, im Vorlesungsraum der Universität.
Ich erkannte  ihn nicht gleich, obwohl ich ihn zu kennen glaubte.  Nicht ahnend, daß ich ihn so noch einmal wiedertreffen könnte, bin ich unspektakulär und etwas lustlos wie öfter, zur Veranstaltung gefahren und hatte mich , auch wie meistens, in die hinteren Reihen gesetzt, um gut zuhören zu können  und nicht selbst zu gut zu sehen und „zu stören“ zu sein. Noch mehr schien mir verwunderlich, dass nur   kurze Zeit vergangen war seit unserem letzten Zusammentreffen.  In der Pause zwischen zwei Veranstaltungen, in welcher ich bei genügend Zeit oft in die nahegelegene  Südmensa ging, setzte er sich einfach nach kurzem
Zögern und unsicherem Umsehen mir gegenüber an den selben Tisch. Lange sagten wir beide nichts, ich wollte immer sehr schnell mit dem Essen fertig werden, um nicht zu spät zu kommen und schlang das biologische Auflaufessen fast  hinunter.  Schliesslich lächelte er in meine Richtung, worauf hin ich ihn doch fragte, ob er  hier auch  studiere oder arbeite. Nach langer Bewegung seiner Augen und einer Pause antwortete er, durch meine Frage überrannt scheinend, daß  er doch meinte, schon viel bekannter hier zu sein, als das  man nicht genau wissen könnte,  dass er oft hier wegen seiner Arbeit den ganzen Tag sein muss und daher auch
hier äße. Überrascht und sogar etwas erschrocken, ihn verletzt haben zu können, versuchte ich mich daraus zu formulieren, und sagte, dass ich so im Stress wäre, hier meine eigenen Professoren aufgrund der Eile und des Drucks , der dahintersteht, nicht immer zu erkennen.
Daraufhin lächelte er sehr warmherzig, glücklich in sich hinein und sah nach unten, als hätte ich ihm eine grosse Freude gemacht und ihm geschmeichelt.
Er begann unaufgefordert eher zu berichten als nur zu erzählen, woraus hier seine Arbeit bestünde und was er dabei, vor allem aber davor, erlebt hätte und hinter sich habe. Während er erzählte, überraschte mich immer wieder , welche Worte er dabei manchmal benutzte und wie schwierig und umständlich manches schien, was er beschrieb. Er sprach von schwerer Arbeit, schwer und nur stockend verdientem Lohn dafür  und Ängsten, die er nicht immer so gekannt hätte. Er erwähnte meines Erinnerns  Gerichtsprozesse und die Kenntnis des Innenlebens von Gefängnissen, die auf ihn anscheinend unvergesslich gewirkt haben.  Da ich
zu der Zeit noch Jura studierte, war diese Erwähnung und auch die Normalität, darüber zu sprechen für mich nicht so ungewöhnlich wie vielleicht für andere .  Nur ging er damit betont vorsichtig, extrem beherrscht , als wäre er davon fast traumatisiert worden um und so , als müsste man dieses Thema lieber nur im Verborgenen erwähnen oder gar kritisieren. Dies wirkte deshalb unverständlich, da ich der Meinung war, dass er als moderner und noch junger Mann keine Befürchtungen vor einem offenen Gespräch hätte haben müssen.  So meinte ich.
Ob ich nicht doch schon darüber gelesen hätte, und auch über ihn hätte man schon geschrieben, vor einiger Zeit.  Es wären schwere Zeiten, regelrecht düster, für ihn gewesen und es  wäre wohl nicht nur für ihn schwierig, sie vergessen zu können. Außer mit Existenznöten und Krankheiten, wäre er auch mit dem Tod  nicht nur einmal  konfrontiert worden , und das in verschiedener , öfter unberechenbarer Weise. Und er wäre so oft, wie ich übrigens ebenfalls in dieser Zeit, mit Alpträumen belastet.  Es war so einfach , doch so unendlich schwer für ihn, sagte er.  Die unterschiedlichen Religionen beschäftigten ihn seit seiner Kindheit, ob ich an die Wiedergeburt glauben könnte, oder daran, daß  wir   viel zu wenig über das Leben wüssten, als daß wir   alles  scheinbar Unlogische ausschließen  dürften, fragte er mich. Das Bemerkenswerte für mich waren jedoch seine Ratschläge, was gegen bestimmte Ängste und Beschwerden am wirkungsvollsten und vor allem am ungefährlichsten zu tun sei-getrocknete Kräuter  , an bestimmten Tagen gesammelt gegen Fieberträume und Ängste vor  Begegnungen mit unbekannten Geistern, Spiegel richtig angebracht gegen unliebsamen Besuch , die Freundschaft zu bestimmten Tieren, vor allem Vögeln gegen Feinde oder Menschen, die einem Böses wollen könnten und die nie endende Bemühung, der Wissenschaft ,auch den „gefährlicheren“ Wissenschaften ,unaufhörlich zum Fortschritt zu verhelfen, damit endlich eines Tages nicht nur alle Krankheiten, sondern auch der Tod vielleicht nicht besiegt, doch zumindest so stark verzögert werden könnten,  daß man sie viel weniger fürchten muß.
 Ich fand das Gespräch mit diesen ungeklärten Themen und lebensberatenden Weisheiten  so interessant, ja faszinierend, daß ich den Beginn der nächsten Vorlesung fast vergaß und das kaum noch genug Zeit war, daran teilzunehmen oder gar pünktlich zu kommen. Sein Name wäre Brendan,
stellte er sich schließlich vor, als wir am Haupteingang der Uni im Marmorflur standen.
Früher hätte er sich anders nennen lassen, hätte schönere Rufnamen benutzt, die  gehobener klangen und von vornehmer Herkunft sprachen.  Als wir uns verabschiedet hatten, kam ich gerade noch pünktlich zum letzten Thementeil der Vorlesung, doch ich schrieb nur wenig mit.

Nun saß er vor mir, drei Reihen Abstand zwischen uns, eher in den vorderen Reihen des Lesesaals. Ich glaubte  mich erst getäuscht zu haben darin, ihn wiedererkannt zu haben. Dann nicht mehr.  Es war Brendan, falls dies sein richtiger Name war.   Jetzt erst fiel mir richtig auf, daß seine Kleidung  nicht nur besonders, sondern aussergewöhnlich und eigen war.  Ob das daran lag, daß sie nicht nur betont männlich und gebietend,  sondern auch nur schwer in die heute übliche Mode oder Zeit einzugliedern zu sein schien,  vermag ich leider  jetzt noch schwer zu sagen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.09.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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