Christa Astl

Der alte Dichter




 
(aus meinen Feenmärchen)
 
Und plötzlich fand die Viola, die gute Fee doch einen Freund. Eines Abends war sich auf dem Heimweg, sie hatte diesmal die alten Menschen im Heim besucht. Da sie den lauen Abend noch ein bisschen genießen wollte, machte sie einen kleinen Umweg und schaute bei einem stattlichen Bauernhof vorbei. Es wunderte sie schon lange, dass sie dort noch nie Menschen gehört hatte, nur ein alter Mann war ihr einmal aufgefallen, der mit der Sense über der Schulter einer Wiese zuschritt.
Heute sah sie ihn auf seiner Bank unter einem alten Lindenbaum sitzen. Dieser Platz war ein Stück vom Haus entfernt und gewährte einen Blick über das ganze Tal.
Leise trat sie hinzu, sie wollte den Mann nicht stören, vielleicht schlief er? Er hatte die Augen geschlossen, die Hände im Schoß gefaltet. Doch er schien ihr Näherkommen gespürt zu haben, ja, er sah sie sogar. „Oh“ – sagte er, „ du bist hier, nimm Platz, setz dich ein wenig zu mir.“ und er rückte ein wenig zur Seite. Dankbar nahm die Fee die Einladung an. Lange saßen sie, blickten schweigend ins Tal, wo allmählich die ersten Lichter angezündet wurden. „Schöner Abend, nicht?“, nahm er das Gespräch wieder auf. „Heute habe ich gemäht, das Gras habe ich dem Nachbarn gebracht für die Kaninchen seiner Kinder, ich brauche ja nichts mehr. Ja, früher…“ er holte tief Luft, schwieg noch ein paar Sekunden, dann begann er zu erzählen.
Mit leiser Stimme, wie von tief innen heraus, kamen die Worte, verwebten sich zu Geschichten, seiner Lebensgeschichte. Aus tiefgläubigem Haus, hatte er auch jetzt im hohen Alter den Bezug zu seinem Herrgott nicht verloren. Das tägliche Gebet, der sonntägliche Gottesdienst das waren Fixpunkte in seinem Leben. Nun lebte er allein in dem großen Hof. Vor einigen Jahren war ihm die Frau gestorben, die er sehr geliebt hatte. Die Kinder waren ausgezogen, hatten ihre eigenen Familien gegründet. Er segnete ihren Entschluss und betete für deren Zukunft. Nicht mehr für seine, er erwartete nichts mehr, „…nur eine gute Sterbestunde“, wie er sagte.
Während er von seiner Frau erzählte, wurde es der Fee ganz eigen ums Herz. Obwohl er von seinem Glück, das er mit ihr geteilt hatte und in das die Kinder mit eingeschlossen waren, berichtete, von einer achtsamen, beinahe ehrfürchtigen Liebe, die ihn mit ihr verbunden hatte, wurde die Fee ganz traurig. Nie durfte sie solche Liebe erfahren, Sie konnte nicht sprechen, das Weinen war ihr nahe.
Er schien es zu merken, legte seine raue, abgearbeitete Bauernhand auf die zarte, kühle Hand der Fee, umschloss sie ganz sacht. Jedes Wort wäre an dieser Stelle überflüssig gewesen. nur diese Nähe, dieser Moment verband tief im Innersten, fühlte sich so warm und gut an. In Ewigkeit hätte die Fee so sitzen können, plötzlich musste sie an ihr liebes Mütterlein denken, das sie als kleines Kind genau so liebevoll gehalten hatte. Dann kam die Trauer, als die Mutter gestorben war. Wie gut konnte sie die Trauer dieses alten Mannes nachempfinden.
Und dann dachte sie an ihre Jahre bei der Veilchenfee, wo sie dieses Glück auch verspüren durfte… Doch alles war vorbei, lange vergangen. Jahre in einer Fremde, einer anderen Welt, die sie zwar wieder verlassen musste, die aber in ihrem Herzen Heimat geworden war.
Als der Mann sie so hielt, begann dieses Heimatgefühl wieder in ihr wach zu werden. Durfte sie ihm davon erzählen? Vielleicht gelang es ihr, Violetta zu fragen, - gleich wenn sie heimkam zu ihrem Zauberspiegel, wollte sie versuchen, die Fee zu erreichen.
Aber noch war sie da, saß an der Seite dieses Alten, entzog ihm ihre Hand noch nicht. Sie sprachen noch dies und das, warteten bis die Sterne am Himmel standen. Da sagte die Fee: „Jeder Mensch hat hier seinen Stern, wenn er stirbt, leuchtet sein Stern ganz hell auf…“ Es war ein schöner Gedanke, der auch ihm wohl gefiel. Beider Gedanken weilten bei den Sternen, die ihre Botschaft empfingen und diese weitergeben sollten, vielleicht an ferne Lebende, die auch gerade zu den Sternen empor schauten.
Dann erwachte der kühle Nachtwind, der alte Mann ging in seine Stube, und die Fee flog rasch in ihr verborgenes Häuschen. „Komm wieder, bitte“, waren seine Abschiedsworte.
Leider sah sie die Veilchenfee nicht in ihrem Spiegel, so sehr sie ihn auch putzte und polierte. Konnte sie damit nur Menschen finden, und auch da nur solche, die Hilfe brauchten?
Ob der alte Mann ihr Rat und Antwort geben könnte? Er wusste so vieles, kannte und liebte wie sie den Wald, sprach mit den Bäumen, wie er ihr erzählte. In manchem erinnerte er sie sogar an die Fee Violetta. Als käme auch er aus einer anderen Welt, oder als hätte auch er zeitweise Einblick in diese Welt gehabt.
Wie sie später erfuhr, schrieb er Gedichte, hin und wieder durfte sie eines lesen und war von so viel Seelentiefe jedes Mal beeindruckt. Als ob er ihre eigenen Gedanken aufs Papier gebracht hätte! War er es, der ihr die Worte in den Zauberspiegel geschrieben hatte? – Sie würde ihn nicht fragen, nein, er würde es ihr aber sicher einmal gestehen.
Noch war sie nur glücklich, wenn sie an diesen Abend zurück dachte.
Oft besuchte sie nun den alten Mann, schaute was er gerade tat, machte sich aber nur bemerkbar, wenn sie sah, dass er Zeit hatte. Als sie nun so viel Vertrauen gefasst hatte und von ihrem Leben im Feenland berichtete, war er gar nicht erstaunt, sondern meinte: „Das habe ich mir fast so gedacht. Du bist anders als die Menschen, deshalb mag ich dich besonders.“ Sie umarmte ihn ganz zart nach Feenart, er konnte sie spüren. „Danke für deinen Besuch, es ist so schön, wenn du bei mir bist“, sagte er bei jedem Abschied. „Und komm bald wieder, bitte“
 
 
ChA 05.03.14

 
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Christa Astl).
Der Beitrag wurde von Christa Astl auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Christa Astl

  Christa Astl als Lieblingsautorin markieren

Buch von Christa Astl:

cover

Sie folgten dem Weihnachtsstern: Geschichten zu meinen Krippenfiguren von Christa Astl



Weihnachten, Advent, die Zeit der Stille, der frühen Dunkelheit, wo Menschen gerne beisammen sitzen und sich auch heute noch Zeit nehmen können, sich zu besinnen, zu erinnern. Tirol ist ein Land, in dem die Krippentradition noch hoch gehalten wird. Ich habe meine Krippe selber gebaut und auch die Figuren selber gefertigt. So habe ich mir auch die Geschichten, wie jede wohl zur Krippe gefunden hat, dazu erdacht.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (3)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fantasy" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Christa Astl

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Märchenhaftes Kennenlernen von Christa Astl (Zwischenmenschliches)
Die Zauberblume von Joachim Garcorz (Fantasy)
EINSAMKEIT von Christine Wolny (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen