Irene Beddies

Wendel: Gartenfest





„Morgen feiern wir ein Gartenfest“, sagte Paul eines Tages „und.... ich darf dich einladen! Wenn die Sonne untergegangen ist, kann ich dich holen, hat Mama gesagt.“
„Erschrecken dann auch nicht die Gäste?“
„Nein, die brauchen ja nicht zu wissen, dass du dabei bist. Wenn es nicht ganz dunkel ist, bist du noch nicht so gut zu sehen. Und wenn alle tanzen oder sich unterhalten, gucken sie bestimmt nicht genau.“

Am Abend nach Sonnenuntergang kam Paul in den Keller und weckte Wendel. Gemeinsam gingen sie in den Garten.
Dort war viel Trubel. Lampions waren an einer Schnur von Baum zu Baum aufgehängt, ein Grillfeuer brannte und ein langer Tisch war gedeckt für viele Personen. Erwachsene standen auf dem Rasen und unterhielten sich lebhaft.
Pauls Vater stand mit einem anderen Mann am Grill. Er beaufsichtigte die vielen Würstchen, die dort brieten. Die Mutter war damit beschäftigt, Salate und Brötchen auf dem Tisch zurecht zu rücken.
„Nehmt alle Platz“, rief sie nun, „wir wollen essen!“
Alle setzten sich hin und füllten sich etwas auf ihre Teller.
Paul war das einzige Kind in der Gesellschaft. Niemand kümmerte sich um ihn. Das freute ihn sehr, denn er konnte unbemerkt tun, was er wollte.
Er häufte sich seinen Teller mit Weißbrot, Würstchen und Ketchup voll und setzte sich unter einen der Bäume auf den Rasen. Wendel setzte sich auf einen Ast über ihm und sah ihm zu. Paul redete mit vollem Mund über all die Vorbereitungen, bei denen er Mama und Papa hatte helfen dürfen. Er war sehr stolz, denn Mama hatte ihn einen >tüchtigen Helfer< genannt.

Nach einer Weile ertönte Musik im Garten. Papa hatte die Stereoanlage angestellt mit flotter Tanzmusik. Einige Paare fingen an, auf dem Rasen zu tanzen.
Wendel juckte es in den Gliedern, er wollte auch gern tanzen, wagte es aber nicht aus Angst, er würde entdeckt.
„Ach was“, meinte Paul, „wir tanzen zusammen. Auf mich achtet sowieso niemand“.
So kreisten Paul und Wendel eine Weile unter dem Baum umeinander. Plötzlich entdeckte eine Frau Paul.
„Seht mal, wie putzig! Paul dreht sich ganz allein dort unter dem Baum. Kinder sind doch zu niedlich!“
„Aber was ist das bei ihm?“, fragte ein dicker Mann, „er scheint nicht allein zu sein. Etwas Weißes bewegt sich um ihn herum.“
„O weh, ich bin entdeckt“, klagte Wendel.
„Nicht so schlimm“, meinte Paul, „husche hinter den Baum. Es hat sicherlich niemand erkannt, wer du bist.“

Paul drehte sich nun allein weiter. Die Erwachsenen schauten ihm eine Weile lang noch zu. Dann wurde es ihnen aber zu langweilig. Sie tanzten lieber selber oder unterhielten sich wieder.
„Das ist doch gut gegangen. Komm wieder her, wir wollen auch wieder tanzen“.
Das ließ sich das kleine Gespenst nicht zweimal sagen. Glücklich drehte es sich mit Paul wieder im Kreis, bis ihnen schwindelig wurde. Dann setzten sie sich auf den Rasen. Paul, der nicht gewohnt war, so lange auf zu bleiben, schlief bald ein.

Wendel aber blieb ausnahmsweise wach. Er besah sich alles ganz genau und sog in tiefen Atemzügen all die guten Gerüche ein, die das Festessen verbreitete.
Als es schließlich vom Turm zwölfmal „boinggg“ ertönte, verließen die Gäste den Garten.
Die Eltern hoben ihren schlafenden Sohn vorsichtig auf und brachten ihn nach drinnen.
„Wir räumen morgen auf“, sagte die Mutter zum Vater, „es ist spät und ich bin müde. Es wird nicht regnen.“
Als sie im Haus verschwunden waren, kam die Eule. Sie besah sich alles, was im Garten zu sehen war, und schüttelte den Kopf über die Unordnung.
Wendel aber schwärmte ihr vor, wie toll das Fest gewesen war.
„Ich habe mit Paul getanzt. Die Lampions haben schön geleuchtet, das Essen hat gut gerochen und alle waren laut und fröhlich“.
„Bist du denn  nicht müde?“ wollte die Eule wissen.
„Doch, ganz schrecklich müde. Aber schlafen kann ich noch nicht. Komm wir fliegen ein wenig umher.“

       
© I. Beddies



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.02.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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