Christa Astl

Zurück zur Natur?



 
Vor einiger Zeit las ich folgende Überschrift in einer renommierten Zeitung: „Nackte Männer stöhnen im Wald“. – Aha, wieder so ein Sexbericht, dachte ich und wollte schon umblättern, wenn mir nicht das dazugehörige Bild aufgefallen wäre: eine nackter Mann, natürlich von hinten, in einer wunderschönen Naturlandschaft. Nun las ich den dazugehörigen Artikel.
Es handelt sich hierbei um eine neue „Kunsterfahrung“ von Natur! Eine Gruppe Männer und Frauen begeben sich unter Anleitung eines Führers nackt in den Wald, liebkosen Bäume, kriechen durchs Laub, wälzen sich über Steine, legen sich in Bäche, stoßen Schreie aus, die wie Schmerzgebrüll oder Luststöhnen klingen….
Früher hätte man sie für aus der Anstalt entflohene arme Irre gehalten und sofort wieder eingeliefert. Heute wollen sie als „Künstler“ auf ihre Weise die Wiederkehr der Sinnlichkeit mit dem Wunsch einer Rückkehr zur Natur verbinden.
 
Alles muss angepriesen werden, von einem Berühmten für viel Geld verkauft und vorgeführt werden. Ist unser Leben bereits so arm und naturfern, dass man die Natur erst wieder kaufen muss? Und nicht einmal die Natur, sogar das Gefühl für die Natur!? Fremde Länder, herrliche Natur werden uns via TV ins Wohnzimmer gebracht, wo Tapeten mit einer Küstenlandschaft im Sonnenuntergang die Wand schmücken, exotische Grünpflanzen die Fensterbretter zieren, natürlich in Hydrokultur, denn Erde wäre ja unhygienisch(!). Die Räume sind vollklimatisiert, die Fenster ständig geschlossen, nie darf man einen Vogel singen hören, natürlich darf nie eine Fliege durchs Zimmer schwirren. Rollos verwehren jedem Sonnenstrahl den Eintritt.
So wird vielfach gelebt, so wird es für normal gesehen. Man ist es so gewohnt, will gar nichts anderes. Natur genießt man am Bild(schirm).
Manche erinnern sich vielleicht noch dumpf, dass sie als Kinder mal barfuß gelaufen sind, heute wäre ihnen schon allein die Vorstellung ein Gräuel – und ihre Kinder werden genau so erzogen. Diese Kinder lernen auch, dass Rinder, Schweine und Geflügel nur Nahrungsmittel sind, die verarbeitet auf unseren Tellern landen. Als „liebenswerte“ Tiere gelten vielleicht Katzen, Hunde, die fast schon vermenschlicht werden, und neuerdings Schlangen und Echsen, natürlich aus fremden fernen Ländern.
Welch eine armselige Entwicklung nimmt die Menschheit? Kein Wunder, wenn die Natur nur ausgebeutet wird,  – sie scheint ja nur für den Menschen da zu sein, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Dass irgendwann einmal ihre Ressourcen zu Ende gehen, wird ausgeblendet, verdrängt. „Noch geht es uns gut, sollen die anderen dann schauen, wie sie zurecht kommen!“ Dies scheint ein weit verbreiteter Denkkomplex zu sein. Bis dann solche „Künstler“ kommen müssen und vielleicht einige aufwecken.
Ob aber auf diese Weise wirklich eine „Liebe“ zur Natur oder gar ein Verantwortungs-Bewusstsein geweckt werden können? Ob das nicht auch nur eine egoistische Einstellung, eine Befriedigung einer eigenen Idee ist? Sicher ist es nichts Nachhaltiges und vor allem die Natur Schützendes. Denn in Brennnesseln und Dornengestrüpp legen sich diese Herrschaften bestimmt nicht, und für ihre „Klienten“ werden sie die Wege wohl ebnen.
Für den Tourismus gibt es ja bereits Ähnliches: die „Barfußwege“: Parallel zum Wanderweg (!) sah ich künstlich angelegte Pfade mit einem Untergrund teilweise aus Rinden, Kies, feinem Sand, natürlich wurde auch ein kleines Rinnsal durchquert, vielleicht sogar noch ein Stückchen Rasen – unkraut- und bienenfrei, und auf diesen Pfaden durfte, ja sollte man barfuß gehen, um die Natur zu spüren!  
 
Mir macht eine solche Entwicklung Sorgen.
Wie schön, wie einfach ist es doch, barfuß vors Haus zu treten, über Kies und Steine eine bunte Wiese zu erreichen. Achtzugeben, dass man nicht auf eine Biene tritt, die Nektar aus den Blumen holt, Ameisen, Käfer über die Beine krabbeln zu lassen, vielleicht sogar Landeplatz für einen Schmetterling zu sein?
Wie schön ist es, über die Rinde verschiedener Bäume zu streichen, das Säuseln des Laubes im Wind zu hören, die feinen Farbnuancen des pflanzlichen Grüns zu unterscheiden?
Wie schön ist es, allein in der Stille des Waldes zu sein, mit dem prächtigen Vogelkonzert über sich, vielleicht auch noch an einem klaren Bächlein zu sitzen, die Schuhe auszuziehen und die Füße ins erfrischende Nass zu stellen – und danach mit Schuhen und Socken in der Hand barfuß weiter zu gehen. Das ist echte Naturverbundenheit, ohne Lustschreie, sondern in der Vollkommenheit der Stille, die die Natur uns gibt.
Da erwacht dann das Bewusstsein, diese Natur zu lieben, zu schützen und für die nächste Generation zu bewahren!
 
 
 
ChA 29.09.13

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.10.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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