Christa Astl

Ein schöner Morgen...



 
Während ich noch beim Frühstück sitze, erlebe ich das Erwachen eines schönen Tages. Wie ein Film zieht es an meinen Fenstern vorüber: Nach einem Regentag – es ist immer noch viel zu mild, der Jahreszeit entsprechend sollte es eigentlich schneien – hat der Wetterbericht Besserung angesagt.
Die obersten Blätter des Apfelbaumes vor dem Fenster zittern leise im Wind. Hinter den letzten Häusern des Dorfes beginnt das Grau: Die Berge stecken in dicken Wolken.
Plötzlich – ein blendender Sonnenstrahl, der zwischen den Bäumen durchblitzt, trifft mich. Noch ist die Bahn der Sonne zu flach, um über die Baumwipfel zu gelangen. Vor fünf Jahren gelang es ihr um diese Tages- und Jahreszeit noch, denn Bäume wachsen langsam.
Aber der eine Strahl verzaubert die Landschaft, bringt Bewegung in den zähen Nebel. Bald da, bald dort tut sich ein kleines Loch auf, zeigt ein Stück eines Berges, eine einzelne Spitze, die ich im Moment gar nicht schnell genug einordnen kann. Blauer Himmel, den ich schon tagelang nicht mehr gesehen habe, leuchtet durch. – Nur Momentaufnahmen, sekundenlang – dann wieder Wolken und Nebel. Das Schauspiel wiederholt sich, zeigt andere Bildausschnitte, gibt irgendwo ein Schneefeld frei, weiß im Grau – wie ein Spuk verschwindet auch das wieder.
Die Bergkette an der Nordseite ist weiterhin nicht zu sehen, eine dunkelgraue Wolkenwand verhüllt sie, die Bäume davor glänzen im Sonnenlicht.
Der Berg im Südosten ist bereits von der Sonne gereinigt. Über ihm hinterlassen Flugzeuge ihre strahlendweißen Kondensstreifen, der Nebel an seinem Fuß leuchtet silbrig, löst sich langsam auf.
Die hohen Berge im Osten spielen noch Verstecken. Während der Wilde Kaiser bereits stolz und breit in postkartengleicher Pracht frisch angeschneit sein herrlichstes Wintermotiv zeigt, ist sein kleiner Bruder, der Zahme Kaiser, noch gut verhüllt, als ob er sich seiner geringeren Höhe schämte. Nur die ungefähr auf halber Höhe zu einer Bergwirtschaft gehörende Almwiese bleibt konstant sichtbar.
Eine ganze Stunde dauert heute mein Frühstück, doch ich nehme mir die Zeit, Auszeit, um die Zeitlosigkeit eines Morgens zu erleben und im langsamen Atem der Natur Ruhe und Zeitlosigkeit zu finden
 
 
 
ChA 6.1.2014

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