Ernst Dr. Woll
Sekundärrohstoffsammlung im Wandel der Zeit
„Lumpen, Knochen, Eisen und Papier,
all das Leute, sammeln wir.“
Als ich diesen Spruch bei „Google“ eingab, war ich erstaunt wie oft und in welch vielfältiger Weise in Geschichten, Gedichten und Kommentaren auf diese „Sammeltätigkeit“ Bezug genommen wird. Ich will das Ganze durch die Darstellung einiger Erlebnisse ergänzen.
In der NS-Zeit galt es, alle Rohstoffressourcen zu erschließen, um besonders ab Kriegsbeginn damit im Kriegsgeschehen vernichtete Waffen, Gerätschaften und Materialien wieder herstellen und ersetzen zu können. Mit Gesetzen und Verordnungen wurde auf diesem Gebiet ein strenges Regime eingeführt und sogar derjenige bestraft, der „nicht sammelte und ablieferte“.
Aus diesem Grunde war auch die Tätigkeit des Lumpensammlers „kriegswichtig“, was wir dadurch merkten, dass er in meinem Heimatort zu den wenigen gehörte, die ihren Autotransporter behalten durften. Außerdem brauchte er nicht Soldat zu werden.
Sein Auto war ein größeres Cabrio ohne Verdeck und hatte nur einen Sitz für den Fahrer. Der übrige Raum diente als Ladefläche. Der Motor sprang trotz eifrigen Kurbelns nur selten an. Der Besitzer ließ es deshalb eine lange Straße, die mit starkem Gefälle ins Tal führte, hinabrollen, um es damit zum Anspringen zu bringen. Wir Kinder – meist 6 bis 8 Jungen und Mädchen – durften mitfahren, weil er uns brauchte, das Gefährt wieder nach oben zu schieben, wenn der erste Versuch nicht geklappt hatte. Zu unserer Freude gab es manchmal sogar mehrere Wiederholungen!
Im Übrigen war es für uns Kinder eine Freude in der Scheune, in der das Sammelgut (Lumpen, Knochen, Eisen, Glas und Papier) gelagert wurde, beim Sortieren mitzuhelfen. Sehr zum Verdruss unserer Eltern nahmen wir manchmal auch Sachen mit nach Hause, das war aber verboten, weil man diese Rohstoffe der „kriegswichtigen Verwendung“ nicht entziehen durfte.
Über ein Vorkommnis aus dieser Zeit muss ich heute schmunzeln. Wir Pimpfe des Deutschen Jungvolks sammelten auch Altmaterialen. Ein besonders eifriger Junge, dessen Vater NSDAP Funktionär war und wahrscheinlich seinen Sohn anspornte fleißig zu sammeln, brachte aus der Bibliothek der Eltern einen großen Stoß Bücher zur Sammelstelle. Darunter auch Hitlers „Mein Kampf“ und Bücher anderer Nazigrößen. Der Lumpensammler war sehr bestürzt und verbrachte diese Bücher in ein gesondertes Regal. Das war sein Glück, denn der eifrige Nationalsozialist hätte den Mann vielleicht sogar ins Gefängnis gebracht, wenn dieser das wertvolle Schriftgut nicht gerettet und zurück gegeben hätte. Ob oder wie der Pimpf bestraft wurde erfuhr ich nicht.
In der SBZ (Sowjetischen Besatzungszone) und jungen DDR behielten diese strengen Regeln für das Sammeln von Rohstoffen oder auch Altmaterialien weiter Gültigkeit. Das erlebte ich u. a. an einem Beispiel beim Sammelgut Knochen. Hausschlachtungen waren im Krieg und in der Nachkriegszeit genehmigungspflichtig und es wurde streng kontrolliert, dass die dabei anfallenden Tierknochen vollständig abgeliefert wurden. Bei einer regulären Hausschlachtung hat man gern ein zusätzliches Schwein „schwarzgeschlachtet“. Ein Bauer hatte beim Abliefern der Knochen vergessen die Kopfknochen des zweiten illegal geschlachteten Schweins zurück zu halten. Die Mär, das Schlachtschwein wäre eine Missgeburt mit 2 Köpfen gewesen, glaubte man ihm nicht, er wurde bestraft.
In der DDR war das Sammeln von Sekundärrohstoffen (wie bis heute das Sammelgut der früheren Lumpensammler heißt) eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Schüler, Pioniere, FDJler, Ausschüsse der Nationalen Front usw. sammelten ebenso wie Privatpersonen; es gab bekanntlich eine einheitliche Vergütung für die abgelieferten Stoffe. Schulen und gesellschaftliche Organisationen verwendeten diese Einnahmen für die sogenannte gesellschaftliche Arbeit; Schulausflüge und -feiern Wohngebietsfeste und ähnlichem.
Es gab einen speziellen Wettbewerb für diese Sammelaktionen, dessen Ergebnisse in den Medien oft mit großer Aufmachung veröffentlicht wurden. Der Haken dabei war, dass die Resultate der Sammlungen oft mehreren Institutionen zugerechnet wurden, so dass am Schluss ein unwahrscheinlich hohes Gesamtergebnis herauskam.
Bei einer nicht öffentlich bekannt gemachten Episode in den 1970er Jahren in einer größeren Stadt (manche Vorkommnisse passten nicht in das Bild der DDR) wurden allerdings die Täter bestraft. Diese lieferten mit LKW Lumpen, Altpapier und Gläser an der Sammelstelle an und wurden wegen großen Andrangs an eine nicht einsehbare Stelle ohne Aufsicht zum Entladen geschickt. Sie luden wenig ab und fuhren mit dem Rest mehrmals wieder zur Annahme. Sie perfektionierten ihre Betrügereien sogar derart, dass sie schon gelagertes Sammelgut wieder auf ihr Fahrzeug aufluden. Der Schwindel flog erst nach einigen Monaten auf, weil die Sammelstelle eine enorme Differenz zwischen Anlieferungsmengen und Bestand festgestellt hatte. In den alten Bundesländern und heute in der BRD hätten solche Gaunereien ein großes Medieninteresse gefunden.
Heute wird das Sammeln und Wiederverwenden von Sekundärrohstoffen im Zusammenhang mit „Nachhaltigkeit“ gesehen. Allerdings gibt es hierbei noch viele Unsinnigkeiten und Ungereimtheiten zu überwinden. Auch Spekulanten treiben ihr Unwesen.
Beim Lumpensammler während meiner Kindheit in den 1930/40er Jahren wären kaum noch verwertbare Kleidungsstücke in dem „Lumpenstapel“ zu finden gewesen. Es sind deshalb in der Gegenwart die organisierten Kleidersammlungen zu begrüßen. Wieder ein „Allerdings“; es gibt einige „unseriöse Sammler“ auf diesem Gebiet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2013.
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