Michael Reißig

Abkommandiert zum Karneval

„Das Hartz IV als größter Jobmotor der deutschen Geschichte sich herausgestellte, hat sich doch schon längst herumgesprochen. Ist denn eigentlich der Karneval ein ebenso wirksamer Jobmotor?“, fragte die schöne, barbusige Kommilitonin einen jungen, im Kardinalskostüm steckenden Psychologiestudenten, der sie vor ein paar Minütchen bei einer mehr als belanglosen Büttenrede versehentlich angerempelt und einen Wimpernschlag danach sogar mit ihr über Gott und die Welt geplaudert hatte, augenzwinkernd.
„Und ob! Sittenwächter, Schnaps- und Bierfabrikanten, Privatdetektive, Sittenwächter, Hochzeitsausstatter und Scheidungsrichter – die alle verdienen sich doch mit dem Karneval ihr goldenes Näschen.
„Apropo Hartz IV – da haben Sie sich explizit einen tollen Vergleich ausgedacht. Wissen Sie schon, dass die Arbeitsagenturen all die schüchternen männlichen Langzeitarbeitslosen, die - aufgrund ihrer chronisch ausgeprägten Schüchternheit - bei Vorstellungsgesprächen nicht mal mehr fähig sind, Flüsterlaute aus ihren zugenagelten Mündern sprudeln zu lassen, in den Karneval abkommandiert haben?“
„Und was sollen die da“, fragte die schöne Busi nachdenklich. Die würden doch eh nur in den Ecken hocken, Däumchen drehen oder Trübsal blasen.“
„Darf ich Sie mal fragen, welchen Job Sie derzeit machen?“
„Kein Problem! Momentan habe ich nämlich gar keinen Job.Ich studiere lediglich Psychologie, entschlüpfte es der breit lächelnden Busi im Brustton der Überzeugung.“
„Echt! Wenn das tatsächlich so wäre, müsstest du ja eigentlich wissen, dass gerade die, passende Methoden brauchen, um wieder fit für den Ersten Arbeitsmarkt zu werden. Und da wäre doch gerade der Karneval die am besten geeignetste Methode dafür. Die hübschesten Mädchen aller Funkengarden haben nämlich erst vor kurzem von den Argen den strikten Befehl erteilt bekommen, diese Gattung von Traumtänzern in ihre Fittiche zu nehmen, sagte ihr der Kardinal halb grinsend
„Und die Schüchternen werden wohl alle von denen so richtig in die Mangel genommen?“
„So muss es wohl sein. Nach den Prunksitzungen führen sie die Schweigenden in eigens dafür eingerichtete Räume. Sie ziehen sich dort blank, um diesen Schlappschwänzen endlich mal die Gelegenheit zu geben, ihre Schlaffheit zu beenden. Des Weiteren solltest du aber bedenken, dass Deutschland schon seit Langem unter diesem chronischem Fachkräftemangel leidet. Besonders in der Politik werden händeringend unschlagbare Genies gesucht. Da ihre monatlichen Diäten gerade mal um lachhafte Achthundertdreißig Euro geklettert sind, ist kaum noch jemand bereit, sich für diesen menschenunwürdigen Hungerlohn die Finger krumm zu machen. Gerade deshalb kann sich dieses Land keine Schlappschwänze mehr leisten.“
„Ich verstehe dich schon“, gab Busi, die den hochrangigen Kardinal plötzlich geduzt hatte, mit ängstlichem Augenaufschlag zu verstehen: „Da muss ich mir jetzt wohl auch solch einen schlafmützigen Typen zur Brust nehmen?“
„Das musst du absolut nicht. Es sei denn, du gehörst doch der örtlichen Funkengarde an.“
„Gehöre ich eben nicht!“, betonte die luftig Gekleidete, aus deren schrillem Schmetterlingskostüm – dank optimal geschnittener Löcher, die in die aufstrebenden Flügel dieses Schmetterlings geschmackvoll eingearbeitet waren – Männeraugen wachrüttelnde, knusprig braune Möpse mit prächtigen Nippeln, erbarmungslos hüpften.
„Das ist aber ein echter Kardinalfehler, einer, den du noch auf Schritt und Tritt bereuen könntest“, meinte der Kardinal, der so abgöttisch breit grinste wie ein blind gehorchender Penner vor dem Kolosseum in Rom.
„Für mich ist das kein Kardinalfehler. Und außerdem kannst doch eigentlich nur du  dir Fehler leisten, zumal es dir als Kardinal offiziell gestattet ist, verheerende Fettnäpfchen zu zieren, um in diese eines Tages mal hineinzutreten.
„Diese ziere ich aber nicht, denn ich will doch nur dich! Ein Kardinal bin ich übrigens auch nicht. Ich bin nämlich nur ein angehender Psychologe.“
„In welchem Fachbereich?“
„Sex und alles was dazugehört. Kuscheln und Schmusen natürlich mit inbegriffen. Aber auch für das Entschüchtern fühle ich mich zuständig.“
„Wäre ich denn dafür der ideale Typ?“
„Ich fürchte, wohl eher nicht!“, entglitt es ihr bierernst.
„Echt?“ Der Bann war gebrochen. Die beiden verzichteten explizit auf die in dieser beruflichen Sparte üblichen argwöhnischen Blicke, die aus pädagogischem Blickwinkel betrachtet die Mysterien warnender erhobener Zeigefinger unübersehbar verkörperten, und lachten sich stattdessen minutenlang in den Bauch hinein. Wahrlich kein Kardinalfehler! Oder etwa doch?
 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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