Daniel Siegele

Doof wie drei Brötchen

Auf dem einfachen Schüttbahnsteig einer Kleinbahnhaltestelle – die sich in den 60er oder frühen 70er Jahren in einem beschaulichen, ländlichen Provinzwinkel irgendwo in den Weiten des norddeutschen Flachlandes befindet – steht an einem recht schönen, aber nicht gar zu warmen Sommernachmittag der Heini:
 
Heini ist nicht besonders klug, aber dafür freundlich und harmlos – er ist, um es mit den nicht wirklich böse gemeinten Worten der meisten Dorfbewohner zu sagen, „doof wie drei Brötchen“.
 
Als „behördlich anerkannter Dorf-Einfaltspinsel“ und als anerkannt harmloser, fröhlicher Zeitgenosse mit wenig Verstand, genießt unser Heini in seinem Heimatdorf und der unmittelbaren Umgebung eine gewisse Art von Narrenfreiheit, die es ihm ermöglicht, während des ganzen Tages in den Straßen, Wiesen und Wäldern seiner kleinen Heimatgemeinde herumzuwandern, oder auch einfach nur in Gegend herumzustehen und zufrieden grinsend mit den Füßen zu wippen.
 
Die letzte Viertelstunde hat Heini deshalb jetzt auch an diesem warmen, sonnigen Sommernachmittag im Schatten eines großen Birnbaumes an der Kleinbahnhaltstelle seines Heimatdorfes verbracht, indem er auf dem schmalen, aufgeschütteten Bahnsteig mit seiner altersmorschen Holzbohlen-Bahnsteigkante hin und her gewandert ist, wobei er fröhlich dreinschauend dem Zwitschern der Vögel zugehört hat, die über ihm im Birnbaum sitzen.
 
Wenn es Heini bei seinem Hin- und Herwandern doch einmal etwas zu langweilig wird, bleibt er auch gerne einmal vor dem breiten, weiß emaillierten, aber doch schon etwas rostfleckigen Blechschild stehen, auf dem mit schwarzen Blockbuchstaben der Name der Haltestelle geschrieben steht:
„Fuchsdorf-Krauthausen“ ist auf dem emaillierten Blechschild zu lesen und unser Heini ist einmal mehr davon beeindruckt, daß man auf einen so kleinen Bahnsteig ein Schild mit einem so sehr langen Namen gestellt hat…
 
Nachdem eine weitere Viertelstunde vergangen ist, wird in nicht allzu großer Entfernung das Knattern des Motors und Auspuffs eines kleinen Dieseltriebwagens hörbar, der auf dieser Kleinbahnstrecken seit den 50er Jahren mit immer noch mehreren täglichen Fahrten den Personenverkehr erledigt:
 
Dieser erste und zur Zeit unserer Geschichte einzige Dieseltriebwagen der „Fuchsdorf-Krauthausener Kleinbahn“ ist von seiner Konstruktion her kaum mehr, als ein auf Eisenbahnradsätze gesetzter, kleinerer Bus, mit je nach Fahrtrichtung umlegbaren Sitzbänken für die Fahrgäste und Fahrerplätzen, die – ohne Abtrennung gegen den Fahrgastraum – jeweils an den Wagenenden direkt in die Einstiegsräume hinein gebaut wurden; Dementsprechend ist dieser kleine und nicht vollbahntaugliche Triebwagen seit seiner Inbetriebnahme auch immer nur auf seiner ländlichen Heimatstrecke unterwegs gewesen.
 
Nachdem wenige weitere Minuten vergangen sind, kommt der kleine Dieseltriebwagen mit im Leerlauf vor sich hin rödelndem Motor und zischender Druckluftbremse schließlich am Bahnsteig zum Stehen; Die beiden bahnsteigseitigen Türen des Triebwagens werden von ankommenden Fahrgästen aufgeschoben und während einiger Minuten kann man hier am baumüberschatteten Kleinbahn-Bahnsteig die provinzdörfliche Variante des spätnachmittäglichen Feierabendverkehrs miterleben.
 
Nachdem auch der letzte angekommene Fahrgast zu Fuß oder per Fahrrad auf dem schmalen, asphaltierten Weg zum nahen Dorf hin zwischen Bäumen und Büschen verschwunden ist, sind in dem jetzt ansonsten leeren Kleinbahntriebwagen nur noch der Fahrer Matthias und der Fahrkartenkontrolleur Klaus-Jürgen übriggeblieben; Die beiden Kleinbahner wenden sich jetzt Heini zu, der den aussteigenden Fahrgästen vom hinteren Bahnsteigrand her harmlos-neugierig zugeschaut hat:
 
Matthias und Klaus-Jürgen kennen den freundlich-harmlos-einfältigen Heini als Bewohner des selben Dorfes schon recht lange und sie machen sich nach dem Ende des ländlichen Feierabendverkehrs bei einer passenden Gelegenheit wie dieser auch gerne einen Spaß daraus, Heini zu einer Mitfahrt in ihrem dann meistens leeren Triebwagen zu überreden: „Fahr doch mit uns mit, Heini – dann bekommst du auch drei Brötchen zum Futtern!“ ruft Fahrer Matthias dem Heini zu, wobei sein Kollege Klaus-Jürgen auch schon sehr zu grinsen beginnt.
 
Unser freundlich-einfältig dreinschauender Heini ziert sich in solchen Fällen zuerst immer ein bißchen – letzten Endes ist die Verlockung einer spätnachmittäglichen Gratis-Zugfahrt als einziger Fahrgast aber doch zu groß, so daß unser Heini nach nur kurzem Zögern einmal mehr in der ersten Fahrgastsitzreihe direkt hinter dem Fahrer Platz nimmt, wonach Klaus-Jürgen die beiden noch offenstehenden Einstiegstüren schließt und Matthias den Triebwagen mit einem Lösen der Druckluftbremse und einem langsamen, stufenweisen Hochdrehen des Fahrstufenschalters wieder in Bewegung bringt.
 
Von der vordersten Fahrgastsitzreihe aus kann Heini (sichtlich zufrieden seine drei Brötchen futternd) in schienenbustypischer Weise am Fahrerplatz vorbei durch das große Frontfenster direkt auf die vor ihnen liegende, ländliche Kleinbahnstrecke hinausschauen und außerdem Matthias zuschauen, der mit der linken Hand den Fahrstufenschalter und mit der rechten Hand das Bremsventil bedient, um während dieser ruhigen Kleinbahnfahrt bei der Annäherung an einen der kleinen Bahnübergänge außerdem immer wieder einmal mittels eines Fußpedals die quäkende Drucklufthupe zu betätigen.
 
Matthias und Klaus-Jürgen haben des öfteren schon einmal Witze darüber gemacht, daß ihr Triebwagen so einfach zu fahren sei, daß sogar Heini dabei keine Probleme haben würde – und tatsächlich hat Matthias Heini während eines kurzen Unterwegshalts auf freier Strecke auch schon einmal auf dem Fahrersitz Platz nehmen lassen und zu Heini gesagt, daß er doch einmal auf das Fußpedal der Drucklufthupe treten soll, wonach Heini von dem (für einen solch kleinen Triebwagen) doch recht lauten, pneumatischen „Qääääk!“ doch einigermaßen beeindruckt war!
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Daniel Siegele).
Der Beitrag wurde von Daniel Siegele auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.12.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Daniel Siegele als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Erlebtes Leben: Emotionen – Impressionen von Fritz Rubin



Wie herbstlich wird die Dämmerung,
wie gläsern ihrer Lüfte Kühle,
die Schatten liegen auf dem ›Grün‹
und rufen leis’ »Auf Wiederseh’n!«

Der Sommer sagt: »Adieu, macht’s gut,
ich komme wieder nächstes Jahr!«
Entflammt noch einmal mit aller Macht
den ganzen Horizont mit seinen bunten Farben!

Wehmut tief in meinem Herzen
und Hoffnung zugleich,
glückselig
das
Erinnern

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Skurriles" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Daniel Siegele

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Jahrestags-Rede von Daniel Siegele (Skurriles)
Der Erste Kuß von Rita Bremm-Heffels (Skurriles)
Der Liebesbeweis von Rainer Tiemann (Skurriles)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen