Sabrina Abels

Ich werde ich selbst sein!

"Warum versteht ihr mich nicht?!"
Rums die Tür war zu.Marc war einfach zu wütend um weiterhin mit seinen Eltern zu streiten.Er konnte ja doch sagen was er wollte.Immer die gleichen Argumente:"Nimm dir ein Beispiel an Alex""Lern für die Schule.""Aus dir soll einmal was werden.""Enttäusche uns nicht."
Marc lief die Straßen entlang.Er musste ersteinmal weg.Ein bisschen nachdenken.Warum war er nicht längst abgehauen?
"Es geht um mein Leben, nicht um ihres.Ich will nicht immer nur lernen müssen.Ich will meinen Spaß.Was bringt es mir, wenn ich erfolgreich bin, und ne Menge Geld habe.Wo bleibt da das Leben?Ich bin nicht Alex!"
Er hatte keine Ahnung wohin er gehen sollte und eigentlich war es ihm auch egal.Nur weg, weg von Zuhause.Da hielt er es schon lange nicht mehr aus.Immer diese Vergleiche.Wenn er etwas anstellte.
"Alex hätte das nie gemacht!" Wenn er schlechte Noten schrieb."Alex wäre mit soetwas nie nach Hause gekommen!"
Marc hing all das zum Hals raus.Er war nicht Alex und würde es auch nie sein.Er wollte nicht einmal so sein wie sein Bruder.Und doch verlangen das alle von ihm.Nicht nur seine Eltern, auch seine Lehrer, die Mitschüler und seine Freunde.
"Niemand sieht mich!Ich habe ein eigenes Leben, eine eigene Meinung und einen Willen.Warum akzeptiert das niemand."
Er hörte das Handy klingeln.Bestimmt seine Eltern."Komm zurück!Stell dich nicht wie ein Kind an!"
Oh doch, dann lieber ein Kind, als nur ein Abbild von Alex.Marcs großer Bruder.Er hatte immer alles richtig gemacht.Ja, er war ein Genie.Die besten Noten, immer brav.Er hat nie irgendeinen Unsinn gemacht.Klavierstunden, für alles hatte er Talent.Man sagte ein Wunderkind.Seine Eltern, oh sie waren so stolz auf ihn gewesen.Ihr Junge ein Genie, ein Wunderkind.Seinen Bruder, den kleinen Jungen ganz hinten im Schatten hatte kaum jemand bemerkt.Und wenn doch, dann wurde ihm das Selbe prophezeit.
"Sicher wird Marc genau wie sein Bruder werden.Sie können stolz auf ihre Söhne sein."
Ein strahlendes Lächeln des Vaters, ein Küsschen der Mutter, dann wieder Alex.Er gewann Auszeichnungen in Jugendwettbewerben.Sein Bruder nie.Trotzdem wurde weiter prophezeit.Marc wird sicher genauso werden.Wer wusste denn, ob der das wollte.Er wurde nie gefragt.Wozu denn auch?Er würde ein Wunderkind sein, ein Genie genau wie Alex.Niemand zweifelte daran.Doch dann der Arztbesuch.Alex war krank, sehr krank.Der kleine Bruder wurde weiter, immer weiter in den Schatten gedrängt.Alle machten sich Sorgen Alle machten sich Sorgen um Alex.Niemand aber um seinen Bruder.Was war mit seinen Gefühlen.Marc hatte Alex nie beneidet.Er war lieber allein, malte, zeichnete.Ließ nichts an sich heran.Keinen interessierte das.Nur das Übliche.Er würde wie Alex werden, das stand fest.Klug, unkompliziert und bestens erzogen.Wozu sich dann viel um ihn kümmern.Jetzt, jetzt war Alex krank.Die Ärzte sagten er würde sterben.Alle weinten.Waren untröstlich.Die Eltern konnten es nicht fassen, ihr Junge, ihr Wunderkind würde sterben.Marc sah seinen Bruder im Krankenhaus, Zuhause in seinem Bett und wieder im Krankenhaus.Er war blass, sehr blass.Ganz schwach und viel zu zerbrechlich für einen Fünfzehnjährigen.Marc hatte Angst, er würde seinen Bruder verlieren.Für alle war Marc der kleine Bruder gewesen, der werden würde wie Alex.Der aber wusste genau, dass das nicht so war.Alex nahm sich Zeit für ihn.Redete mit ihm, ließ sich seine Zeichnungen zeigen.Immer wenn er Zeit hatte spielten sie Schach.Nun war das nicht mehr so.Alex war schwach, krank, würde sterben.Und Marc würde zurückbleiben.Alle Hoffnung setzte sich in ihn.Die Eltern, die Lehrer, seine Freunde alle wussten, er würde wie Alex werden.Schließlich war er sein Bruder.Sie kümmerten sich nicht um seine Gefühle.Fragten ihn in all den Jahren nicht einmal, ob es ihm gut ging.Sein Bruder würde sterben, und niemand fragte ihn, wie es ihm dabei ging.Marc sagte nichts, das hatte er nie getan, und würde er auch nicht tun.Seine Eltern weinten, weinten um Alex.Auch Marc weinte, nur darauf achtete niemand.Dann begriffen sie:Alex war tot, aber sein Bruder, er war noch da.Er würde werden wie Alex.Marc würde Alex werden!
Von nun an schickten sie ihn in die besten Schulen, zu den besten Lehrern, und er durfte nur die besten Bücher lesen.Marc wehrte sich lange nicht.Doch dann, irgendwann machte es Peng!
Er war nicht Alex, er war Marc und er würde es bleiben.Er würde sich das nicht länger gefallen lassen.Er würde sein eigenes Leben leben.Nun bemühte er sich nicht mehr um gute Noten, um gute Beurteilungen und sonst irgendetwas Gutes.Er würde nicht Alex werden.Er war kein Genie.Er machte das was ihm Spaß machte.Besuchte Zeichenkurse.Der Kunstlehrer sagte er habe Talent.Doch die Eltern, sie verbaten es ihm.Malen, so ein Unsinn.Alex wäre nie auf so eine Idee gekommen.Künstler werden.Sie hatten geschrien, geweint und wieder geschrien.Es hatte nichts genutzt.Marc brachte schlechte Noten nach Hause.Nur in Kunst änderte sie sich nie.Immer Eins.Doch das wollten sie nicht sehen.Er musste wie Alex werden.Marc ging oft zu dessen Grab.Er wusste sein Bruder würde ihn verstehen.So auch jetzt.Er ging zum Friedhof.Dritte Reihe, fünftes Grab.Alexander Bauer stand auf dem Stein.Zehn Jahre war er nun schon tot.Aber nichts hatte sich geändert.Marc war damals erst fünf Jahre alt gewesen.Ein Kind, das so werden würde wie sein Bruder.Man brauchte sich nicht viel um ihn kümmern, auch Alex hatte nie viel Beachtung gebraucht.Warum also sollte sein Bruder so etwas brauchen.Er bekam alles was ein Kind sich wünschen konnte.Zuneigung, Liebe, Spaß wozu sollte das gut sein?Alex war ohne all das ausgekommen.Marc wusste, obwohl er ein Kind war, dass das nicht stimmte.Sein Bruder hatte oft geweint.Alle erwarteten so viel von ihm.Sie hatten nie gefragt ob er das wollte.So wie sie nun Marc nicht fragten.Es war einfach klar, dass sie das wollten.Es war das Beste für sie.Marc stand lange vor dem Grab seines Bruders.Er sagte nichts, schwieg und ließ die Erinnerung an ihm vorüberziehen.Er war ein Kind gewesen, und doch hatte er nichts vergessen.Er vergass nie etwas.Photographisches Gedächtnis.Auch Alex hatte das gehabt.Marc könnte ein hervorragender Schüler sein, er hätte nie lernen müssen, einfach nur ein Buch lesen und alles behalten.Doch das wollte er nicht.Er hatte gemerkt, wie sehr es seinen Bruder belastet hatte ein Genie zu sein.Er wollte das nicht, und er würde nicht werden wie Alex.Er wollte es damals nicht, und heute auch nicht.Irgendwann müssen sie es verstehen.Wenn nicht, werden sie ihn kaputt machen.Marc würde das nicht zulassen, er würde sich wehren.Das schwor er sich, wie er es schon einmal getan hatte.Am Grab seines Bruders.Er würde sich nicht ändern lassen.Würde er selbst bleiben.
"Bist du in Ordnung?"
Marc erschrak.Lange hatte ihn das niemand gefragt.Er drehte sich zu der Stimme um.Vor ihm stand ein Mädchen, in Begleitung ihrer Mutter.Das Mädchen war vielleicht fünf Jahre alt.
Marc wollte ihr antworten, wollte ihr sagen "Ja alles in Ordnung."Doch da zog ihre Mutter sie schon weg.Marc lächelte ihr hinterher.Es würde besser werden.Das kleine Mädchen hatte es ihm gezeigt.Er wusste nicht, warum sie gefragt hatte, wahrscheinlich wusste sie das selbst nicht.Doch ihm wurde damit klar, dass er Menschen gab, die ihn sahen, nicht Alex.Er würde weiterhin stark sein, nicht aufgeben.Er würde Marc sein!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.04.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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