Constanze Maria Geiger

Der springende Punkt

„Ich bin müde“, dachte der Punkt und wischte den Schweiß von seiner Stirne. Er war gerade dabei einen besonders langen Satz, aus Geschichte eines gefeierten Krimi-Autors, abzuschließen.  
Der Schriftsteller bemühte sich seinem Detektiv mit besonders scharfsinnigen Gedanken auf die Spur des Täters zu helfen. Immerhin hatte der Dieb die Englischen Kronjuwelen gestohlen!
Der Punkt aber blieb von der Klugheit des Detektives völlig unbeeindruckt und richtete seine nächsten Worte direkt an den Autor: „Nein, nein und nochmals Nein! Wenn ich nicht endlich gewürdigt werde, dann kündige ich meinen Job! Dann kannst du schauen wie du deine Sätze beendest um neue zu beginnen. Dann ist deine Geschichte mit dem ersten Satz gleich zu Ende. Noch dazu ein offenes Ende!“
„Ha, Ha“, lachte er hämisch, wobei ihm eigentlich nicht zum Lachen war.
„ Ich leiste tolle Arbeit Satz für Satz, ausgenommen in jenen Sätzen, wo ein Rufzeichen oder Fragezeichen mich ablösen. Sonst bin ich immer pünktlich zur Stelle!“
„Du“, so klagte er den Autor an, „feierst deine Erfolge und mich lässt du verhungern!“ Schon knurrte ihm der Magen.
Die Buchstaben, die sich gerade links und rechts vom Punkt befanden, rückten etwas von ihm ab, aus Unsicherheit und Angst in einen Streik oder gar eine Schreibblockade hineingezogen zu werden.
Und plötzlich, so als ob der Autor von seinem rebellischen Punkt Notiz genommen hätte, lächelte er. Zufrieden setzte er seine Feder auf das Papier und schrieb mit großen, geschwungenen Buchstaben die Worte “Der springende Punkt ist“ gefolgt von zwei wunderschönen Doppelpunkten.
„Ach, oh, wie schön, unglaublich, wundervoll, großartig, einzigartig, superkalifragilistisch, bombastisch, ein Fest, ein Jubel, Trubel Hollareidulio“, jodelt der Punkt aus tiefstem Herzen heraus. Die pure Freude ist ihm ins Gesicht geschrieben und in dieser Euphorie nimmt der Punkt Anlauf, sprintet unvermittelt los und setzt zum Sprung an. Er fliegt so weit und so hoch wie noch kein anderer Punkt vor ihm. „Juhei, heissassa“ und landet  ... PENG, geradewegs auf einem anderen Punkt. „Pardon“,  entfährt es ihm. Genaugenommen handelte es sich um eine Pünktin. Die beiden strahlen einander an und es wird ihnen warm ums Herz. Doch schon setzt der Schriftsteller seinen nächsten Satz und der Punkt muss weiterziehen. Er verabschiedet sich höflich, um pflichtbewusst mit  seiner Arbeit weiterzufahren.
Er ist jetzt besonders eifrig bei der Sache und fühlt das Gewicht seiner Verantwortung und trägt es fortan mit Stolz. So macht ihm die Arbeit Spaß, jawohl!


 
Doch ab und zu kann es schon mal vorkommen, dass sich leise der Arbeitsfrust anschleichen möchte. Dann kehren seine Gedanken rasch zu seiner Lieblingspassage zurück, um seinen Sprung wieder und wieder zu erleben und seiner kleinen Pünktin während der Landung Küsschen zuzusenden und ihr liebevolle Worte ins Ohr zu flüstern.
Selbstverständlich werden die Kronjuwelen gefunden und der Dieb bestraft und der Autor wird für seinen neuen Bestseller gefeiert!!
Und der Punkt freut sich, denn der Autor skizziert bereits seinen neuen Roman, dieses Mal eine romantischen Liebesgeschichte mit vielen Doppelpunkten!!
 
CMG am 22.10.2013 13:15
 

Diese Geschichte gibt es jetzt in meinem Buch Herzgeplauder Märchen und Seelengeschichten über die Liebe und die Magie ISBN 9-783732-290475 im Verlag BOD NorderstedtConstanze Maria Geiger, Anmerkung zur Geschichte

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