Marianne Kardinal

Die verreiste Socke, die durch ihre Reise sehr weise wurde

Socken und Strümpfe waren mir noch nie geheuer, nicht nur, dass sie manchmal mehr über den Träger verraten, als diesem lieb sein dürfte, nein ich vermutete schon immer, dass ihr plötzliches Verschwinden und wieder Auftauchen einen tieferen Sinn haben dürfte. Wir Sockenbesitzer glaubten nämlich, dass Socken verschwinden, weil sie zum Beispiel unachtsam in die Wäsche geworfen wurden und sich dabei in das Innere eines Kissenbezuges verhedderten, um dann erst wieder nach Jahren aufzutauchen, wenn man den Kissenbezug wegschmeißen wollte. Aber dem ist nicht so! Socken treten für gewöhnlich als Paare auf, und was tun Paare, wenn sie sich beim besten Willen nicht mehr riechen können? Na? Einer von ihnen verduftet für eine Weile, um sich eine Auszeit zu gönnen. Der rechte Socke  ist normalerweise männlich und hat eine stärkere Tendenz zum ausschweifenden Lebenswandel als die linke Socke, die sich schnell an den Träger gewöhnt und diesem auch gerne treu bleibt. So geschehen auch bei dem Sockenpaar Susi und Peter Ärge. Ihre Besitzerin hatte eine Vorliebe zu hellrosa. Susi, die linke Socke war ganz zufrieden über diesen Sachverhalt, eine weiblichere Farbe gab es kaum, naja, hellgelb vielleicht. Bei Peter sah die Lage etwas ungünstiger aus! Er war heimlich neidisch auf seine dunkelfarbigen Genossen und schwor sich eines Tages Mark und Bein, irgendwie zu einem männlicheren Aussehen zu gelangen.   

Nun geschah es, dass Mathilda, die Dame mit dem Rosatick und Trägerin von Susi und Peter, eines Tages ins Fitnesscenter ging, um sich in einem pinken Sportdress gewandet dem allgemein geltenden Schönheitsideal von einer Traumfigur mehr anzunähern, wenn vielleicht auch nur im mathematischen Sinne. Denn bei ihrer Figur mußte sie unendlich viel radeln um dem unendlich weiten Weg dahin zu schaffen, das war eine unendliche Folge von Fitnessgeräten, für deren Training sie ungefähr 95 werden müßte...naja, das ist aber eine andere Geschichte. Jedenfalls streifte sie sich zu diesem Zwecke Susi und Peter von den Füßen und die Sportsocken wieder drüber und ließ das Paar unbeaufsichtigt in der Umkleidekabine liegen.

Wenn Socken unbeobachtet sind, treiben sie die tollsten Sachen. Susi zum Beispiel beäugte heimlich den Nachbarssocken, einen schwarz weiß gestreiften Genossen, bei dessen Anblick sie noch eine Spur mehr an Rosa zulegte und heftig transpirierte. Peter beobachtete die Situation mit begründetem Argwohn und begann vor lauter Ärger noch mehr zu riechen als gewöhnlich. “Hallo”, hauchte unterdessen Susi völlig ungeniert zum schwarzweißen Sockentiger. “Ganz schön heiß heute!” erwiderte dieser. “Ja, für gewöhnlich sind wir zu dieser Jahreszeit auch mehr in der kühlen Wohnung.” Susi kringelte sich in sexy Sockenpose auf ihrem Platz, während Peter sich beleidigt und blass hell rosa in die Ecke drückte. “Meine Frau ist heute sehr erschöpft”, antwortete der Nachbar mit Namen Uwe, “sie liegt nur schlapp in der Tasche und will gar nicht rauskommen.” Manchmal glaube ich, sie macht es nicht mehr lange, sie ist an manchen Stellen ausgesprochen dünn. Ich sage ihr immer, sie soll sich nicht so aufreiben. Das tut ihr nicht gut!” “Oh wie schade, ich hätte sie gerne kennen gelernt, ihre Frau!” heuchelte Susi. “Mein Mann ist auch zur Zeit seelisch etwas angeschlagen, ich denke er hat die Midlife-Crisis. Er denkt, als rosa Socke ist er nicht so richtig männlich, sie verstehen, was ich meine?” “Oh nur zu gut!” Peter schmollte unverhohlen. “Ist das ihr Mann?” meinte der Nachbar. “Ja,” brummte Peter aus seiner Ecke, “lassen Sie sich von mir nur nicht stören bei ihrem interessanten Gespräch. Ich kann auch gut alleine hier vor mich hin grübeln und stinken, während Sie meiner Frau den Hof machen!” “Na, erlauben sie mal, Frechheit!” erwiderte der Gekringelte und wandte sich sodann verärgert um, wurde aber sofort von einer hellgrünen Spitzensöckchendame auf der gegenüberliegenden Seite auf charmanteste Weise im grantig sein  unterbrochen.

“Wie kommst Du dazu, so über mich zu sprechen!” schimpfte Peter. “Midlifecrisis, ha, dass ich nicht lache! Wer jammert denn den ganzen Tag über seine Falten und dünnen Stellen! Das bist doch Du! Na und stell Du Dir mal vor, Du wärst grau und nicht rosa, da möchte ich Dich mal erleben. Aber Empathie und Sensibilität war ja wohl noch nie Deine Stärke!” “Und Du, Du wirst immer stinkiger. Wenn ich mich an Dich kuscheln will, hast Du nur Deine Farbe im Kopf, als würde das irgend jemanden stören!” ”Ja, und deshalb musst Du gleich mit diesem gekringelten Lackaffen rumflirten, diesem Seelentröster! So ein unverschämter Kerl, seine Frau beachtet er gar nicht, und den anderen macht er schöne Augen. Aber na warte, Du wirst noch an mich denken!”

Peter mupfte (das ist eine Art raupenförmiger Fortbewegung unbeaufsichtigter Socken) daraufhin zu der gekringelten, weiblichen dünnhäutigen Socke, welche wie vorher vom Ehegatten erwähnt, nur immer schlapp in der Tasche hängt. “Hallo gnädige Frau, entschuldigen Sie bitte meine Neugierde. Aber wie kommt es, dass so eine attraktive Söckin wie Sie sich nicht an der Unterhaltung beteiligt? Ich meine, es bietet sich ja nicht oft so eine schöne Gelegenheit, sich in unserer Zunft auszutauschen.” ”Ach Sie finden mich attraktiv? Ich denke immer, ich bin an manchen Stellen viel zu dünn und hätte gerne ein etwas feminineres Aussehen, und nicht diese sportlichen Kringel. Aber was soll ich machen? Ich meine genauso gut könnten Sie sich darüber beschweren, dass Sie rosarot sind!” ”Oh gnädige Frau, das habe ich schon so oft gemacht, aber es nützt ja nichts!” Susi, die mit sehr viel Argwohn die Untriebigkeit von Peter beobachtet hatte, mupfte nun, neugierig geworden, zu den beiden über die Umkleidebank, um sich irgendwie an der Unterhaltung zu beteiligen. Der gekringelte Ehegatte indessen kümmerte sich nur um das hellgrüne Söckchen gegenüber. “Glauben Sie mir, wenn es die Möglichkeit einer Geschlechtsumwandlung oder Farbveränderung gäbe, ich würde sie sofort durchführen lassen!” schnappte Susi Peters Worte auf. Sie war schockiert. Dass es soweit mit ihm her sein würde, hatte sie echt nicht vermutet. “Deswegen läuft nichts mehr!” kam es ihr in den Sinn. (Ja auch Socken lieben sich körperlich. Sie kringeln sich ganz toll ineinander und transpirieren fürchterlich dabei. Am besten danach waschen!) ”Oh Sie Armer. Aber ich kenne da jemanden, der kann das. Er  trennt sie vorsichtig auf, und strickt dann die große Zehe rechts oder links, wie Sie wollen!” “Oh, wie heißt derjenige?” “Es ist ein kleiner Plärrzwerg und er wohnt in der Nähe einer großen Strickerei im Zentrum in einem Ding, das aussieht wie ein Feuerhydrant. Das ist natürlich nur Tarnung, damit er nicht entdeckt wird. Sie wissen ja, seit der Zivilisation haben es die Kobolde und Zwerge nicht mehr so leicht. Niemand glaubt an sie, aber es gibt sie trotzdem noch – deswegen bewohnen sie oft für sie ganz ungewöhliche Dinge!” “Macht er auch Farbveränderungen, das wäre eventuell etwas weniger radikal und schmerzlich?” “Genauso, aber sie müssen erst mal hinkommen, das scheint die für mich größte Hürde zu sein. Aber ich habe eine Idee! Klettern Sie heimlich in unsere Tasche, wir wohnen quasi ums Eck!” “Peter, untersteh Dich!” plärrte Susi dazwischen.”Wenn Du das machst, sind wir getrennte Socken!”  Peter fuhr erschrocken herum. “Jetzt kommt es also schon so weit, dass Du mich heimlich belauschst! Du flirtest wie eine zu heiß gewaschene Strumpfhose mit all den Socken herum, die hier herumliegen, aber wenn ich meiner seelischen Not Abhilfe verschaffen will, indem ich mich nur umfärben lassen will, kannst Du das nicht verstehen. Ich fühle mich einfach nicht wohl als rosa Söckerich, quasi weiblich, verstehst Du denn das kein bisschen?” “Na, Du redest ja Tag und Nacht davon! Aber bitte, bitte, wenn es Dich so zu diesem Plärrzwerg hinzieht, dann gehe ich eben morgen zu Herrn Doktor Winterschuh und beantrage die Scheidung. Ich kann mir ein Leben mit einem schwarzgefärbten Socken nicht vorstellen! Das ist, wie wenn ich Puszta Salat will, und dann einen Grießbrei bekomme!” “Oh, ich fühle mich schon lange als Grießbrei!” Peter schlüpfte in die Tasche des gekringelten Sockenpaares, und war ganz entschieden zu wirklich allem bereit. Man hörte ein wenig Gerede vom Gang und augenblicklich verstummten die söckischen Aktivitäten in der Umkleidekabine. Jeder der wolligen Artgenossen suchte sofort seinen Platz, wie vom Besitzer verlassen geglaubt, wieder einzunehmen, alle, bis auf Peter. Der blieb stur in der fremden Tasche und wartete gespannt der Dinge, die da wohl noch kommen würden. Man hörte Mathilda, seine Besitzerin, stöhnen. “Also dieses neue Trainingsprogramm kostet mich wirklich sehr viel Disziplin. Ich habe mir schon ernsthaft überlegt, ob ich mir nicht für eine Weile diesen Bauchweggürtel anschaffe. Ich bleich zu Hause, gucke fern, und werde ohne diese Quälerei schlank bei einer großen Tüte Chips!” “Na,” meinte der Ringelsockenbesitzer, “ich verstehe diesen Schlankwahn eh nicht so recht. Ein paar weibliche Kurven schaden Ihnen doch nicht. Ganz im Gegenteil, sie betonen eher noch Ihren Typ. Sie sind ein Typ Torten-Frau, entschuldigen Sie den Vergleich, aber sie erinnern mich an ein Stück Sachertorte, das ich mal in Wien gesehen und dann auch vernascht habe. Jede Schicht war ein Genuss, und es wäre zu schade gewesen, hätte eine gefehlt!”  Die Tür ging auf und Mathilda, leicht rosarot im Gesicht mit einer Spur rot auf den Wangen kam lächelnd zu ihrer Tasche. Der Ringelsockenbesitzer wechselte geschwind Schuhe und Socken, um ja nicht den Faden seiner Flirtkunst zu verlieren, während Mathilda nur einen rosa Socken fand. 'Verflixt, wo ist denn  der zweite Socke hin?', dachte sie und guckte ein wenig verärgert. “Sind Sie ungehalten über mein Kompliment?”, fragte Herr Ringelsockenbesitzer, der ihren veränderten Gesichtsausdruck sofort wahrnahm. “Nein, iwo, ich suche nur meine zweite Socke, sie ist einfach und rosa. Ich habe sie bestimmt hierhin gelegt!”, antwortete Mathilda. “Oh, ich denke, die hat bestimmt niemand geklaut, was täte er denn damit!” “Ja dann muss ich wohl meine Sportsocken anbehalten.” “Och, wissen Sie was, ich lade Sie zum Trost zu einem Kaffee ein, und dann gehen wir unten in den Textildiscount und kaufen Ihnen zehn Paar eben solche rosa Socken. Dann behalten Sie die alte quasi als Ersatz!” “Oh, das ist ja süß!” Mathilda war hocherfreut. 'Ha, was für ein Mann!', dachte sie und warf sich schwungvoll ihren Sportbag über die Schulter.

In der Tasche des Ringelsockenbesitzers ging es währenddessen hoch her. “Wie kommen Sie dazu einfach in unsere Tasche zu schlüpfen!”, rief entrüstet die rechte männliche Socke der eben ausgezogenen verschwitzten Sportsocken. “Ein Skandal, sie verlassen einfach mal so ihre Frau! Haben Sie denn gar kein schlechtes Gewissen?” “Na, seien Sie mal einen Tag mit der zusammen. Dann reicht es Ihnen aber gewaltig! Die flirtete so ungeniert mit Ihrem gekringelten Genossen, dass sich einem der Magen umdrehte. Wobei, das ist ja einer, der macht sich ja an jede ran!” “Wie sein Träger!”, meinte die Ehefrau der Sportsocke. “Na, na, der ist eben alleine, was soll er denn anstellen der arme Kerl. Ist ja heute echt nicht mehr einfach. Alle wollen nur superdurchtrainierte Kerle mit einem Mercedes, einem fetten Bankkonto und am besten noch mit akademischen Titel!” ließ sich Herr Sportsocke vernehmen. “Und wo wollen Sie denn jetzt hin?” fragte Frau Sportsocke. “Ich will zu dem Plärrzwerg, der die Socken umwandelt in der Nähe der Strickerei beim Feuerhydranten!”, antwortete Peter. “Das glauben Sie?”, lachten die Sportsocken. Und Frau Sportsocke meinte amüsiert: “Heutzutage schmeißt man uns weg, und fertig. Diese Plärrzwergengeschichte ist eine Erfindung von Anneliese, die schon ziemlich schnell auf ihr Ende zusteuert. Wenn Sie Glück hat landet sie als Füllung in einem Kissenbezug, oder endet gar als Keilriemen. Sie hat die Geschichte erfunden, um ihr bevorstehendes Ende möglichst zu verdrängen, dieses arme Ding. Ihr Mann hat es auch nicht so leicht. Warum meinen Sie, dass er flirtet, was das Zeug hält? Ihr Ende ist zugleich auch seines. Außer er kommt zu einer einzelnen weiblichen Socke seines Aussehens!” “Dann ist alles umsonst?” Peter war verzweifelt. Er grub sich ganz tief ins hinter linke Eck der Sporttasche und bekam auf einmal echt Sehnsucht nach Susi. 'Sie hat ja recht. Tag und Nacht habe ich nur über meine Farbe lamentiert. Ich meine warum wollte ich denn immer anders sein? Ich sehe doch ganz passabel aus! Wenn ich mich so recht betrachte. Jeder sollte erst mal mit dem zufrieden sein, was er hat. Ich bin schon wie meine Besitzerin. Die denkt auch nur superdürr ist angesagt. Derweil hat sie echt eine sehr lustige Art, das würde zu so einem ausgemergelten Hungerhaken gar nicht passen! Aber halt mal, meine Besitzerin! Geht sie nicht gerade mit diesem Ringelsockenbesitzer zum Café hier im Fitnesscenter? Na dann besteht ja noch Hoffnung, dass ich zu Susi zurückkehre und wir uns aussprechen. Vielleicht hilft ja eine Ehetherapie?'

Unterdessen fragte der Ringelsockenbesitzer, mit Namen Toni, Mathilda seine sportliche, wenn auch mollige Begleitung:”Na, wo wollen Sie denn sitzen? Lieber am Fenster oder in der Mitte?” “Oh, ich bevorzuge das Fenster.” “Hm, wir haben uns noch gar nicht einander vorgestellt, ich bin der Toni, genaugenommen, Anton Neuhauser, und Sie haben doch sicher auch einen Namen?” “Ja, ich heiße Mathilda, also Mathilda Knister.” Sie  nahm etwas verlegen Platz. Hatte das Gespräch vorhin noch so gut begonnen, irgendwie konnte Sie es nicht fortsetzen. Sobald sie mit einem Mann mehr als nur drei Worte wechseln sollte, stellte sich bei ihr so eine Art Schüchternheit ein, welche die meisten Männer abschreckte. Nicht so aber Anton, oder besser gesagt Toni. Ihn spornte das noch mehr an von Mathilda die erste Schüchternheitschicht sozuagen abzuknabbern um dahinter an die etwas aufregenderen Schichten zu gelangen. Gewitzt fing er an ihren Namen zu analysieren. “Also Knister, was für ein Zufall das doch ist! Knister wie knistern, das gefällt mir, wahrscheinlich sind Sie schon so ein rechtes Knistermäuschen!” In der Sporttasche unterdessen waren die drei Socken Zeugen der heftigen Flirtversuche. “Der geht aber ran, wie seine Ringelsocke. Die Ärmste hat ja noch nicht einmal bestellt!” meinte Peter, der des Rosa müden Socke.”Da wundert einen ja nichts mehr!”

“Was wollen Sie denn bestellen,” ging derweil draußen das Gespräch weiter. Mathilda hätte am liebsten ihr Gesicht in ein Stück Torte gesteckt, um ihre aufsteigende Röte irgendwie ein bisschen zu verbergen, beherrschte sich aber und verlangte ganz entgegen Ihrer Gewohnheiten nach einem Prosecco Aperol, obwohl sie danach wahrscheinlich gleich einen sitzen haben würde. “Ja was für eine Idee. Die Farbe passt zu Ihnen, dann nehmen wir doch gleich zwei davon!” Anton bestellte gut gelaunt bei der superdürren Bedienung die Getränke. “Na die erste Frage ist doch immer, was machen Sie denn so außer Fitness, liebes Knisterfräulein?” “Ich bin von Beruf Kindergärtnerin in einem heilpädagogischen Kindergarten!” “Oh das klingt aber sehr interessant, aber ist wahrscheinlich ziemlich anstrengend!” “Ja, man gewöhnt sich daran, aber ich liebe Kinder über alles. Muss mich aber ständig fit halten!””Kann ich bei Ihnen gleich kassieren, ich übergebe dann nämlich an den Kollegen?”, unterbrach die Bedienung die etwas lähmende Unterhaltung. “Selbstverständlich!”, antwortete Anton, und gab gönnerhaft viel zu viel Trinkgeld.”Danke!”, freute sich diese und stakselte davon. Neidisch schaute Mathilda auf den schlanken Kellnerinnenpopo in dem knallengen Pencilskirt. Sie nippte von dem etwas zu bitteren Aperol-Spritz und wartete auf den nächsten Kommunikationspunkt wie ein Auto vor der Ampel. “Meine Exfrau  war ganz süchtig auf Aperol und auf alles Spritzige. Sie hat mich vor fünf Jahren wegen einer jüngeren Ausgabe verlassen”, beichtete Anton. “Oh, normalerweise ist das doch eher umgekehrt, das tun doch für gewöhnlich  immer die Männer!” Mathilda war sehr froh, dass sie wenigstens etwas Mitgefühl beisteuern konnte, denn ihr Ex, das ist zwar schon sehr lange her, hatte umgekehrt das gleiche mit ihr gemacht. 'Ich bin noch nicht bereit, ihm davon zu erzählen, ich kenne ihn zu kurz', dachte sie insgeheim. “Ja, ja, dieser Bursche war so jung, sie hat ihn in einer Diskothek aufgerissen bei diesem lateinamerikanischen Tanz auf den alle verrückt sind, na wie heißt er denn gleich...””Äh Sie meinen bestimmt Salsa?” “Ja, genau der. Stellen Sie sich vor, dieser Typ hatte damals nicht einmal ein Auto! Er hat dann seine Mutter angerufen, damit sie ihn mitten in der Nacht vom Tanzen abholt! Man hat ihm damals den Führerschein abgenommen, weil er stinkbesoffen mit seinem Wagen in den Straßengraben gelandet war!” “Und mit diesem Burschen ist sie nun zusammen?” “Ja, immer noch, eigene Kinder wollte sie nicht!” Mathilda begann zu lächeln und musste innerlich zugeben, dass ihr die Unterhaltung gefiel. 'So ein weltoffener Mensch und so heiter! Trotz seiner Geschichte. Ich war damals fix und alle, habe gleich mal 20 Pfund und mir einen Tick nach dem anderen zugelegt. Am schlimmsten die ewigen Telefonate mit diesen Wahrsagern, ob er wieder kommen würde, dann die Therapeuten die mich von der Heilersucht heilten, dann die Bücher, die mir neuen Lebensmut geben sollten und am Schluss die Kaufsucht. Bin jetzt noch Discounter-Opfer!'”Aber Sie, Sie sind so erfrischend anders. Ich mag das. Kein bisschen zu dürr. Ich denke auch, dass Sie nichts dagegen haben, wenn ein in die Jahre gekommener Mann ein bisschen was vorne hat, also eher einen Waschbärenbauch hat, und keinen Waschbrettbauch?” “Och, wissen Sie, so genau habe ich das noch gar nicht analysiert!” “Analysiert, wie süß!”...Toni war immer begeisterter, falls es das gab.
 
Die Socken in der Sporttasche belauschten belustigt die Unterhaltung. Sie waren damals noch nicht gestrickt, als besagte Exfrau Anton auf so peinliche Art verlassen hatte. “Na das erklärt so manches!”, meinte die naseweise Sportsöckin. “Diese Jungsucht bringt die komischsten  Blüten hervor. Das sieht man ja auch bei unserem Ringelsockenpärchen. Anneliese wird immer älter und unser Ringelsöckerich Uwe bandelt mit allen an, die nicht bei eins, zwei, drei über den Füßen sind!” (Anmerkung des sockenkundigen Verfassers: Das ist das gleiche bei den Socken, wie bei uns “bei eins zwei drei  auf den Bäumen!”.) Peter schluckte. Er wollte nach Hause. Er wollte zu Susi, zu ihr auf Knien hinmupfen, und um Verzeihung bitten. 'Wir sind alle nur Opfer unserer Ängste, aber wenn wir einmal so richtig dünne sind, wie Anneliese, ich glaube, dann erkennt man erst den Sinn in allem. Sie hält selbst jetzt noch zu Uwe, denn sie weiß, sie geht und er geht dann wahrscheinlich mit ihr. Irgendwohin...um dann als neue Socke wiedergeboren zu werden. Oder gar als Decke? Gar nicht auszudenken. Ein rosa Flicken in einer Decke, unter der ein junger, besoffener Discobesucher einem nicht mehr ganz so jungen Ringelsockenbesitzer die ebenso alte wie Prosecco-süchtige Frau ausspannt. Was für eine verrückte Welt das doch ist? Und am Ende sterben wir alle, egal ob rosa, gekringelt oder pummelig!'
 
Mathilda begann ein wenig der Kopf zu schwirren, der Aperol-Spritz begann zu wirken. `Ich denke, ich sollte mich verabschieden, bevor ich verbal auf`das  Glatteis gelange!’, kam es ihr in den Sinn. Reden traute Sie sich nicht, da sie Angst hatte wie Zarah Leander zu lallen, nur wirkte es bei ihr nicht so göttlich. Sie griff zu dem altbekannten Trick mit der Uhr, schaute auf ihr Handgelenk und meinte mit aller Beherrschung: “Oh schon so spät! Ich wollte noch meine kranke Mutter besuchen!”  “Aber, äh”, meinte Toni, “Sie tragen ja gar keine Uhr!” “Ach ja, äh, trotzdem!” erwiderte Mathilda, die verdutzt auf das tatsächlich leere Handgelenk stierte. “Könnten wir uns nicht wiedersehen?”, fragte Toni. “Ja, rufen Sie mich einfach an, hier ist meine Karte .“Doch sie reichte ihm vor lauter Verlegenheit und Dusseligkeit die Karte einer bekannten Kosmetikfirma. “Also, dann, tschüs mein Lieber!” Sie machte sich schnell  auf und davon, bevor Toni die falsche Visitenkarte registrierte. “Puh!”, meinte Sie vor der Türe, “was für ein Tag.”
 
Zu Hause angekommen, warf Mathilda erst einmal Ihre Sporttasche in die Garderobe. Susi spürte wie üblich ein flaues Gefühl in der Magengrube, wenn Sie als Tascheninhalt in so einem Bogen durch die Luft flog. Socken wird auch schlecht. Mathilda wankte ins Wohnzimmer, warf sich auf die Couch und nickte als Folge von Sport und Alkohol sofort ein. In der Stille des Wohnungsflures hörte man nur ein leises Wimmern von der Garderobe. Susi hatte sich ins Eck der Tasche verkrochen und weinte. Sie vermisste Peter so sehr, dass ihr die Worte fehlten. Ihr ganzer Tränenvorrat war schon aufgebraucht und tropfte durch eine Ecke der Tasche auf den Dielenboden.
 
Toni träumte vor sich hin. ‚So ein süßer Käfer‘, dachte er bei sich. ‚Ich muss nur noch die Nummer rausfinden und irgendeinen Vorwand, damit ich sie bald anrufen kann. Er fuhr seinen schicken blauen Volvo in die Tiefgarage und schlenderte mit seiner Sporttasche, die er übermütig wie ein kleiner Junge hin- und her schleuderte, zum Lift. Im Inneren seiner Tasche wurde den drei Socken immer übler. „Wie ich das hasse!“ Meinte der männliche Sportsocke. „Erst hüpft man mit uns eine Stunde im Fitnesscenter auf und ab und zu allem Überfluss schlenkert der verliebte Casanova uns noch durch die Luft wie auf der Achterbahn. Ich glaub, wenn der nicht sofort aufhört, kotze ich in seine Edeltasche!“ „Oh ja,“ meinte seine Frau, „ein Wunder wenn nicht!“-Aber Gott sei Dank stellte Toni die Tasche schon in seinem Bad ab um seine verschwitzten Sachen sofort in die Waschmaschine zu stopfen. Er öffnetet die Tasche und griff nach seinen vertrauten Sportsocken, seinem Handtuch, dem Sweater und – äh -  da war noch was weiches drin, er zog daran und hielt den rosa Socken von Mathilda in der Hand – den ausgebüxten Peter Ärge, der sich jämmerlich fühlend in Tonis Hand baumelnd seinem Schicksal ergab. „Dich schickt der Himmel!“ meinte Toni begeistert über seinen Fund. „Ich muss sofort die Nummer von Mathilda Knister rausfinden!“ Wenig später saß er schon vor dem Computer und suchte im Telefonsuchdienst nach Mathilda Knister aus Z.. Ah ja, es gab nur eine, das war ja klar bei dem Namen. ‚Noch besser ich fahr zu ihr und werfe den Socken mit meiner Nummer in den Briefkasten. Die Adresse ist ja dabei!‘ Gesagt getan, und schon stand er wenig später vor Mathilda‘s Türe, er wollte gerade den Briefkastenschlitz aufmachen, der in der Wohnungstüre eingesägt war, als plötzlich die Tür aufging und Mathilda freudig erschreckt über Tonis Anblick stammelte, „Äh, ich wartete auf eine Büchersendung, über äh…“ „Dein vermisster Socken, tu ihn am besten gleich zum anderen! Wenn das kein Zeichen ist, Fräulein Knister!“ meinte Toni….Naja und so kommt es, warum Socken manchmal auf unerklärliche Weise verschwinden und wieder auftauchen und sogar zum Ehestifter werden können, auch wenn sie rosa sind! 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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