„Diese Zeit ist seltsam“, sagte Kasimirius nachdenklich, „in den Häusern brennen Kerzen auf Tannenkränzen, wenn wir durch die Fenster schauen. Auf dem Marktplatz steht seit zwei Wochen ein großer Tannenbaum, an dem hängen goldene und rote Kugeln, und silberne Ketten sind über seine Zweige gebreitet. Viele kleine Glühbirnen sind an ihm befestigt, die leuchten sogar in der Geisterstunde.“
„Ja“, murmelte Wendel, „es ist seltsam und geheimnisvoll. Wollen wir uns das alles noch einmal anschauen? Vielleicht geschieht etwas.“
So schwebten sie in die Stadt auf den Marktplatz. Da standen nun auch noch Holzbuden, die mit Tannengrün geschmückt waren. Zwischen den Buden strich eine Katze umher. Sie war das einzige lebende Wesen, das sie trafen.
Das einzige?
Plötzlich hörten sie leise Musik von einer Flöte. Sie folgten der Musik und sahen eine wunderschöne Frau in schimmernden Kleidern. Sie ging an jedes Haus. Eigentlich ging sie nicht, sondern schien zu schweben wie die Gespenster selbst. Wer war sie?
Die kleinen Gespenster folgten ihr und beobachteten, wie sie Zettel von den Türen der Häuser abnahm, las und sie wieder anheftete.
Da hielten sie es vor Neugier nicht mehr aus, schwebten auf die wunderschöne Frau zu und fragten sie: „Wer bist du? Was machst du?“
„Ich bin eine Fee und helfe dem Weihnachtsmann.“
„Aber was tust du?“, wollte Kasimirius wissen.
„Ich lese all die Wunschzettel, die die Kinder dem Weihnachtsmann schreiben. Ich lerne sie auswendig. Was ich einmal gelesen habe, vergesse ich nicht. So hat der Weihnachtsmann mehr Zeit die Geschenke einzupacken, wenn er nicht tausend Zettel selber liest.“
„Du bist aber klug, liebe Fee!“
Sie begleiteten die Fee einige Zeit lang, konnten aber nicht erkennen, wie sie die Zettel so schnell lesen und im Gedächtnis behalten konnte. „Wie machst du das?“, fragte Kasimirius staunend.
„Ich bin eine Fee und kann das“, antwortete sie.
„Kannst du auch zaubern?“, fragte Wendel.
„Nein, zaubern kann ich nicht, aber ich weiß viel und kann manchmal helfen, wenn jemand in Not ist.“
„Bitte, bitte“, rief Wendel, „hilf, dass mein schwarzer Freund wieder weiß wird!“
Die Fee sah das kleine Gespenst prüfend an, dann lächelte sie und wurde noch schöner.
„Es ist lieb von dir, dass du nichts für dich willst, sondern für einen anderen bittest. Ich will euch helfen. In der Neujahrsnacht komme ich wieder. Ich sage euch dann, was ihr tun könnt.“
Wendel sah die Fee ernsthaft an. Dann fragte er: „Darf ich dir einen Kuss geben?“
Die Fee beugte sich herab, und Wendel gab ihr einen dicken Kuss auf die Backe. Den spürte sie natürlich nicht. Aber sie ließ sich nichts anmerken, lächelte freundlich und war plötzlich verschwunden.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.12.2013.
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