Christa Astl

Wie wäre das? Gedanken zu meinem Gedicht



(Gedanken zu meinem Gedicht vom 19.11.13)
 
 
Ich möchte wissen wie es wäre, ganz allein zu leben,
nach Möglichkeit von Menschen unabhängig sein.
Ich möchte wissen, wie lang ich das aushielt’,
in Haus und Garten, immerzu allein…
 
Einkaufen ging’ ich höchstens einmal in der Woche,
mit schwerem Rucksack käme ich nach Haus,
da wechselte ich mit manch’ Leuten ein paar Worte,
sonst hielte ich es in der Stille gut alleine aus.
 
Die Städte und die Menschenmassen möcht’ ich meiden,
Natur, sie gibt mir Kraft, hier zu besteh’n,
bräucht’ keine Menschen hier, nur um zu quatschen,
könnt’ aus der Freiheit von den Bergen, - in die Menschen seh’n.
 
Bei allem fühlte ich mich hier nicht einsam,
mit mir im Einklang könnte ich recht gut hier sein,
Am Abend manches Mal freut’ mich ein netter Anruf…
ich denk, so lebt’ es sich recht gut allein…

ChA 19.11.13


 

Dieses vor kurzem von mir veröffentlichte Gedicht hat viele Widersprüche hervor gerufen, sodass ich nochmals darauf eingehen will:
Sogar die Bibel wird beschworen: Es ist nicht gut, wenn der Mensch alleine ist.
Oder die biologische Aussage: Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen.
Warum? Muss das so sein? Gibt es nicht Ausnahmen? Sind die denn nicht normal?

 

"Alleinsein ist keine Isolation, es ist nicht das Gegenteil von Einsamkeit, es ist ein Seinszustand, wenn alle Erfahrung, alles Wissen ein Ende haben." - Jiddu Krishnamurti, Über die Liebe, Aquamarin Verlag Grafing, 2000, S. 181
"Alleinsein kann es erst geben, wenn die Einsamkeit aufgehört hat." - Jiddu Krishnamurti, Über die Liebe, Aquamarin Verlag Grafing, 2000, S. 65
 
Was habe ich im Gedicht geschrieben? Meine Überlegungen, inwiefern man Menschen braucht, meine Frage, ob und wie lange ich es allein aushielte. Nicht allein auf der einsamen Insel als weiblicher Robinson, nein, sondern nur unabhängig von den Menschen zu sein, die rund um mich wohnen, arbeiten und leben, die wohl in meiner Nähe sind, mit denen ich aber keinen Kontakt habe und brauche.
Ich lebe mein Leben, wer ist dafür verantwortlich? Ich bin längst alt genug, diese Verantwortung selber zu tragen, soll ich dann nicht auch den Plan zur Gestaltung des Lebens selber erstellen? Und, wenn es nicht nur ein geträumter Plan sein soll, soll ich nicht auch bereit sein, dieses Leben zu leben? Wieder weise ich auf meine an mich gestellte Frage hin: …ich möchte wissen, wie lange ich das aushielt’…
Nicht jede/r ist der Massenmensch, der ohne seine Artgenossen nicht atmen kann. Ständig eingekreist von Familie, Verwandtschaft, Sippschaft, Freunden, Gruppen, Vereinen - keine eigene Entscheidung, kaum mal ein eigener Gedanke… und diese Menschen bezeichnen sich auch noch als „glücklich“??
Der Großteil der Menschen mag ja so sein, doch ich spreche ein Plädoyer aus für die anderen, die noch allein denken, entscheiden, leben wollen. Vor allem für die, die dies aus freiem Willen tun wollen, ohne darunter zu leiden. Für die Menschen, denen die stille, von Menschen unberührte und deshalb noch nicht zerstörte Natur wichtiger ist.
Wenigstens die Wichtigkeit eines zeitweisen Rückzuges wird anerkannt. Aus der Hektik des Alltags ausbrechen, die eigene, innere Ruhe wiederfinden, wenn Stunden, Tage, Jahre schon vorprogrammiert, von Terminen voll belegt sind. Wer diese Ruhepausen für sich übersieht, dessen Körper rächt sich irgendwann im Burnout. Wir sind Menschen, keine Maschinen, die auf Knopfdruck funktionieren, ohne Pause-Taste, ohne Ruhezustand.
Burnout – der Körper kann nicht mehr, doch wie lange arbeitet der Geist weiter? Er lässt nicht ruhen und schlafen, Angst, Widerwillen, Frustration, Verlust von Lebensfreude stellen sich ein. Monatelange Behandlungen führen diese Menschen dahin, wo Stille und Ruhe sie wieder aufleben lassen: Zu sich selbst, zu ihrer eigenen Mitte.
Natürlich höre ich schon wieder das Argument: Auch hierzu braucht man jemanden, eine Begleitung, Gespräche, … Mag stimmen, ja, das gebe ich zu. Wenn aber diese „Fachleute“ nicht in der Nähe sind?
Ich habe das ausprobiert, denn ich hatte in innerlich schweren Zeiten niemand, nur meine steilen Waldwege. Wenn ich mit äußerster Konzentration aufsteigen musste, konditionell an meine physischen Grenzen geriet, körperlich genau so verausgabt war wie vorher schon seelisch, dann war ich  im Gleichgewicht, dann konnte/musste ich ruhen, mich erholen, Kräfte sammeln, um dann gestärkt den Weiterweg zu wagen. Und wie gut ging es mir dann beim Abstieg, allein, ohne irgendwelche fremden Trainings- und Übungseinheiten, nur weil ich auf mein Inneres gehört habe!
Nochmals zu meinem Gedicht: …die Menschenmassen würde ich meiden…
Nur in die Stadt zu fahren, um Menschen um sich zu haben? Menschen, die an einem vorbei hasten, einen gar nicht wahrnehmen, übersehen, weil sie mit eigenen Gedanken befasst sind? In einem Verein dabei zu sein, in einer Gruppe, - wo man sich der Meinung anderer anzuschließen hat, wo man nicht verstanden wird, wenn man nicht so ist oder denkt wie alle?
Man ist dort zwar nicht alleine, kann aber umso einsamer sein, wie von einer Mauer von allen getrennt, eine Mauer, die man von innen nicht ganz durchdringen kann. Die äußere „Türe“ muss von außen, durch verstehendes Annehmen, aufgesperrt werden. Wenn dies nicht geschehen kann, ist es besser, mit dieser Tatsache zu leben und sein eigenes Leben zu leben, seine Gedanken und Ideen allein zu verwirklichen.
Menschen für einen kurzen Tratsch findet man hierzulande überall, so man will. Und wenn man alleine sein will, soll man sich auch daran erfreuen dürfen.
Es ist also gut, wenn der Mensch (über Zeiten) alleine ist.
Ich möchte hier auf Dostojewski zurück greifen: Zeitweilige Einsamkeit ist für einen normalen Menschen notwendiger als Essen und Trinken.
 
Natürlich bin ich auch nicht immer glücklich, wenn ich allein im Haus bin, Telefon und Mailbox schweigen, auf Skype niemand erreichbar ist… Was mache ich dann? Entweder ich gehe eine größere Runde spazieren, vielleicht bietet mir die Natur Ablenkung, meistens tut ja die Bewegung an der Luft schon gut, oder ich stöbere in meinem Bücherregal, da finde ich ja für jede Stimmung und für alle meine Interessensgebiete was. Manchmal rufe auch ich jemanden an, ärgere mich, wenn sich niemand meldet oder eine hektische, kurz abgebundene Absage folgt.
 
Oder ich schreibe ein Gedicht für e-stories, da bekomme ich wenigstens einige Kommentare, und weiß, dass mich wer liest und somit wenigstens minutenlang an mich denkt….
 
 
ChA 21.11.13

 
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Christa Astl).
Der Beitrag wurde von Christa Astl auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.11.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Christa Astl

  Christa Astl als Lieblingsautorin markieren

Buch von Christa Astl:

cover

Schneerosen: 24 Geschichten zur Advent- und Weihnachtszeit von Christa Astl



In der heutzutage so lauten, hektischen Vorweihnachtszeit möchte man gerne ein wenig zur Ruhe kommen.
Einfühlsame Erzählungen greifen Themen wie Trauer, Einsamkeit, Krankheit und Ausgrenzung auf und führen zu einer (Er-)Lösung durch Geborgenheit und Liebe. 24 sensible Geschichten von Großen und Kleinen aus Stadt und Land, von Himmel und Erde, die in dieser Zeit „ihr“ Weihnachtswunder erleben dürfen, laden ein zum Innehalten, Träumen und Nachdenken.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (9)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Gedanken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Christa Astl

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Frühstücksgedanken eines Ehemannes von Christa Astl (Satire)
Nur ein Stein - Lebendige Gedanken zur toten Materie von Christa Astl (Gedanken)
Mein Dank an mich selbst von Norbert Wittke (Satire)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen