Felicia Rüdig

St. Felizitas

Mein Mann ist sicherlich ein Schatz. Bei seinem Ausflug nach Wachtendonk ist ihm aber sicher nicht aufgefallen, daß er in meinem Auftrag dort hingefahren ist. In seinen Augen wollte, er in meinen Augen sollte er sich die Ruine der St. Andreas – Kirche  anschauen. Wie sieht es dort aus? Kann man sie noch restaurieren und renovieren? Kann man sie religiöse und touristisch nutzen? Dies sind die Fragen, die mich interessieren.
 
Und das aus gutem Grunde. Die Heilige Felizitas ist die Schutzpatronin der Hausfrauen. Sie wurde in der Frühzeit des Christentums hingerichtet. Sie wurde nämlich bezichtigt, zahllose Eheweiber zur maßlosen und ungezügelten Sorge um ihre ihnen angetrauten Ehegatten angestiftet, oft sogar dazu angeleitet zu haben. Diese Männer machten sich so der Sünde der Völlerei, Maßlosigkeit, Verfressenheit, Zügellosigkeit und Prunksucht schuldig.
 
Felizitas wurde aber trotzdem heiliggesprochen. „Sie führte ihre Familien schließlich nicht irgendwie in Versuchung,“ begründete Papst Andreas Rüdiger I ihre Rehabilitierung. „Sie nutzte dazu jahreszeitlich passendes Futter. Baumkuchen, Dominosteine, Lebkuchen und Spekulatius zu Weihnachten, Fisch am Karfreitag, farbige Eier, Lamm, (gefüllte) Schokoladeneier zu Oster, Hering und Aspirin an Aschermittwoch – Sie wissen schon, was ich meine. Auf diese Art und Weise brachte Felizitas ihre Familie und die ihrer Umwelt dazu, die Speisevorschriften der christlichen Kirchen wenigstens einigermaßen einzuhalten.“
 
Genau dieser Papst ist der Schutzpatron einer Kirche in Wachtendonk. „In einer landwirtschaftlich geprägten Region gehört sich das einfach so,“ befand die Gemeindeleitung.
Ich möchte St. Andreas gezielt der Heiligen Felizitas umwidmen. Sie, die ihren Lieben Gaumenfreuden bereitete, ist als Schutzpatronin für eine solche Kirche doch besser geeignet als ein Schutzschild der Landwirtschaft, nicht wahr? Mein Traum, mein Wunschziel: St. Felizitas als Anziehungspunkt aller Gaumenfreudefreunde.
 
Doch wie das erreichen? Meine Waffen müssen friedlicher Natur sein. Kein Kanonenschuß und keine Maschinengewehrsalve dürfen zu hören sein. Was aber wohl nicht verboten ist, ist die zufriedene Entleerung des Magen-Darm-Bereiches durch Mund und Darmendausgang. Auch wenn sie nicht unbedingt herrlich durften, sind sie doch schön ungefährlich. Ob ich wohl Pfarrer und Gemeindeleitung zu einem österlichen Essen (Schwelgerei natürlich ausgeschlossen) einladen darf?
 
„Aber natürlich,“ lautet die einstimmige Antwort. „Bedenke aber: Nutze nur Lebensmittel aus der Region.“ Hmmm – mal überlegen. Für Lammkeule und Erdbeere ist es zu dieser Jahreszeit noch zu früh, für Kaffee, Kuchen und Weihnachtsknabberei ein wenig zu spät. Da werde ich mir was einfallen lassen.
 
Kennen Sie den Wachtendonker Wickel? Den Falschen Hasen in Rotkraut? Nein, auch nicht? Meine Güte, Sie kennen aber auch gar nichts. Naja, egal. Auf jeden Fall gab es die Wachtendonker Wickel für Pfarrer und Kirchenleitung, Sauce, Salzkartoffel und Niederrheinisches Allerlei (=Rosenkohl, Erbsen, Blumenkohl, grüne Bohnen, Möhren, Spinat sowie Gurken).
 
„Sie sind furchtbar, meine Teuerste,“ behauptete der Gottesmann nach dem opulenten Mal. „Wie können wir Ihnen wohl den Mund für die Zukunft stopfen?“
 
„Machen Sie St. Andreas zur einer Hausfrauenkirche. Taufen Sie sie in St. Felizitas um!“ Diese Forderung kam wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund.
 
„Warum sollte ich das?“ – „Weil wir Frauen hier in der Mehrzahl sind. Wir können die Kirche auch erstürmen.“ – „Und warum Hausfrauenkirche?“ – „Diese Zielgruppe wird von der Kirche bislang noch vernachlässigt.“ – „Wir haben doch die Frauengruppen.“ – „Die sind viel zu intellektuell. Und meistens berufstätig. Also – was ist?“ – „Und worüber soll in der Predigt gesprochen werden?“ – „Das Buch der Sprichwörter gibt den Frauen viele Tipps, wie sie den Alltag meistern können. Außerdem könnten dann die weiblichen Gestalten in der Bibel stärker in den Vordergrund gerückt werden.“ – „Oh Gott! Sie wollen also eine feministische Theologie? Eventuell mit einer Göttin statt einem Gott?“ – „Nein, natürlich nicht. Die Frauen sollen über ihre Männer tratschen, und dann wieder glücklich und zufrieden nach Hause gehen und sich um ihre Ehegatten kümmern.“ – „Und was mache ich dann im Frauenkreis?“ – „Nichts. Den übernehme ich. Wir reden dort über Putzmittel, Hautcremes und Hausaufgaben.“

Als der Herr Pfarrer merkte, daß ich ihm keinen Schaden zufügen und ihn nicht arbeitslos machen wollte, stimmte er den fraulich-weiblichen Übernahmegelüsten zu. Seitdem heißt St. Andreas auch tatsächlich St. Felizitas, ist die erste Frauenkirche Deutschlands und regelmäßig überfüllt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 31.03.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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