Oliver Pleisse

Gruppendynamik

Recherche zum Thema „Gruppendynamische Prozesse“
 
Hallo, erst mal. Ich heiße Olli P. studiere Psychologie in Hannover und bin dabei Recherchen für meine Masterarbeit zu betreiben. Meine Kumpels spielen in ihrer Heimatstadt M. in der Lüneburger Heide hobbymäßig Handball. Da sie drei mal hintereinander aufgestiegen sind und jetzt in der Landesliga spielen, dachte ich die Gruppe einer Sportmannschaft im Freizeitbereich bezüglich meines Themas zu analysieren. Das könnte interessant werden.
 
Dazu finde ich mich zu einem Heimspiel in der städtischen Sporthalle ein, um einmal das Feeling der Fans wärend eines Spiels zu beobachten. Es ist 10 Minuten vor dem Anpfiff während ich die Tribüne betrete. Eine resolute Kassiererin nimmt mir 3 € Eintritt ab und rüstet mich aus einem Abrissblock mit einer Eintrittskarte aus. Die gegnerischen Mannschaften wärmen sich noch auf und versuchen sich gegenseitig Stärke zu zeigen. Auf der Zuschauertribüne befinden sich nur wenige Zuschauer. Eine sitzende Gruppe von Frauen mittleren Alters klönt über dies und das, wahrscheinlich die Muddis. Ein älterer Herr baut einen kleinen Verkaufstand auf und verkauft nebenbei Bier, Getränke und Süßigkeiten. Ein paar andere  ältere Herren, alle ergraut bzw. haarlos stehen vor dem Verkaufstand und begrüßen sich.
 
Die Mannschaften ziehen sich in ihre Gemächer zurück, wahrscheinlich um sich umzuziehen und die letzten Absprachen vor dem Spiel zu tätigen.
5 Minuten vor dem Anpfiff bildet sich eine lange Schlange bei der resoluten Kassiererin. Im Hintergrund taucht ein Pulk von Fans mit Trommel, Fahne und lautem Gejohle auf. Der Zuschauerraum füllt sich mehr und mehr. Die Zuschauer sitzen dicht gedrängt. Hinter den Sitzplätzen postieren sich die Herren in Grau inzwischen mit einer Flasche Bier in der Hand. Der ältere Herr am Verkaufsstand maßregelt einen Jugendlichen an ihm kein Bier zu verkaufen. Wortfetzen“ , wie…….Sondergenehmigung….. nur Erwachsene…..“dringen an mein Ohr. Es wird lauter in der Halle. Ein Hallensprecher meldet sich, es wird Musik gespielt. Die heimische Mannschaft läuft ein, stellt sich in einer Reihe mit dem Gesicht zum Publikum auf und begrüßt es . Jeder Spieler wird mit Nummer und Namen vorgestellt. Das Publikum klatscht.  Auch die gegnerische Mannschaft wird vorgestellt. Jede Mannschaft stellt sich im Kreis auf und brüllt einen unverständlichen Schlachtruf aus. Der Anpfiff, es geht los. Zwei meiner Kumpels stehen mit in der ersten Auswahl. Ich bin gespannt, was passieren wird. Ich habe nur wenig Ahnung von dem Spiel, obwohl ich im Studentensport auch schon mal Handball gespielt habe. Der Gegner hat bereits ein Tor gemacht, die hiesige leider nur einen unverwirklichten Fehlwurf.
Die „Muddis“ werden aktiv und fangen vehementer an zu klatschen und fordern auch ihre Sitznachbarn dazu auf. Die Trommler machen Radau und brüllen unflehtige Sprüche gegen den Gegner. Die grauen Herren schütteln in Richtung der „ Pauker“  mit dem Kopf und nennen sie Hooligans. Na, ja bisschen übertrieben. Ich habe bei 96 schon mal richtige Hooligans erlebt. Das geht etwas anders ab. Das erste Tor der Heimischen fällt und wird mit Beifall geehrt. Die Grauen würdigen mit verstohlenem „na,ja…“. Ein paar Jugendliche machen mit rhytmischem Klatschen Stimmung. Die Muddis versuchen mehr oder weniger mitzurhytmieren. Auf der Spielfläche wird gekämpft, die einen versuchen den Kasten dicht zu halten. Die anderen werfen sich in mehr oder weniger gekonnten Spielzügen in steigender Geschwindigkeit die Bälle zu, um letztendlich irgendwo in der menschlichen Mauer eine Lücke zu finden, um zum Abschluss zu kommen. Ein Spieler macht einen gekonnten Trickwurf in Bodennähe und trifft. Die Menge klatscht, brüllt schöööön…die Muddis freuen sich, die Grauen bewerten  „…das macht er immer gut…“. Auch die Gegner ziehen nach. Es steht wieder unentschieden. Ich habe das Gefühl, dass die hiesige Mannschaft noch nicht richtig im Spiel ist, aber ansonsten kraftvoller und spielerisch interessanter agiert. Die Muddis fordern die Angriffe wieder mit Klatschen zu begleiten.  Man stimmt mit ein. Die grauen Herren reden hinter mir unaufhaltsam fachchinesisch. Na , die scheinen ja Ahnung zu haben.
 
Ein Spieler kauft einem Gegenerischen den Ball aus dem Lauf ab, läuft rüber und wirft ein Kontertor. Die Menge ist wieder begeistert, klatscht, johlt und die Muddis in hohen Tönen dazu. Auch der Trickwerfer macht wieder so ein Tor wie schon vorhin. Leider schläft auch der Gegner nicht und nimmt seine Verfahrensweise sehr wohl wahr. Oh ha, spätestens jetzt wird der Gegner den Trickwerfer bremsen wollen. Es dauert auch nicht lange, schon ist es passiert. Der Trickwerfer wird entsprechend behindert und  wirft daneben. Der Trainer greift das offensichtlich auf und fordert den Trickwerfer zur Disziplin. Die Grauen kommentieren wieder im Fachchinesisch. Ein Grauer fängt jetzt an zu referieren, ich nenne ihn mal den Hauptsachverständigen „HS“. Die anderen Grauen kommen gar nicht mehr zu Wort. Ich versuche das Fachchinesisch zu verstehen. Der HS gibt sich analysierend und wird merklich lauter. Es gelingt mir nicht wegzuhören. Der HS hat offensichtlich Trainererfahrung nach seinen Verlautbarungen. Wortfetzen wie…wenn ich Trainer wäre, würde ich das alles anders machen…… Inzwischen hat sich die heimische Mannschaft einen zwei-Tore- Vorsprung erarbeitet.
 
Die Trommler trommeln, Muddis klatschen wie wild, Jedes Tor wird mit einem kräftigen Applaus belohnt. Die Spieler wagen Blicke auf die Tribüne und fühlen sich offensichtlich bei jedem Beifall belohnt.
 
Nächste Spielphase: Der Gegner holt auf und schafft den Ausgleich. Wie Paralysiert vergisst das Publikum das Klatschen und Johlen. Ich höre nur HS wettern, wie unfähig der Trainer sei, denn unter seiner Führung…. Jo typisch, denke ich. Die Grauen halten sich weiter an ihren Bierflaschen fest. Den Muddis und Jugendlichen werden wieder aktiver und feuern an.
 
Ein Mittelspieler verrennt sich dauernd in der gegnerischen Mauer. Die Muddis brüllen ihm ermutigend zu. HS würde ihn sofort runter nehmen. Der Trainer macht es aber nicht. Ein paar Momente weiter macht der Mittelspieler ein sagenhaftes Tor. HS referiert offensichtlich über die Fähigkeiten desselben und lobt ihn in höchsten Tönen, gleichsam wieder Sprüche gegen den Trainer unten auf der Bank. Die Mannschaft arbeitet konzentriert. Die Grauen hören HS scheinbar zu.
 
Ein Zuschauer „ Kuhlenkampf“ bringt Stimmung auf die Tribüne und startet ein paare lockere Sprüche gegen den Schiri. Alles dreht sich um und lacht. HS mißbilligt Kuhlenkampf mit Blicken.
 
Die Trommler brüllen immer unflätigere Sprüche gegen das Schirigespann. HS ergreift Initiative und agitiert mit den „ Hooligans“ über Anstand im Sport und so… Wieder zurück in der Gruppe der Grauen fängt er wieder an zu texten, analysieren und redet das Spiel schlecht, obwohl die Mannschaft mit 4 Toren vor liegt. Quintessenz, wie ich es verstehe: Trainer scheiße, Spieler scheiße außer einem und er würde das alles besser machen. Ich frage mich, was das soll. Gott sei Dank, hören die Spieler das Gelaber nicht. Allerdings werden sie ihn kennen und etwas  ahnen.  Kann es sein, dass diese Art des HS sich auf die Spieler auf der Spielfläche auswirkt? Der Referendar steigert sich immer mehr in seine Monologe. Die Grauen scheinen inzwischen noch grauer geworden zu sein. Sie starren aufs Spielfeld. HS monologiert weiter. Die Grauen holen sich die zweite Flasche Bier.
Die Heimischen liegen 6 Tore vor. Halbzeit. HS rast zur Bande und holt sich den Mittelspieler ran und erzählt ihm eins. Der völlig durchschwitzte hört sich das unkonzentriert an und versucht sich abzunabeln. HS ohne Rücksicht auf die verdiente Spielpause textet weiter. Der Mittelspieler verabschiedet sich abrupt in die Spielpause. HS verlässt die Tribüne und begibt  sich umgehend zur Mannschaftskabine stellt sich als Lauscher hinter die Tür und hört zu, was der von ihm „ungeliebte“ Trainer der Mannschaft erzählt. Unglaublich.
 
Halbzeit 2
 
Das Spiel, scheint seinen erfolgreichen Lauf zu nehmen. Die Heimischen erweitern ihren Vorsprung stetig. Der Trainer wechselt Spieler durch. Die Gegnerischen haben kaum noch etwas entgegenzusetzen. HS referiert wieder und immer intensiver. Jetzt ist er am dreckige Wäsche waschen angelangt. Ohne, dass ich die Zusammenhänge kenne, ist es augenscheinlich was HS im Schilde führt. Jetzt wird er noch radikaler, nimmt sich einzelne beiseite und versucht offensichtlich Verbündete gegen Trainer und Mannschaft zu finden. Alle von HS  in den Monolog verwickelte werden grau, blass und gucken wie ins Leere auf das Spielfeld, wo ein fantastisches Spiel stattfindet. 12 Tore- Vorsprung. HS kommentiert jeden Fehler, als wäre es die Ursache für einen Misserfolg. Sieht er ein anderes Spiel als ich, frage ich mich. Inzwischen ist es auch kein Geplapper über Handball mehr. HS geht gerade einen Vernichtungsschlag des amtierenden Trainers an, indem er alle möglichen anspricht, die vielleicht alte Rechnungen mit Trainer und Mannschaft offen hatten. Er sucht Verbündete. Wieder Wortfetzen sind zu hören: „……er sollte die Mannschaft boykottieren…“. Ich frag mich, was läuft da. Für mich wird es immer interessanter.
Auf der Spielfläche präsentieren die Aktiven einen Kemper. Das Publikum dankt mit lautem Raunen und Applaus.
 
Ich drehe mich um und frage HS, welchen Tabellenplatz sie einnehmen. HS setzt an zum Referat, bequemt sich aber nach gefühlten 10 Sätzen den aktuellen Tabellenstand zu vermitteln. Ich merke, ich bin ein nichts, dass suggeriert mir seine Körpersprache. Die Grauen versuchen sich HS gegenüber sachlich zu geben. Nach den Hasstiraden dürfte das jedem aus seinem Bekanntenkreis schwer fallen.
Alle von den Grauen haben jetzt keine eigene Meinung mehr. HS ist der große Macher, dass hat er ihnen heute mal wieder verbal gezeigt. Abschließend lässt er noch ein paar Formulierungen steigen wie „vernichten, Bombe platzen lassen“.
Der einzige der HS nicht gewähren lässt ist „ Kuhlenkampff“, so ein Typ“ du-kannst-mich-mal“? Mit Ironie und Witz windet er sich aus den Fängen von HS. Schade dass ich kein Diktiergerät in der Tasche hatte. Da hätte ich noch ein paar Originalsätze für meine Untersuchungen gehabt. Die Muddis gucken gequält nach vorn und klatschen tapfer. Die Trommler laufen zur Höchstform auf. Alles steht. Der Applaus gilt dem heimischen Sieger, der einen Sieg mit 19 Toren erreichte, Wahnsinn. Tabellenplatz 3 ist erkämpft und das als Aufsteiger. Ich habe Respekt vor der Mannschaft.
Schade, ich frag mich, was geht hier vor? 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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