Christa Astl

Viola kehrt zurück




 
 
Das kleine Mädchen Viola war sehr glücklich bei der Veilchenfee, die es liebte, wie eine Mutter ihr Kind nur lieben kann.
Bald vergaß das Mädchen seine eigene Welt, es erinnerte sich nur ganz dunkel noch an seine Mutter, solange diese lebte. Wann und wie es hierher ins Feenreich gekommen war, davon wusste Viola nichts mehr. Auch begann sie sich wie eine kleine Fee zu fühlen. Allerdings sah sie sonst keine Kinder dort, wo sie nun war. Denn Feen sind immer nur Feen, sie waren nie klein und werden nie alt.
Solange Viola klein war, blieb sie ständig bei Violetta, der Veilchenfee, in deren Palast. Nun waren schon zwölf Jahre vergangen, sie hatte es nicht bemerkt, und sie war zu einem hübschen Mädchen heran gewachsen. Violetta wurde traurig, wenn sie daran dachte, dass sie das Mädchen nun bald wieder entlassen müsste, wenn es erwachsen war.
Viola aber begann sich mehr und mehr als Fee zu fühlen. Sie wollte nun auch mit den anderen Feen spielen und tanzen. Schweren Herzens gestattete es die Veilchenfee, denn sie wusste, dass das nicht gut gehen würde.
Recht unglücklich kam Viola immer zurück, wenn sie im Mondenschein mit den Feen auf der großen Wiese sang und tanzte. Sie konnte einfach nicht diese leichten Schritte machen, dazu war sie viel zu schwer, da sie ja ein Menschenkind war. Mit ihrem schwerfälligen Tanzen würde sie niemand eine Freude machen. Auch hatte sie keine so glockenreine zarte Feenstimme, ihre war viel tiefer und sogar etwas rau. Kein Wunder, dass die anderen Feen sie bald gar nicht mehr einluden, und Viola saß traurig im großen Saal bei Violetta, die sie zu trösten versuchte.
„Komm mit mir, ich zeige dir jetzt etwas ganz Besonderes!“ Langsam gingen sie am Waldrand in den beginnenden Abend. Ein Gewitter war nieder gegangen mit einem kurzen Regenguss Nun schien die tief stehende Sonne noch einmal und hängte einen wunderschönen Regenbogen zwischen die Berge. Viola hörte plötzlich eine wundersam einschmeichelnde Melodie, viele Töne, die sich in einer herrlichen Symphonie zusammen fanden. „Das ist die Musik des Regenbogens, jede Farbe hat ihren Ton“, erklärte die Veilchenfee. „Diese Musik können nur wenige Feen hören, aber du sollst sie lernen und erkennen. Und nicht nur das, du sollst auch die Töne, die irgendwo gesungen oder gespielt werden, als Farben erkennen.“
Diese Fähigkeiten sollten das Abschiedsgeschenk der Veilchenfee an Viola sein, aber das wusste diese noch nicht. Erste war sie noch eifrig dabei, Töne zu sehen und Farben zu hören.
Eines Tages, als auf der Erde wieder der Frühling begann mit all seinen bunten Blumenfarben, rief Violetta Viola zu sich: „Mein liebes Mädchen, heute muss ich dir einmal etwas erzählen. Du bist vor langer Zeit als kleines Kind zu mir gekommen, weil deine Mutter tot war und du traurig um sie warst. Ich habe dich am Grab deiner Mutter getroffen, dort ein paar Veilchen wachsen lassen und dir ein Krüglein gegeben, mit dem du eines immer gießen solltest. Dieses ist so groß geworden, dass es dir Eintritt in mein Feenreich ermöglicht hat. Weil du ein Menschenkind bist, konntest du nicht so gut wie die anderen Feen tanzen und singen. Deshalb habe ich dir die Farben und die Musik gegeben. Nun aber bist du erwachsen und musst auf die Erde zurück, um dort glücklich zu werden. Du wirst Menschen erfreuen, trösten und glücklich machen. Sieh zu, dass auch du glücklich wirst.“ Zum Abschied schenkte die Fee Viola einen Spiegel: „Es ist ein Zauberspiegel, er führt dich zu den Menschen, die dich brauchen.“
Noch bevor der Morgen graute, machten sie sich auf den Weg. Violetta begleitete sie bis zur großen Moorwiese, die im Mondlicht so unheimlich schillerte und auf der gerade die Feen ihren neuesten Tanz einübten.
Sie kamen alle herbeigeschwebt, um sich von Viola zu verabschieden. „Wir wünschen dir viel, viel Glück und Freude im Menschenland“, sangen sie und Viola sah, wie sie in zarte, bunte Farben verschmolzen und sich auflösten.
Dann stand sie allein, in der Hand hielt sie den Zauberspiegel. Als sie hinein blickte, erkannte sie eine alte Frau, die allein und traurig an einem großen Tisch saß, vor sich einen Bogen Papier, auf dem sie was schreiben wollte. Doch ihre Augen richteten sich zum Fenster, in die Morgendämmerung. Viola fragte mitleidig: „Was suchst du, kann ich dir helfen?“ Da blickte die alte Frau sie an und erwiderte: „Ich halte Ausschau nach meinen Kindern, die alle fortgezogen sind. Ich möchte ihnen schreiben, aber das ist so schwer für mich, weil ich fast nichts sehe, und ich fühle mich so allein.“ – „Wenn ich dich finde, komme ich zu dir“, antwortete Viola und wollte gleich erproben, ob ihr der Spiegel auch den Weg weise. Plötzlich konnte sie aufsteigen und fliegen wie eine richtige Fee, und hast-du-nicht-gesehen, stand sie vor dem Häuschen der alten Frau, die sie bereits erwartet zu haben schien. Lange Zeit blieb sie dort und ließ sich von der Frau über ihre Kinder erzählen. Und die war so glücklich über den Besuch.
So erledigte Viola bereits ihre erste neue Aufgabe, zu der sie fortan immer wieder ausgesendet wurde. 
 
 
ChA 27.02.14

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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