Eva-Maria Herrmann

Frau am Steuer

Was ist schlimmer als ein Mann am Steuer?
Ein Mann als Beifahrer!
Gott sei Dank besitze ich einen eigenen fahrbaren Untersatz und komme so doch täglich in den Genuss selbst hinter dem Steuer zu sitzen.
Wäre das nicht der Fall, dann müsste ich auf die Tage mit gesellschaftlichen Anlässen warten, bei welchen mein holder Gatte zu tief in Glas geschaut hat und mir nur mit Widerwillen seinen Wagen anvertraut.
Sein Allerheiligstes.
Seinen Gral.

Dabei ist es nur ein Auto!
Eine Karosserie aus rot lackiertem Blech, das bei kleineren Auffahrunfällen hübsche Beulen wirft.
Einen Motor der bei 140 Sachen im 3.Gang erst den richtigen Sound entwickelt.
Eine Gangschaltung, die nette Geräusche von sich gibt, wenn man aufgrund der schicken neuen Stöckelschuhe die Kupplung nicht ganz durchtreten kann.
Gas und Bremse, welche es nicht zu verwechseln gilt.
Ein paar Fensterscheiben, die die Sicht erleichtern.
Zwei Sitze, welche völlig ausreichen, da man so niemanden mitnehmen muss. (Vor allem die eigenen Kinder nicht.)
Und ein Kofferraum, der an Platzmangel kaum zu übertreffen ist.
Also, ein ganz normales Auto.

Sollte man meinen!

Wenn ich aber dann den Schlüssel ins Zündschloss stecke, fängt meine bessere Hälfte neben mir schon zu zittern an.
Kleine Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn und der unverwechselbare Geruch der Angst macht sich im Wageninneren breit.
Jeder noch so kleine Fahrfehler wird mit einer Tirade von besserwisserischen Kommentaren bestraft, die mit guten Ratschlägen einher gehen.
Dabei hätte den Bus doch jeder übersehen können und schließlich hat er ja auch noch rechtzeitig gebremst, es ist also nichts passiert.
Wenn die Felgen hin und wieder den Randstein berühren, entlockt das meinem Beifahrer bereits ein Wimmern und so eine Lappalie wie das Einparken mit Stoßstangenkontakt ein lautes Schluchzen.
Sind wir dann endlich, wie immer, heil und sicher zu Hause angelangt, ist er das reinste Nervenbündel.
Schlurfend tappt er hinter mir her, sein Körper wird geschüttelt von Weinkrämpfen und es wird Tage dauern, bis er wieder eine Kaffeetasse halten kann, ohne den Inhalt zu verschütten.

Man könnte meinen, ich hätte seinen besten Freund überfahren.

Dabei ist nur ein kleiner Kratzer in der Tür, weil das Gartentor nicht ganz geöffnet war.
Und ein Seitenspiegel reicht doch auch, wozu braucht man denn zwei?
Schließlich handelt es nur um ein einfaches Transportmittel, dass einen von einem Ort zum anderen bringt.
Und solange es fahren kann, erfüllt es doch seinen Zweck.

Oder?

Ich meine, auch wenn es Ferrari heißt, bleibt es doch nur ein Auto.

In Wirklichkeit, darf ich den Ferrari gerade mal polieren und wenn ich ganz brav war, auf dem Beifahrersitz mitfahren.
In Wirklichkeit, darf ich nicht mal bei meinem Auto am Steuer sitzen, wenn er mitfährt.
Und in Wirklichkeit bin ich eine ausgezeichnete Autofahrerin, was mein Mann aber nie bemerken wird, da es ihm an Gelegenheit mangelt es festzustellen.
Eva-Maria Herrmann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.04.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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