Peter Somma

Unerfüllte Wünsche

Sein Leben hatte er sich anders vorgestellt. Reichtum und Ansehen waren seine Ziele gewesen und ein angenehmes Leben in Wohlstand. Aber es war dann alles ganz anders gekommen. Jetzt, mit fünfunddreißig, saß er in einem Zimmer seiner Wohnung, aus der er ausziehen musste und aus der die Möbelpacker soeben seine letzte Wohnzimmerbank davongetragen hatten.
Eigentlich hatte alles schon damit angefangen, dass er, als er gerade achtzehn geworden war, seine Lehre beendet, sich seinen größten Wunsch erfüllt hatte und sein erstes Auto gekauft hatte. Denn als er seinen ersten richtigen Gehalt bezogen hatte, hatte er seinen Gehaltszettel bei einer Bank vorgelegt und man hatte ihm, ohne Schwierigkeiten, einen Kredit eingeräumt, womit er dann eine alte Rostschüssel, einen richtiger Seelenverkäufer erstanden hatte und auf diese Weise sein Traum Wirklichkeit geworden war, von dem er geträumt hatte, seit er denken konnte: Einen eigenen Wagen zu besitzen, gleichgültig welchen, mit dem er der Kontrolle seiner Eltern entkommen konnte, mit dem er hinfahren konnte, wohin er wollte. Er war davon überzeugt gewesen, er würde ihn frei und unabhängig machen, es gäbe keinen Ort, den er nicht erreichen könnte, die ganze Welt stünde ihm dann offen, und er wäre nicht mehr angewiesen auf die Gefälligkeit anderer.
Als er endlich sein größtes Anliegen in die Tat umgesetzt hatte, er stolz in seinem eigenen Wagen saß, konnte er alles rund um sich vergessen. Eine tiefe Befriedigung, ein Gefühl der Stärke und die Vorstellung von Freiheit empfand er dann. Es erfasste ihn der Rausch der Geschwindigkeit und eine große Begeisterung ergriff ihn, wenngleich das Auto gerade einmal hundert Kilometer je Stunde hergab und die alte Schüssel dabei tschepperte und zitterte, als ob sie jeden Moment auseinander fallen wollte.
Zunächst war ja auch alles gut gegangen und nichts hätte seine Zufriedenheit stören können. Zwar fraßen die Benzinrechnungen einen beträchtlichen Teil seines schmalen Einkommens weg, aber für die Konsumationen in den verschiedenen Lokalen im Umkreis der Stadt, die er dank seines eigenen Wagens nun recht häufig frequentierte und in denen er im Kreise seiner Freunde recht heftig becherte, blieb immer noch genug Geld und noch gelang es ihm auch, die Raten für sein Gefährt pünktlich zu bezahlen.
Aber bald traten an seinem Vehikel die ersten Schwierigkeiten auf und das Fahrzeug erforderte die ersten unabwendbaren Reparaturen, ohne die sein Fahrzeug nicht mehr in Betrieb gesetzt werden konnte, die er unmöglich hätte aufschieben konnte. Aber war das eine in Ordnung gebracht worden, gab es bald die nächsten Probleme an seinem alten Auto die unbedingt funktionieren mussten, wollte er auch nur halbwegs sicher mit seinem Allerheiligsten unterwegs sein.
Noch logierte er im „Hotel Mama“, was ihm finanziell sehr zugute kam, aber trotzdem wurde es immer enger in seiner Brieftasche. Nur gut, dass er immer einen Kumpel zur Hand hatte, der ihm für diese Reparaturen billig zu Verfügung stand.
Dank der Großzügigkeit seiner Bank, die ihm bereitwillig einen freizügigen Überziehungskredit einräumte, beglich er seine Verbindlichkeiten immer noch einigermaßen pünktlich und kannte, vorerst, keine wirklichen, finanziellen Schwierigkeiten.
Irgendwann kam es aber, wie es vorherzusehen war, bei einer seiner nächtlichen Lokaltouren, er hatte wieder einmal zu tief ins Glas geschaut, zu einem Unfall, bei dem er noch Glück gehabt hatte, dass er unverletzt davon gekommen war, und anderen keinen Schaden zugefügt hatte, aber sein Wagen war nur mehr Schrott gewesen. Jetzt hatte er kein Fahrzeug mehr und fühlte sich, wie er sagte, nur mehr als halber Mensch. Die Raten freilich, die er der Bank schuldete, mussten weiter bezahlt werden.
Zu lange schon war es ihm selbstverständlich geworden, über ein Vehikel zu verfügen, war er es gewohnt gewesen, alle seine Besorgungen mit seinem Fahrzeug zu erledig, und nun wollte er darauf nicht mehr verzichten. Deshalb stand bald ein anderer Wagen vor der Türe und wieder war die Bank hilfreich eingesprungen.
Der neue Wagen, den er nun besaß, hatte ein paar Jahre weniger am Buckel, war etwas teurer und war weniger reparaturanfällig. Aber jetzt musste er neben dem Kredit für seinen neuen Wagen auch noch die Raten für das erste Gefährt, das nur mehr Schrott war, abzahlen.
Das fand er nicht gerecht, wollte nicht einsehen, dass er für das Wrack, das unbrauchbar geworden war, zahlen sollte und zahlte diese Raten unwillig, nachlässig oder überhaupt nicht. Der Ton der Briefe, die ihm seine Bank zusandte, wurde immer unfreundlicher und es dauerte nicht lange, bis bei der Firma, in der er beschäftigt war, die erste Lohnpfändung eintrudelte.
Zu allem Überfluss zog er wegen seiner rasanten Fahrweise immer öfter die Aufmerksam der Exekutive auf sich, die ihm dann Strafzettel ins Haus schickte, deren Zahlung ihm lästig war, ihm verzichtbar erschien und die er deshalb immer solange hinausschob, bis ihm dafür eine Exekution angedroht wurde.
Als die ersten gerichtlichen Pfändungen seine Arbeitsstelle erreichten, wurde vom Gericht zur Abdeckung seiner Schulden ein Betrag von seinem Verdienst einbehalten und der verbliebene Rest reichte kaum mehr für das Notwendigste. Sich nichts leisten zu können, nagte an seiner Arbeitslust. Seine Arbeit machte er nun unwillig und nachlässig, denn von seinem Verdienst erhielt er jetzt nur mehr wenig auf die Hand. Aber sein Chef wollte für sein Geld, von dem der junge Mann freilich nur mehr wenig in die Hand bekam, ordentliche Arbeit sehen und es dauerte nicht lange, und er schickte ihm den blauen Brief.
So schlecht und recht hielt er sich jetzt über Wasser. Er wechselte häufig seine Anstellung, denn bald hatte er herausgefunden, dass Gericht und Rechtsanwälte eine Weile brauchten, um seine neue Arbeitsstelle ausfindig zu machen und das Wechseln seiner Arbeitsstellen wurde zu einem „Katz und Mausspiel“ zwischen ihm, seinen Gläubigern, den Rechtsanwälten und dem Gericht, denn die Lohnexekutionen erreichten ihn überall, wenn auch mit Verspätung. Sie begleiteten ihn auf Schritt und Tritt, wie ein treuer Hund seinen Herren.
Der junge Mann war verliebt und es dauerte nicht lange und die beiden heirateten. Aber mit der Hochzeit kamen neue Belastungen auf ihn zu. Er brauchte eine Wohnung, die auch nicht gratis war und die musste eingerichtet werden. Die Möbelhäuser gaben zwar reichlich Kredit, nach dem Motto „Kaufe heute, zahle morgen“, das erleichterte zwar seine Situation, löste jedoch nicht seine Probleme.
Vielleicht hätte ihn seine junge Braut ja gar nicht geheiratet, wenn sie gewusst hätte, was auf sie zukam, denn von seinen Schulden hatte er ihr wohlweislich nichts erzählt. Zwar hatte er damals den festen Willen gehabt, ihr zuliebe wieder Boden unter die Füße zu bekommen, seine finanziellen Angelegenheiten wieder in Ordnung zu bringen, denn er liebte sie und wollte sie nicht verlieren, aber das war nicht so einfach, wie er es sich das vorgestellt hatte.
Bald erwartete die junge Frau, ihr erstes Kind und das Glück hätte nicht vollständiger sein können, aber als sie von den zahlreichen Gläubigern erfuhr, die auf ihr Geld warteten, fiel sie aus allen Wolken. Aber sie hoffte, durch sparsames Wirtschaften den jungen Mann erziehen zu können und nahm die finanziellen Angelegenheiten selbst in die Hand. Aber als sich das zweite Kind ankündigte, verschärften sich jedoch die Schwierigkeiten und der Exekutor war ein häufiger, wenn auch nicht gerne gesehener Gast.
Seine Gattin war eine brave und fleißige Frau und trug trotz der beiden Kinder, mit Halbtagsarbeit zum Haushaltsbudget bei, aber es reichte trotzdem vorne und hinten nicht und sie rutschten in ein Dilemma, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien. Die Enge, in der sie gezwungen waren zu leben, führte immer öfter zu Streit zwischen ihnen, denn natürlich hätten auch sie sich gerne das Eine oder Andere geleistet, aber sie mussten darauf verzichten, um den Schuldenberg nicht noch höher anwachsen zu lassen.
Der junge Mann war der Situation nicht gewachsen, kam nach der Arbeit jetzt oft nicht gleich nach Hause, verbrachte die Abende im Wirtshaus, kam dann betrunken nach Hause, war dann unverdaulich und streitsüchtig, schlug seine Kinder und er schlug auch seine Frau. Längst gab es keine Harmonie mehr zwischen den beiden. Das brachte das Fass zum Überlaufen und damit begann endgültig sein sozialer Absturz.
Die junge Frau war bereit gewesen, die finanzielle Enge zu ertragen und auf bessere Zeiten zu hoffen, aber den Rest ihrer Tage an der Seite eines Mannes zu verbringen, der sich täglich betrank und sie schlug, wollte sie nicht mehr auf sich nehmen und deshalb ließ sie sich scheiden.
Bei der Scheidung wurden die Kinder ihr zugesprochen. Er musste für sie und die Kinder Alimente zahlen, aber sie musste jeden Monat auf das Geld warten und oft zahlte er überhaupt nichts. Schließlich musste sie ihn verklagen. Aber selbst jetzt kam sie oft nicht zu ihrem Geld. Woher sollte er es auch nehmen, wenn es für seinen eigenen Unterhalt und die Begleichung der Schulden nicht reichte?
Nach der Scheidung lebte er in einer Zimmer-Küchewohnung und verbrachte die meisten Abende im Gasthaus. Die Miete dafür brachte er nur mühsam auf und oft blieb er sie schuldig. Es dauerte nicht lange, bis man ihm auch diese Unterkunft kündigte.
Jetzt saß er im Zimmer seiner Wohnung, von der er sich schon abgemeldet hatte und aus der soeben die Möbelpacker seine letzten Möbelstücke davongetragen hatten. Er war am Ende seines Weges angekommen. Nachdem seine Frau sich hatte scheiden lassen, war er hier in diesem Loch untergekrochen. Aber wenn er die Schlüssel abgegeben haben wird, wird er auch diese Unterkunft verloren haben und auf der Straße stehen, ohne Unterkunft und ohne Einkommen und am Ende seiner Existenz sein. So hatte er sich sein Leben nicht vorgestellt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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