Frank Volberg

Die Chroniken des Mernot Abergeb - Schmied 01

Auszug
Ich bin Mernot Abergeb, Schmied, Seelentröster, Abenteurer und Problemlöser, manchmal auch noch was anderes. Aber, Schwamm drüber, über das was anderes, geht keinen was an, wenn ihr versteht was ich meine.
Äh, wo war ich? - ach ja, Schmied, hier in Gedorl bin ich der einzige Schmied. Gut, es gibt hier welche mit einer Esse und Amboss, aber ich bitte sie, das sind doch keine Schmiede, bestenfalls Stümper oder zu alt gewordene Lehrlinge. Über das Stadium Hufeisen ist doch keiner hinausgekommen. Nein, ganz so schlimm ist es natürlich nicht, es sind gute Handwerker, doch suchen sie das Besondere, dann kommen sie zu mir. Aber ich schweife schon wieder ab. Eigentlich will ich ein paar meiner Geschichten zum Besten geben.
Seit ich mich hier niedergelassen habe, das ist immerhin 5 Jahre her, habe ich meine Schmiede recht ordentlich vorangebracht. Ich bin ein geachteter Mann, Mitglied in der hiesigen Handwerker­innung, ein großes Haus, eine gut ausgerüstete Werkstatt, einen Gesellen und einen Lehrling. Eine Frau? - Götter bewahrt mich vor Unglück und Unheil, keine Frau in meinem Haus, ich will Geld verdienen und behalten und nicht für unnützen Kram ausgeben müssen. Die Frau des Gesellen, eingestellt als Küchenmagd, sorgt für meinen Haushalt und das Essen für uns alle, das reicht doch wohl.
Ich will mich ungebunden amüsieren, trinken und feiern wie ich will. Ich sehe doch die armen Kerle, wenn wir Abends in der Schenke sitzen und kaum geht die Sonne unter werden sie unruhig. Ist es richtig dunkel draußen hält sie nichts mehr. Nervös springen sie auf, werfen dem Wirt die paar schuldigen Münzen zu und stürmen nach Hause. Ein blaues Auge am nächsten Tag zeugt dann davon, dass sie doch zu spät waren.
Das soll nicht heißen, dass ich mit Frauen nichts anfangen kann. Oh nein, es gibt da die ein oder andere Witwe, der Krieg hat derer einige zurückgelassen, die voneinander natürlich nichts wissen. Aber nach einer gewissen Zeit möchte ich dann doch meine Ruhe haben. Ich bin kein Kostverächter, das sieht man aber meiner Figur nur geringfügig an. Wer anderes behauptet soll sich bei mir melden, ich rede gerne mal ein fäustliches linkes und rechtes Wörtchen mit ihm, wenn ihr wisst was ich meine. Aber ansonsten bin ich immer noch absolut fit. Oberarme, wie andere Oberschenkel, breit wie ein Schrank, dabei nur wenig über normale Größe, das macht mich korpulenter als ich tatsächlich bin. Einen Vollbart habe ich mir stehen lassen und die Haare sind länger. Alles in allem eine recht passable Erscheinung vor dem Auge des Herrn. Ansonsten bin ich immer noch der Alte. Das soll heißen, ich raufe gerne, spiele gerne eine Runde Karten in der Schenke und trainiere heimlich hinter dem Haus mit meiner Axt. Muss ja keiner wissen, dass ich außer dem Hammer noch etwas vom Waffengebrauch verstehe. Man wird sonst gleich so seltsam angesehen; passt auf, der kann mit einer Kriegsaxt umgehen, sieh dich vor, der ist gefährlich. Ich liebe die Ruhe und Beschaulichkeit hier in Gedorl und kann daher auf dieses Geschwätz verzichten.
Meine Axt, ja, das ist was eigenes, das kann ich mal erzählen. Ich bin Waffen- und Rüstungsschmied und die Axt ist mein Meisterstück. Und was für eines.
Es fing alles ganz harmlos an, wie so oft im Leben. Auch dauerte es seine Zeit bis ich sie in Händen hielt, aber ich will von Anfang an erzählen, nicht dass man mir vorwirft etwas verheimlichen zu wollen.
Damals lebte ich noch in Trugan, eine kleinere Stadt und der Ort meiner Geburt, bei Herbok Zunderbi und seiner Frau Jeschde. Lange Zeit hatte ich nichts bemerkt, bis ich Geselle wurde. Dann kam eines Vormittags der alte Druide Grundog zu mir, er schlich schon länger um mich herum, gab mir ein Stück Silber und sagte mit seiner krächzenden Stimme: „Junge, hier ein Klumpen Silber, mach einen Hammer daraus und gib dir Mühe. Und nimm nur diesen Hammer hier, sonst keinen, verstanden?“ Sprachs, legte das Silber auf den Amboss, einen Schmiedehammer aus feinstem Stahl daneben und verschwand. Ja, wie man unzweifelhaft erkennt, ich arbeitete damals in einer Schmiede. Noch als Lehrling, jedoch nicht mehr lange, bald stand die Gesellenprüfung an.
Mir war unwohl bei dem Gedanken für Grundog einen Hammer schmieden zu müssen und sei er noch so klein. Der Alte war mir noch nie ganz geheuer. Steckte überall seine runzlige Nase rein. Und erst die Anweisung, nur diesen Edelstahlhammer benutzen zu dürfen. Ich legte die beiden Sachen zur Seite, der Metallklumpen fühlte sich seltsam an, und kümmerte mich erst mal um meine normale Arbeit. Zwar schweifte mein Blick des öfteren zu dem silbernen Stück Metall, wie auch die anderen wie zufällig mehr als normal an ihnen vorbeiging, aber ich traute mich nicht an diese Arbeit heran. Die Lehrlinge und Gesellen hätten zu gerne meine Stelle übernommen, ihr unauffälliges Interesse an Hammer und Silberklumpen war unübersehbar, aber Herbok achtete streng darauf, dass niemand aus Neugierde, oder anderen langfingrigen Gründen, den Utensilien zu nahe kam. Mittags scharten sich alle zufällig zwanglos um Hammer und Silberklumpen und taten ihre fachkundige Meinung kund. In dieser professionellen Zusammenkunft wollte ein Lehrling, die Stimmung ausnutzend, den Metallklumpen in die Hand nehmen und wurde recht harsch von Herbok daran gehindert.
„Finger weg“, blaffte er den Vorwitzigen in seiner gewohnt kurzen Art an, „Mernot und sonst keiner, verstanden?“
Pepje zog erschrocken den Kopf zwischen die Schultern und machte sich unsichtbar. Von da an sank das Interesse, die zuckenden Finger um die beiden wertvollen Gegenstände schließlich zu wollen. Herbok musste wissen um was es sich handelte, warum sonst sorgte er dafür, dass niemand anderes als ich die Gegenstände berührte. Ich getraute mich aber nicht daran und ließ die Sachen liegen, machte meine alltägliche Arbeit um mich abzulenken.
Dieser Grundog war schon ein seltsamer Kauz. Er tauchte ein gutes Jahr nach Mutters Tod auf. Immer wenn wir uns begegneten, fixierte er mich mit scharfen Augen. Immer behandelte er mich, wenn ich irgendwelche Verletzungen in der Schmiede oder auch sonst davontrug. Immer war er in der Nähe, wenn ich besonderen Beistand brauchte, weil ich mal wieder was angestellt hatte oder so. Trotz seiner unerklärlichen Fürsorge blieb er mir irgendwie unheimlich. Die Leute sprachen hinter vorgehaltener Hand über ihn, niemand wagte es ihm die Unterstellungen offen ins Gesicht zu sagen. Ein Betrunkener, so wurde gemunkelt, hatte einmal mit benebeltem Hirn gegenüber Grundog nicht den Mund halten können. Eine Woche lang quälten den belämmerten Trunkenbold Hämmoriden und Kopfschmerzen. Erst nachdem er sich bei Grundog entschuldigt hatte, hörten seine Beschwerden auf. Ich wollte weder Kopfschmerzen noch sonst wie geartete unnötige Repressalien, also hielt ich mich, soweit es in meiner Entscheidung lag, von ihm fern.
Der Druide war einer der wenigen, die noch richtige Magie anwenden konnten. Früher, so hieß es, gab es mehr von seiner Sorte. Damals lebten überhaupt mehr Menschen mit magischen Begabungen, besonders in den Fürstenhäusern. Angeblich stammten viele unserer Fürsten, und im Speziellen das Königshaus Oldebarg, von Elben ab. Früher. Jetzt trieb sich so ein Verrückter hier herum und machte die Leute nervös mit seinem unheimlichen Gehabe, der Druide Grundog. Wenn der ein Druide war, war ich ein Maulwurf. Zugegeben, er verstand wirklich ne Menge von der Heilkunst und so, aber Druide? Nie im Leben. Ich schüttelte den Kopf um ihn frei zu bekommen und konzentrierte mich ab nun auf meine Arbeit.
Gegen Abend, ich war alleine in der Schmiede, wenn es nicht funktionierte sollte wenigstens niemand dabei zusehen wie ich mich blamierte, nahm ich das Metall in die Hand und runzelte die Stirn, es war zu leicht. Der Klumpen war klein, der Hammer würde nicht groß werden, etwa wie der eines Goldschmiedes, aber eindeutig zu leicht. Hm, was sollte ich mit so einem kleinen Hämmer­chen, ich war Schmied und keiner dieser verzärtelten Goldstreichler, wie ich die Goldschmiede manchmal lautstark ärgerte. Meine Gedanken schweiften ab. Ich hatte keine Angst vor ihnen. Soll­ten sie doch kommen und sich beschweren, es war lange her, dass das jemand von diesen goldigen Hemdchen gewagt hatte mich zu ärgern, meine Gedanken schweiften wehmütig ab.
Plötzlich spürte ich ein leichtes Kribbeln in den Fingern. Es schlug mich in den Bann, ich konnte das Silber nicht mehr loslassen, es klebte förmlich an meinen Fingern, eigenartig. So ging ich zur Esse und stand unentschlossen da und starrte in das Feuer. Silber wird geschmolzen, in Formen gegossen und poliert, aber doch nicht geschmiedet. Was wollte der alte Druide von mir, Silber schmieden, was für ein Unsinn. Ich machte das was ich wusste, ich schmolz das Metall, zumindest versuchte ich es. Aber egal wie heiß die Glut brannte, es wurde einfach nicht flüssig, nur heiß, mehr nicht. Und nun? Es wollte noch nicht einmal weich werden, wie sollte ich es da schmieden? Ich brauchte Hitze, aber die Glut brannte bereits so heiß es ging. Ratlos blickte ich auf die Kohlen, eine unbestimmte Wut loderte in mir auf. Ich brauchte mehr Hitze. Täuschte ich mich oder änderten sie gerade ihre Farbe? Ich sah genauer hin nahm noch kurz wahr wie sich der Farbton der brennenden Kohlen von Blau auf Rot zurück veränderte. Eine rote Glut, das war normal, aber blau? Ich war verwirrt, sollte es möglich sein, dass ich ...? Es kam auf einen Versuch an, zu verlieren hatte ich nichts. Konzentriert starrte ich die Kohlen an und wünschte mir eine heißere Flamme. Gemächlich breitete sich ein blauer Schein in der Esse aus und ich musste zurücktreten, es wurde immer heißer. Schlussendlich brannten es in der Esse mit blauen Flammen so heiß, dass die Mauersteine der Esse rötlich glühten. Der entstehende Luftzug ließ meine Haare flattern, so dass ich sie mit einem Leder­band bändigen musste. Aufgeregt griff ich nach den Teilen.
Ich musste die Griffe einer Zange verlängern weil mich sonst die Hitze des Schmiedefeuers gegrillt hätte während ich das silbrige Metall hineinhielt. Tatsächlich, es wurde glühend und kurz darauf weich. Gut, jetzt konnte ich doch schmieden. Nach dem ersten Schlag war klar, das war kein Silber, es bot viel zu viel Widerstand, was hatte der alte Grundog mir da gegeben? Ich hätte es wissen müssen, ich war Schmied, aber manchmal kapiert man einfach gar nichts, zumal ich dieses Metall noch nie in Händen hielt. Ich schlug mit dem kleinen stählernen Fäustel auf das Werkstück ein. Schlag um Schlag entstand ein kleiner Hammer mit Stiel. Und mit jedem Auftreffen meines Schmiedehammers auf das glänzende Metall spürte ich eine Kraft, dass es mir die Haare sträubte. Sie floss aus dem Silber, was keines war, in meinen Schmiedehammer, durch die Hand, meinen Arm und direkt in meinen Kopf. Mein Blickfeld reduzierte sich ganz auf das zu bear­bei­tende Stück, alles andere verschwand aus meinem Sein, nur noch Feuer und Metall. Diese Kraft durchströmte mich, wieder zurück in meinen Körper, meinen Arm, meinen Hammer in das Silber. Ich konnte nicht mehr aufhören bis das Werkstück fertig war, Hammerkopf und Stiel aus einem Guss. Schweiß­gebadet, schwer atmend stand ich am Amboss und starrte auf den fertigen silbernen Hammer.
Ich fühlte mich ausgelaugt, benommen, völlig erschöpft wie noch nie und mein Kopf schien wie ausgebrannt. Kraftlos lies ich den Fäustel fallen, drehte mich um und stolperte in meine Kammer. Hände und Gesicht waschen erfrischte mich nur kurz. Kaum meiner Kleider entledigt, lag ich im Bett und schlief bis in den nächsten hellen Tag. Nur schwer wurde ich wach, es dauerte bis ich meiner bewusst wurde. Mit schweren Gliedern stand ich auf. Mein Magen zwang mich in die Küche wo ich mir mein Frühstück holte. Jeschde zischte was von Faulpelz und unnützer Fresser, aber sie wagte es nicht es mir ins Gesicht zu sagen, was mir sowieso egal war. Wir beide verstanden uns eben nicht besonders, keine Ahnung warum, war eben so. Etwas zittrig noch stand ich später in der Schmiede, in der einen Hand ein Brot mit viel Käse in der anderen ein Krug Bier.
„Hee, seht ihn euch an, schläft bis Mittags, isst bevor er was geleistet hat und trinkt unser Bier alle“, grölte Meister Herbok, sein Humor war wie immer recht einfach. Neben ihm stand Grundog mit einem kurzen Stab in der Hand, sie schienen sich ernsthaft unterhalten zu haben, zumindest schloss ich das aus ihren Gesichtern. „Nun, wo ist der Hammer?“, keifte der alte Kräutermischer. Lauernd sah mich der alte Druide an.
Kauend schaute ich mich um und schluckte, richtig, der Hammer, den hatte ich völlig vergessen. Wo hatte ich das Ding nur liegen lassen? Ich erinnerte mich noch, dass ich ihn gestern in fertigem Zustand auf dem Amboss liegend betrachtete, mehr nicht.
„Auf dem Amboss habe ich ihn liegen lassen“, quetschte ich schuldbewusst hervor, schluckte den Rest Brot herunter und drehte mich suchend um. Wo war dieses kleine Stück Metall?
„Nun“, Grundog trat mir ungeduldig lauernd in den Weg, „sag nicht, du hast ihn verschlampt.“ Stechenden Blickes musterte er mich von oben bis unten und wieder zurück. „Na?“
Ich zuckte nur wieder die Schultern, „keine Ahnung“, brachte ich ratlos hervor.
„Waaas“, krähte mich der Alte erbost an, „du dämlicher, hirnloser, versoffener Krüppel.“ Ich schrumpfte vor dem Druiden, obwohl einen Kopf größer, zusammen und fühlte mich wie eine kleine, hässliche Kröte.
„Ich, na ja, nach dem ich fertig war, da äh“, kam es nicht gerade flüssig aus mir heraus, „da bin ich ins Bett gegangen und, na ja, äh ... .“
„Äh ja äh ja“, äffte er mich ätzend nach, „du bist noch blöder als der Stiel deines Hammers. WO IST DER HAMMER, du Schwachkopf.“ Er brüllte mich mit hochrotem Kopf an. Ich bekam es mit der Angst zu tun, der Alte war kurz davor zu platzen.
Würde er das heute mit mir machen, er hätte längst eine Maulschelle eingefangen, aber damals hatte ich noch jede Menge Respekt vor ihm. Panik ergriff mich. Leicht kopflos suchte ich in der Schmiede herum, raunzte die Lehrlinge an, doch die hatten viel zu viel Angst vor mir, als dass sie es gewagt hätten den Hammer vor mir zu verstecken. Gerade in der intensivsten Suche blitzte ein Bild in meinem Kopf auf, mein Kopfkissen mit dem silbernen Hammer darauf. Ohne weiter darüber nachzudenken stürmte ich in meine Kammer und wirklich, da lag er, mitten auf dem zerwühlten Kopfkissen. Ich wusste genau, er war in der Schmiede auf dem Amboss geblieben, wie zum Henker kam das Ding in meine Kammer? Das wäre mir doch aufgefallen wenn ich mit dem Gesicht darauf gelegen hätte. Kopfschüttelnd packte ich den Griff und trottete zurück in die Schmiede.
„Hier“, knurrte ich gereizt, nun wieder Oberwasser habend und hielt ihm das Ding unter die Nase.
Grundog kniff die Augen zusammen und sah mich schräg von unten an. Er sah aus wie eine alte Krähe, die gleich zuhacken will. „Na endlich, Schwachkopf“, er bekam Spaß daran mich so zu titulieren und grinste bösartig. „Hör gut zu, Schwachkopf, ich erklär' dir das nur ein mal, klar?“
Ich nickte und sah abwechselnd auf Grundog und den Hammer.
„Also, der Hammer ist magisch und besteht aus Adamant. Du weißt was Adamant ist, Schwachkopf?“ Der Genuss mich beschimpfen zu können ließ ihn förmlich vor Freude leuchten.
Wieder nickte ich. Das ist der härteste Stoff auf dieser Welt, eine Waffe oder gar Rüstung daraus war unbezahlbar und jeder Krieger, auch Nicht-Krieger, verkaufte seine Seele um so ein Teil sein Eigen zu nennen. Keine Ahnung warum mir das nicht vorher aufgefallen war, manchmal hatte man halt so seine schwachen Momente.
„Gut, Schwachkopf“, krächzte er weiter, langsam schwoll mir der Kamm, wenn er mich noch mal Schwachkopf nannte würde ich seinen verqueren Verstand aus ihm heraus prügeln, dann würden wir sehen wer ein Schwachkopf war. Meinem Gesicht muss er meine Gedanken entnommen haben, es wurde gefährlich in meiner direkten Umgebung. Der Druide trat zwei schnelle Schritte zurück, sein Blick wurde lauernd.
„Gut, Schwa...“, es blieb ihm im Hals stecken bei meinem gereizten Anblick, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. „Mernot“, erklärte er eindringlich, „dieser Hammer ist etwas besonderes. Nur wenigen ist es vergönnt solch ein edles Werkzeug zu besitzen. Warum ausgerechnet du einen haben sollst, das wissen nur die Götter.“ Griesgrämig verzog er das Gesicht. „Es stammt aus den uralten Eh-do-ka-lan-Minen, den Elfen-Minen, aus dem Urgon-Gebirge. Es hat magische Eigenschaften und nur ein echter Schmiedemagier ist in der Lage die in ihm wohnenden Kräfte zu nutzen. Du kannst es, das Schmieden des Hammers hat es bewiesen.“
Das war heftig, Adamant, Schmiedemagier, Elfen-Minen, mir schwirrte der Verstand. Grundog stieß mir seinen Stab vor die Brust.
„Wirst du mir wohl zuhören? Dummer Kerl. Wenn du nun ein normales Werkstück fertig geschmiedet hast, dann bearbeite es ein letztes Mal mit diesem kleinen Hammer und den Wunsch, den du dabei dem Werkstück mitgibst wird sich darin manifestieren. Hast du das verstanden, Schwachkopf?“ Er grinste hämisch, ich war zu verwirrt um auf sein Schwachkopf zu reagieren und er genoss es sichtlich mich zu beleidigen.
Ich war kein Schwachkopf zum Teufel, dachte ich verärgert, beließ es aber dabei. „Das heißt, ich bearbeite beispielsweise ein Schwert mit dem Ding, wünsche mir, dass das Schwert nie stumpf wird und es wird nie stumpf, richtig so?“
„Ja, oh ihr Götter, es steckt doch Verstand in diesem stinkenden Fleischklumpen.“ Wie freundlich Grundog doch sein konnte, wenn er nur wollte.
Ich machte erbost einen Schritt auf ihn zu, er rasch drei zurück.
„Aber“, ließ er noch verlauten und hob mahnend seinen Stab, „immer nur einen Wunsch pro Werkstück, nie mehr als einen. Verstanden?“
„Ja, nein, warum nur einen?“
„Weil du stirbst, wenn du die Kraft aufbringen willst zwei Wünsche in das Werkstück ein zu bringen, darum. Es brennt dir das bisschen Gehirn, was du hast, auch noch weg.“ Das Schwachkopf stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Woher sollte ich das denn wissen, war ich Druide? Der Alte ging mir mächtig auf die Nüsse.
„Und wie lange muss ich mit dem kleinen Hammer hämmern?“, knurrte ich unwillig.
„Das wirst du schon merken, mal kürzer mal länger, kommt darauf an was du herstellst.“
„Und was ist mit diesem blauen Feuer?“, wollte ich noch wissen. „War ich das? Wie habe ich das gemacht?“
„Natürlich warst du das, wie solltest du sonst das Adamant bearbeiten können? Oder stand ich vielleicht neben dir?“ Grundog schüttelte genervt den Kopf über mein zähes Begriffsvermögen. „Das gehört auch zu einem Adamantschmied, ein Feuer zu entfachen in dem er das Metall verarbeiten kann, man nennt es die Blaue Hitze.“ Er hob die Hände leicht an, als wolle er damit sagen: Menschenskind, das weiß doch jeder, nur du wieder nicht. „Und noch eines, der Hammer ist dein Eigentum. Niemand kann ihn dir wegnehmen, zumindest nicht auf Dauer. Er wird immer wieder zu dir zurückfinden. Den Rest wirst du bald erfahren.“
Damit drehte sich Grundog um und verließ die Schmiede. Er konnte es sich nicht verkneifen von draußen noch herein zu rufen: „Denk dran, Schwachkopf, immer nur einen Wunsch.“ Sein meckerndes Lachen klang mir noch lange in den Ohren nach.
Ratlos starrte ich den Adamanthammer in meiner Hand an, Rest, nur einen Wunsch? Ich schnaufte schwer. Herbok, die Gesellen und Lehrlinge standen um mich herum, ebenfalls in den Anblick des glänzenden Werkzeugs vertieft. Aus den Augenwinkeln nahm ich begehrliche Blicke war, ich würde mich vorsehen müssen. Allein, der Hammer war ein Vermögen wert, was würde erst ein Spitzbube dafür bezahlen? Mein Leben? Nein Danke, ich hatte vor noch einige Jahre hier in diesem Land zu verbringen.
Herbok unterbrach meine Phantasien: „Hm, du kannst hier nicht bleiben, dafür habe ich hier keine Verwendung. Am Besten schicke ich dich zu Pettrow. Ja, Pettrow Ungadern, da musst du hin. Der Hammer macht mir Angst, habe zwar schon davon gehört, aber ich will ihn hier nicht haben. Er wird zu viel zwielichtiges Gesindel anlocken, das will ich hier nicht haben.“ Er grummelte vor sich hin, sah mich an und fuhr fort: „Du wirst von mir ein Schreiben bekommen. Damit wird es dir möglich sein bei Pettrow unter zu kommen, verstanden?“ Er machte nie viele Worte, wie jetzt, ein paar Sätze und alles war gesagt. Eine Ausrede, das wurde mir klar als ich in sein Gesicht sah, ich kannte ihn lange genug. Eine Schmiede, die einen Adamanthammer aufweisen konnte war reich, sie konnte sich vor Arbeit und Angeboten kaum retten. Dass Herbok mich gehen ließ, war ein großes Geschenk an mich, ich begriff nicht warum, aber er ließ mich gehen. Andererseits, es war meine beste Aussicht aus diesem Kaff heraus zu kommen und wenigstens einen Teil von dieser Welt zu erkunden. Das Blut schoss mir vor Aufregung in den Kopf als ich begriff was es bedeutete, ich konnte endlich gehen.
Ich nickte erfreut. Endlich hier raus, endlich was sehen von der Welt, Abenteuer, Abwechslungen, neue Mädchen, ach war das Leben herrlich, Grundog ich danke dir. Mein Herz schlug wie wild vor Freude.
Die nächsten beiden Tage war ich mit den Reisevorbereitungen beschäftigt. Ich konnte zwar noch nicht weg, meine Gesellenprüfung stand noch aus, aber ich war zu begierig von hier zu verschwinden um noch länger mit den Vorbereitungen zu warten. Sobald ich die Prüfung bestanden hatte wollte ich losziehen. Aus dem besten Stahl fertigte ich ein stabiles Seil als Halskette, lang genug, dass es mir bequem über den Kopf passte. Daran befestigte ich den Hammer, welcher unten am Stiel eine kleine Öse hatte. Ich brauchte nur das Stahlseil durchzufädeln und mir um den Hals zu hängen. So schnell konnte mir niemand mal eben den Hammer entreißen, eher würde er mir dabei den Kopf abtrennen, was ich gewiss zu verhindern wusste. Aber die Öse, das machte mir mächtig Gedanken, ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern eine solche am Griff angebracht zu haben. Wieder so ein Geheimnis. Ich dachte dann aber nicht weiter darüber nach, hatte ich doch jede Menge zu tun, sondern beschäftigte mich mit der Reiseroute. Gut zwanzig Tage wäre ich unterwegs, zu Fuß und ohne größere Pausen. Da brauchte es jede Menge Essen und Trinken, doch das konnte ich kaum dafür in einer Tasche mitschleppen, zumal ich mein Werkzeug nicht zurücklassen wollte. Ein Karren musste her. Ich wusste auch bereits wie und wo.
Kartenspielen war immer schon meine Leidenschaft und meine letzten Spieleinnahmen waren noch nicht alle eingetrieben. Man war nur zu gerne bereit mir den Karren meiner Wahl zu bezahlen. War doch sofort jedem klar, Abergeb verlässt die Stadt und wir haben endlich Ruhe vor ihm. Beim Esel jedoch stieß ich auf felsigen Widerstand. Gut, dann eben kein Esel, man nimmt was man kriegen kann und ist zufrieden, fürs erste. Mit meinem zweirädrigen Gefährt, durch seine großen Räder ließ es sich einfach ziehen, tauchte ich vor der Schmiede auf und begann alles einzuladen. Es kam einiges zusammen, im Laufe meiner Ausbildung hatte ich doch mehr Werkzeug geschmiedet wie ich dachte. Es blieb mir nichts anderes übrig, ein paar Zangen und Hämmer blieben zurück. Dafür musste mein kleiner Amboss mit. Unterwegs, so schwebte mir vor, wollte ich mein Reisegeld mit meinen Schmiedefertigkeiten verdienen und vielleicht sogar noch etwas mehr. Mein Weg zu Pettrow führte mich an Bauernhöfen und größeren Gutshöfen vorbei, wo ich gedachte mein Teil des Geldes abzuholen, ob mit Schmieden oder auch Kartenspielen war mir einerlei.
Zum Abschluss übergab mir mein alter Meister meinen Gesellenbrief mit den Worten: „Hier dein Gesellenbrief, damit du bei Pettrow anfangen kannst und mach mir keine Schande. Und dann habe ich hier noch einen Brief für Pettrow, verliere ihn nicht und gib ihn Pettrow bevor du den Mund aufmachst. Weiß der Teufel was für einen Unsinn du sonst von dir gibst.“
„Mein Gesellenbrief? Ohne Prüfung?“, zweifelnd sah ich Herbok an. Meine Prüfung sollte erst in drei Wochen sein, zusammen mit anderen Lehrlingen. Es war Frühlingsanfang, die Zeit der Prüfungen im Handwerk, damit die frisch gebackenen Gesellen auf Reise gehen konnten und Gelegenheit bekamen im Frühling und Sommer eine neue Arbeitsstelle zu finden.
„Ja ja, nun nimm schon. Wir wissen beide, dass die letzten Teile, die du geschmiedet hast den Gesellenbrief mehr als rechtfertigen und nun hau ab.“ Seine Stimme wirkte merkwürdig rau, sollte der alte Meister doch eine weiche Stelle in seinem harten Kern haben? Ich schmunzelte.
Ich bedankte mich ordentlich bei Herbok und wandte mich meinem Karren zu. Jeschde tauchte zur Verabschiedung nicht auf, war mir nur Recht, dann brauchte ich auch nicht so zu tun als würde ich sie vermissen. Ich war froh diese Hexe los zu werden.
Mit einer Abschrift der Landkarte und voll beladenem Wagen spannte ich mich vor diesen und zog los, endlich. Nur Pepje und Togat, zwei dummdreiste Gesellen von Meister Herbok, konnten es nicht lassen mich zum Abschluss zu ärgern. Die beiden wären eigentlich im zweiten Lehrjahr aber sie schleppten immer noch für die anderen das Wasser und Kohlen und erledigten all die restlichen einfachen Arbeiten. Und so oft sie von mir die Hucke voll bekamen, so oft legten sie sich von neuem mit mir an, dummdreist blöde eben.
„Iahh, iahh, da geht unser Esel dahin. Du solltest hier bleiben und deine Dienste als Esel in dieser Stadt anbieten“, lärmten sie um mich herum und hüpften mit hoch erhobenen Beinen wie Kaspern um mich herum. Ob sie dachten, jetzt da ich auf nimmer Wiedersehen verschwand, noch ungestraft ein paar Kohlen ihrer Frechheiten auflegen zu müssen, keine Ahnung. Jedenfalls unterschätzten sie meine Schnelligkeit und Reichweite wieder mal, obwohl ich doch meinen Karren selbst zog. Ich habe nie erfahren ob sie sich noch daran erinnern konnten was ihnen widerfahren war, kurz bevor sie sich unfreiwillig überschlagend im Straßenrand zu einer mehrstündigen Ruhe nieder warfen. Ich denke eher nicht. Aber es tat gut diesen beiden Taugenichtse ein letztes Mal handfest meine innigste Abneigung angedeihen zu lassen.
Die Stadt verließ ich ohne Reue oder Wehmut. Meine Eltern lebten nicht mehr, Vater starb bei einem Überfall, da war ich noch kein Jahr alt. Und sie raffte die Lungenseuche hin kurz nach meinem sechsten Geburtstag. Herbok war ein entfernter Verwandter meiner Mutter und nahm mich bei sich auf, dem letzten Wunsch meiner Mutter mürrisch folgend. Mein Körperbau war von Anfang an breit und kräftig, so hatte er letztlich nichts dagegen mich in seine Familie zu nehmen. Mit seiner Frau verstand ich mich nicht, wir schrien uns nur an, auch wegen Kleinigkeiten. Die beiden hatten keine eigenen Kinder, sie mochten keine Kinder, wobei, bei Herbok war ich mir nicht sicher. Manchmal konnte er sogar freundlich zu mir sein. Jeschde allerdings hasste Kinder, das machte sie mir bereits an den ersten Tagen klar, die ich bei ihnen wohnte. Trotz­dem behielt er mich, er hatte es schließlich meiner Mutter versprochen und er hoffte auf eine weitere billige Arbeitskraft im Haus. Das war ich dann auch. Es ging mir nicht schlecht, richtig gut aber auch nicht.
Tja, geschissen, jetzt war ich weg aus diesem langweiligen Kaff. Die Kartenspieler und Mädels waren mir gut bekannt und boten nichts neues. Ich war vor ein paar Monaten volljährig geworden und konnte nun tun und lassen was ich wollte. Meine Ausbildung hatte früher begonnen, ich war ja von klein auf im Haus des Schmieds gewesen und ich hatte gut und fleißig gelernt. Mutter hatte mir schon früh die Bedeutung von Geld und Gold, Handwerk und Wissen beigebracht, besaßen wir doch selbst nicht viel. Seit Vaters Tod, so sagte meine Mutter, mussten wir sparen, aber schlecht ging es uns nie. Und Schmieden, das lag mir irgendwie im Blut. Woher meine Mutter das wusste? Keine Ahnung, aber sie schickte mich zu einem Dorfschmied in die Lehre, eben zu Herbok und mit ihrem kleinen Erbe ermöglichte sie mir noch eine ordentliche Schulausbildung. Ich machte meine Sache gut. Instinktiv und intuitiv erfasste ich Zusammenhänge für die andere Monate oder Jahre brauchten. Selbst Herbok konnte mir oft nicht folgen und wir gerieten in Streit wenn er partout nicht einsehen wollte, dass ich Recht hatte.
Eisen, Metall überhaupt, war wie ein Teil von mir. Ich konnte es fühlen, wie es geschmiedet, gebogen, erhitzt oder abgekühlt werden musste. Sehr zum Verdruss von Herbok behielt ich recht und revidierte seine Ansichten und Wissen über Metall. Es passte ihm überhaupt nicht von einem Lehrling Lehre annehmen zu müssen. Er murrte herum, schrie mich an, drohte mir, es half nichts, zu guter Letzt musste er einsehen, dass ich wusste wovon ich sprach. Jeschde, seiner Frau, gefiel es gar nicht, wie mein Talent in der Stadt bekannt wurde. Die Leute fingen zu tuscheln an, Herbok habe seine Lehrlinge nicht im Griff und stichelten bei Jeschde schadenfroh herum. Weibische Schandmäuler, aber es traf Jeschde sehr und sie hasste mich noch mehr, was Herbok mir wiederum übel nahm.
Herbok war daher nie ein Vater für mich gewesen, freilich geschlagen hatte er mich nur wenn ich es verdient hatte, seiner Meinung nach. Aber da ich ein sturer Kerl und jung und rechthaberisch war, gerieten wir oft aneinander und er bleute mir seinen Standpunkt, auch wenn ich recht hatte, schon mal mehr oder weniger handfest ein. Doch das hörte auf, mit 14 war ich stärker als er, stärker noch als sonst wer in der Stadt. Niemand legte sich mehr mit Mernot Abergeb an, es sei denn er war sturzbetrunken oder sonst wie geistig umnachtet. Daher trauerte keiner mir nach, zumindest von der männlichen Bevölkerung, im Gegenteil, manch einer mag ein kleines Fest gefeiert haben, bei meinem Auszug.
Aus der Reise zu meinem neuen Meister nach Bedonarz von vielleicht zwanzig Tagen wurde annähernd ein halbes Jahr. Es ist gut möglich, dass man heute noch über mich auf dem Weg dorthin erzählen hört. Kartenspiele, Frauen, Faustkämpfe und all das, hatte so seine Spuren hinterlassen. Später werde ich mal mehr von 'all das' erzählen, wenn wir eher unter uns sind. Ist nicht so für junge Ohren geeignet, wenn ihr versteht was ich meine.
Hm, oder, ach was, es kommt ja doch irgendwann heraus. Dann will ich es lieber selbst erzählen, sonst werden die Geschichten noch unnötig aufgebauscht oder Sachen hinzugedichtet, die gar nicht stimmen.
Reisen
Bedonarz lag westlich von Trugan, dazwischen wildes Land bestehend aus tiefen dunklen Wäldern, felsigen Hügeln und offener Steppe mit saftigem Gras. Hier gab es Gutshöfe, kleine Dörfer mit und ohne Burg wo ich mein Geld verdienen wollte, aber das erwähnte ich bereits.
Der erste Tag wurde langweilig. Rappelnd und scheppernd zog ich meinen Karren über die Straße. Zuerst traf ich noch einige Bekannte, die draußen vor der Stadt in den Feldern arbeiteten und mir zumindest von weitem zuwinkten und Gute Reise wünschten. Je weiter ich die Stadt hinter mir ließ, um so ruhiger, einsamer wurde es. Die Straße verlor sich gegen Nachmittag im Gelände und wurde eher zu einem breiten Trampelpfad. Zwei Tage zuvor hatte es geregnet und die Erde war noch leicht feucht, ich musste acht geben um nicht auszurutschen. Trotz der großen Räder war es beschwerlich den Karren zu ziehen, ich fand die Idee auf Reisen zu gehen immer weniger amüsant. Meine Füße brannten und die Beine wurden müde. Dann dachte ich an Herbok, Jeschde und die Schmiede zurück und bekam ganz plötzlich neuen Schwung und Antrieb um weiterzuziehen.
Gegen Abend erreichte ich ein felsiges Gelände. Hier schlug ich mein erstes Lager auf, entzündete ein Feuer und machte es mir gemütlich im Schutz einer tieferen Felsspalte. Der Speck brutzelte in der Pfanne und ich fühlte mich sauwohl. Mein Magen gab endlich Ruhe und ich hatte nun Muße nachzudenken. Mit versonnenem Blick ins Lagerfeuer erinnerte ich mich an die blauen Flammen in der Esse. Sofort musste ich ausprobieren ob es noch funktionierte. Kurz darauf verbreitete sich ein blauer Schein im Feuer und es wurde heißer, so heiß, dass Augenblicke später das ganze Holz verbrannt war. Erstaunt sah ich auf die qualmende Asche, Donnerwetter, es verbrannte das Holz nicht nur heißer sondern auch schneller. Ich griff nach einem Stöckchen und hielt es hoch. Egal wie stark ich mich konzentrierte, das Hölzchen wollte nicht entflammen. Aha, ich brauchte also eine bereits brennende Flamme. Rasch hatte ich das Lagerfeuer neu entfacht und steckte den Stock hinein. Ein kleine Flamme züngelte bald aus seiner Spitze hervor, die für einen nächsten Versuch ausreichte, ich hob den Stock hoch. Mit festem Blick auf das nun nur noch glühende Ende des Holzes befahl ich die Blaue Hitze hervor. Es zischte, leuchtete blau und der Stock verbrannte schneller wie erwartet. Erschrocken warf ich den verbliebenen Stummel ins Feuer bevor ich mir die Finger versengte. Donner noch mal, beinahe hätte ich mich böse angekokelt. Unglaublich wie schnell das Holz sich in Asche verwandelte.
Ich spürte nun eine Müdigkeit, ähnlich der wie nach dem Schmieden meines Hammers. Blaues Feuer zu rufen machte müde, stellte ich noch fest, dann schlief ich zufrieden ausgestreckt auf meiner Decke ein.
Der nächste Morgen empfing mich freundlich und sonnig. Erstaunt bemerkte ich wie lange ich geschlafen hatte. Frühstückszeit war längst vorbei und mein Magen hatte große Freude daran dies mir mitzuteilen. Mein Proviant schrumpfte um einige Leckerbissen. Satt und gut gelaunt begann ich den Tag und nach ein paar tausend Schritten nahm ich linker Hand eine Rauchfahne war, den Schornstein eines Hauses. Ich beschloss dort meinen ersten Kunden aufzusuchen und bog von der Straße ab in den Feldweg, der zum Bauernhof führte.
Es war ein kleinerer Hof und meine Hoffnung auf ein erstes gutes Geschäft sank beträchtlich. Aber, da ich nun mal da war wollte ich die Gelegenheit nicht völlig ungenutzt vorüber gehen lassen. Vier Gebäude säumten einen großen Hof, ein altes Wohnhaus, noch nicht schäbig zu nennen aber es fehlte nicht viel. Dafür standen zwei Scheunen hier, jede größer als das Haus, erstaunlich, und ein großer Stall. Nach der Größe des Misthaufens daneben zu urteilen musste der Bauer nicht gerade arm sein, ich schätzte so zwei Dutzend Kühe, vielleicht auch Pferde und auf jeden Fall dutzende Hühner.
Mitten auf dem Hof hielt ich an und tat meine Anwesenheit kund. „Heda, ist hier jemand? Ich bin Schmied, Mernot Abergeb mein Name und biete meine Dienste an.“
Die schiefe Tür ins Wohnhaus ging auf. Eine Türrahmen ausfüllende Frau trat schwerfälligen Schrittes heraus, in schäbigen sackartigen Kleidern und schmutzigem Gesicht und Händen. „Was willst du?“, keifte sie gereizt mit rauer kräftiger Stimme. „Scher dich weg, wir kaufen nichts. Pack dich!“
„Nein nein, gute Frau, ihr versteht nicht. Ich bin Schmied und frage ob ihr Arbeit für mich habt.“ Freundlich lächelnd ging ich auf sie zu und erkannte, dass sie ein junges Mädchen war, höchstens zwei Jahre älter. Grund Gütiger, wie konnte man so fett werden und so dreckig, es schüttelte mich.
„Bleibt da wo ihr seid. Mein Vater kommt gleich, mit dem müsst ihr reden und jetzt lasst mich in Ruhe.“ Sie war so freundlich, ich überlegte ob ich nicht sofort weiter ziehen sollte. Aber ich hatte den Ehrgeiz hier und jetzt mein erstes Geschäft zu machen. So setzte ich mich auf meinen Karren und wartete. Hinter den Fenstern konnte ich, trotzdem sie verdreckt waren, Bewegung ausmachen, da drückte jemand seine Nase an der Scheibe platt um mich zu beobachten. Belustigt grinste ich und winkte. Sofort war es ruhig hinter dem Fenster.
Die Beine schliefen mir ein vom Sitzen und ich vertrat mir die Füße. Ohne rechtes Ziel schlenderte ich im Hof herum, dabei bemerkte ich wie alles hier vor Schutz starrte und schäbig war, zum Gruseln. Meine Neugierde wurde von einem rostigen Pflug geweckt. Ein solides Gerät stellte ich fest und dann fiel mir der Bruch in der Halterung der Schar auf. Er war mehr schlecht als recht repariert worden und doch wieder gebrochen. Herboks Lehrlinge im zweiten Lehrjahr konnten es besser, als der Stümper, der sich hier versucht hatte. Eindeutig, es gab Arbeit für mich. Aufmerksamer drehte ich meine Runde und entdeckte noch einiges, was einer dringenden Reparatur bedurfte oder gar neu gemacht werden musste. Aha, das konnte zu einem einträglichen Geschäft werden.
Die Sonne näherte sich dem Zenit, da tat sich endlich was hinter der rechten Scheune. Ich hörte Stimmen, laut und ärgerlich und sie kamen näher.
„Das ist viel zu teuer“, keifte eine hohe Männerstimme herum, „das kann ich mir nicht leisten, sieh zu wie du das in Ordnung bringst. Du Tollpatsch.“ Jetzt schritt die verärgerte Gestalt um die Scheunenecke, lang und dürr, schlecht gekleidet und schmutzig. Er stutzte bei meinem Anblick und fuhr mich gereizt an: „Was machst du hier? Verschwinde, ich habe keine Verwendung für einen weiteren Fresser, der nichts arbeiten will und nur alles kaputt macht.“ Bei den letzten Worten schielte er vorwurfsvoll über die Schulter zu jemanden, den ich nicht sehen konnte.
„Guten Tag der Herr“, mit Freundlichkeit kommt man weiter, war schon immer mein Leitsatz, „ich bin hier um meine Dienste anzubieten. Ich bin Schmied und könnte euch hier behilflich sein, das ein oder andere zu reparieren. Eure Tochter war so freundlich mich hier warten zu lassen um mit euch zu reden.“
„Meine Tochter, freundlich wie? Und du, ein Schmied?“, seine Stimme ätzte vor Unglauben. „Bist du nicht ein wenig zu jung?“
„Aber nein, ich komme geradewegs aus Trugan aus Meister Herboks Schmiede.“
„Herbok Zunderbi, hä, na ja, dann solltest du was vom Schmieden verstehen. Gut, du kannst dich an dem Pflug da hinter dir versuchen, wird’s was kannst du bleiben, machst du was kaputt wirst du es mir bezahlen, verstanden?“ Seine Stimme war genauso unangenehm wie sein Benehmen, ekelhafter Kerl, aber Geld stinkt nicht.
„Ja, voll und ganz verstanden. Habt ihr eine Esse oder etwas ähnliches? Amboss und Werkzeug führe ich mit.“ Ich wollte sofort loslegen, je weniger Zeit ich hier verbrachte desto besser. „Ach, sagt wie ist euer werter Name?“
„Ich bin Orlen Zagan und die Esse ist da in der Scheune.“ Mit einem Kopfnicken wies er auf das Gebäude, hinter dem er vorhin hervor kam, dann verschwand er im Wohnhaus. Kurz darauf erscholl lautes Geschimpfe, das sich zu Wutgebrüll steigerte. Vater und Tochter gaben sich alle Mühe bei ihrem Streit, zum Glück konnte ich nur wenige Wörter verstehen, die aber trieben mir die Schamröte ins Gesicht. Achsel­zuckend bugsierte ich meinen Wagen in die Scheune und sah mich um. Sie hatte zwei Tore, auf jeder Giebelseite eines, durch das eine war ich hereingekommen, am anderen hörte man jemanden rumoren. Das musste der arme Tropf sein, der faul war und alles beschädigte. Direkt neben meinem Eingang stand die Esse, nicht groß aber ausreichend. Ich hielt meine Hand darüber, sie war kalt und Asche konnte man keine mehr entdecken. Es musste lange her sein seit sie das letzte Mal gebrannt hatte.
Die Kohlen ließen sich schnell dazu überreden ihre Arbeit auf zu nehmen, bei dem Blasbalg erlebte ich eine herbe Enttäuschung. Beim ersten Tritt auf den Hebel platzte der Ledersack mit einem satten Plopp. Das Leder hatte sich auf einer Länge von gut handbreit vom Brett gelöst. Ich schnaufte erbost, auch das noch, aber es half nichts. Auf der Suche nach Nägeln und Fett, das Leder des Balgs war staubtrocken, stieß ich mit einer armseligen Figur zusammen, die aus einer leeren Pferdebox auftauchte.
„Hoppla“, ich konnte ihn gerade noch auffangen bevor er, von meinem Schwung getroffen, in einer Ecke voller Gerümpel landete. „Entschuldigung, habe dich nicht gesehen, tut mir leid. Alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, nichts passiert, schon gut.“ Zwei verschreckte Augen sahen zu mir hoch, die einem jungen Bürschlein gehörten. Er reichte mir gerade bis zur Brust.
„Sag mal, ich suche kurze Nägel, kannst du mir sagen wo ich die finde?“ Ich stellte ihn vor mich hin und sah ihn freundlich an.
„Da, in der Holzschachtel sollten noch welche sein.“ Er zeigte auf ein Durcheinander von ähnlich großen Holzkistchen in der Gerümpelecke, von denen einige ausgekippt auf dem Boden lagen. Haken, Ösen, Nägel und anderes war in den Kisten, aber stark angerostet, staubig und voller Spinnweben. Unglaublich wie nachlässig hier alles behandelt wurde.
„Da?“, fragte ich ungläubig.
Er nickte verlegen, „ja, ich weiß, es ist nicht gerade sauber hier, aber Zagan ist streng, besonders wenn es um sein Geld geht. Daher gibt es nur ihn, seine Frau, seine Tochter, einen Knecht und mich hier auf dem Hof. Er meint das wäre völlig ausreichend.“ Der Kleine ließ den Kopf hängen und wollte verschwinden. Oh weh, Zagan war ein Geizkragen wie er schlimmer nicht sein konnte, ich sah meinen Gewinn schrumpfen.
„Warte, wie heißt du überhaupt?“, hielt ich ihn zurück.
„Ich bin Reuben, sein unehelicher Sohn. Er hatte mal was mit einer Magd, bis sie schwanger wurde, mit mir. Meine Mutter hat mich hier zurückgelassen und ist abgehauen. Was ich auch machen werde, wenn ich alt genug bin.“ Traurig ließ Reuben den Kopf hängen und ich bekam Mitleid mit ihm. Wieder hinderte ich ihn daran die Scheune zu verlassen.
„Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen, kannst du mit anpacken?“
Er sah mich an und so etwas wie Hoffnung glomm in seinen Augen auf.
„Ja, könnte ich, aber ich muss erst die Sense reparieren. Ich habe sie liegen lassen und Zagan ist heute morgen mit dem Fuhrwerk darüber gefahren. Wenn du mich fragst hat er es mit Absicht gemacht. Auf jeden Fall ist das Sensenblatt hin und ich weiß nicht wie ich sie wieder ganz machen soll.“ Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen.
„Gut, ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du mir hilfst die Esse in Gang zu bringen, repariere ich die Sense für dich, einverstanden?“
„Das kannst du?“ Mit großen Augen blickte er zu mir hoch.
„Klar, ich bin Schmied“, trumpfte ich auf und sonnte mich ein wenig in der Bewunderung, die er mir entgegen brachte.
Reuben trieb noch altes Sattelfett auf und einen Lappen. Bald war der Blasebalg repariert und eingefettet, jetzt konnte ich Feuer machen. Mit kräftigen Tritten pumpte ich Luft in die Kohlen bis sie die richtige Temperatur zeigten, rotglühend. Das dünne Sensenblatt war schnell erhitzt und mit wenigen Schlägen zusammengefügt, anschließend zeigte ich Reuben wie man die Schneide mit einem Hammer dengelte um sie zu schärfen. Er war mit Eifer dabei und stellte sich gar nicht so ungeschickt an.
„So“, ich reckte mich um meinen Rücken zu entspannen, „hämmere du weiter ich hole den Pflug herein, mal sehen wie ich den wieder hinkriege.“
„Soll ich helfen? Das Ding ist schwer, wir könnten ihn da auf die Schubkarre legen und hier hin fahren.“ Eifrig stand Reuben vor mir und wollte zur Karre laufen.
„Nicht nötig, mach du deine Arbeit fertig, ich hole den Pflug schon herein.“ Reuben sah mich einen Moment ungläubig an, zuckte dann mit den Schultern und griff zu Hammer und Sichel.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er mir bis zum Scheunentor folgte. Ich grinste, denn ich wusste, dass er der Meinung war, alleine ist der Pflug nicht zu tragen. Auf sein Gesicht war ich gespannt. Ich trat an das Ackergerät heran nahm es in beide Hände und hob es ohne große Mühe hoch. Gemächlich trug ich das schwere Eisenteil in die Scheune, Reuben stand da und starrte mich fassungslos an.
„Du trägst das ganz alleine?“
„Ja, warum nicht?“, erwiderte ich großspurig, ich war jung und genoss die Bewunderung. Während ich die Kohlen erneut auf Temperatur brachte, vorsorglich meine Haare zurückband, forderte ich Reuben auf seine Arbeit zu beenden. Ansatz­weise begann ich zu begreifen welche Arbeit Herbok mit uns Lehrlingen hatte. Mit wenigen Handgriffen war der Pflug zerlegt und das zerbrochene Teil wartete in der Glut auf seine Bearbeitung. Ich überprüfte die Farbe der heiß glühenden Eisenteile und als sie die richtige Hitze aufgenommen hatten legte ich sie auf den Amboss und schweißte sie mit wenigen Schlägen wieder zusammen. Das Ackergerät wieder zusammenbauen und an seinen Platz zurück bringen beendete mein Werk. Aber es war mir nicht genug, hatte ich doch noch mehr zum Reparieren entdeckt und ich wollte Geld verdienen.
„Bauer, he Bauer Zagan“, ich klopfte an die Tür und hörte sofort erschrocken damit auf, eins der Türbretter brach mit einem lauten Knacks durch.
„Was ist? Was tust du da, du machst die Tür kaputt, bist du von Sinnen?“ Wie ein wilder Gnom, dem der Hintern brennt, hüpfte er wütend vor mir herum und besah sich den exorbitanten Schaden am Türblatt. „Das wirst du mir bezahlen.“
„Was?“, fuhr ich auf und wurde laut, „die Tür ist so morsch, dass eine Fliege sie zerbrechen kann. Was kann ich dafür wenn ihr eure Sachen nicht in Ordnung haltet. Schämt ihr euch denn gar nicht in so einem Saustall zu leben? Alles ist verdreckt, kaputt und ungepflegt, was seid ihr nur für ein Bauer?“ Mein Ausbruch bremste den seinen, er hielt inne und schluckte heftig mit aufgerissenen Augen. Es war wohl eine Zeitlang her, dass jemand so mit ihm geredet hatte.
„Ja, schon gut, ist ja nur ein Brett“, gab er klein bei, „was ist noch?“
„Der Pflug ist fertig und ich habe da noch einiges gesehen was nach einem Schmiedehammer geradezu schreit. Wie wäre es wenn ich das auch noch repariere, es ist auf jeden Fall billiger als neu kaufen und im jetzigen Zustand sind die Sachen völlig unnütz. Verlorenes Geld.“ Mir war klar wie ich mit ihm reden musste. Der Alte war ein Geizkragen der besonderen Klasse, alles was sein Vermögen dezimierte bereitete im förmlich körperliche Schmerzen und so ließ ich ihm die Wahl zwischen wertlos, was großen Verlust bedeutete und Reparatur, was kleineren Verlust bedeutete. Natürlich entschied er sich für das kleinere Übel. Wohlweislich ging ich mit ihm zusammen über den Bauernhof und notierte genau was ich instandsetzen sollte. Es kam einiges zusammen. Da ich aus verständlichen Gründen nicht länger bleiben wollte wie nötig, arbeitete ich bis es Dunkel wurde. Reuben war so oft es ging in meiner Nähe und gierte förmlich danach neues zu lernen. Ich brachte ihm die einfachen Dinge bei, die ein Schmied wissen musste und er freute sich unbändig über sein neues Wissen. Es war spät und einige Kleinigkeiten waren noch übrig, die ich am folgenden Morgen abzuschließen gedachte. Reuben war bereits im Haus, Zagan zerrte ihn hinter sich her nachdem er meine erledigten Aufgaben mit, „hm, na ja, so so“, und weiteren intelligenten Aussprüchen begutachtete. So saß ich allein am wärmenden Feuer der Esse, die Frühlingsnächte waren noch empfindlich kühl, und kaute verdrießlich mein Abendessen. Ich hörte die Tür des Wohnhauses quietschen und klappern, jemand kam schweren Schrittes über den Hof gelaufen und bevor dieser jemand die Scheune erreichte war ein schweres atemloses Schnaufen zu hören. Alle meine Haare stellten sich auf, etwas Unsägliches kroch meinen Rücken herauf und mir schwante fürchterliches.
„Hallo Mernot“, säuselte es japsend vom Scheuneneingang her und herein schwebte mit unbeholfen watschelnden Schritten Minal, Zagans körperlich hoch präsente Tochter, gekleidet in ein, keine Ahnung in was, es sah einfach grauslig aus. Oh ihr Götter, warum habt ihr mich nicht zur Eile gemahnt und mich meine Arbeit früher fertig werden lassen, so dass mir diese Begegnung erspart bliebe. Ich könnte bereits Stunden von diesem Bauernhof entfernt sein, aber nein, ich bekam den Hals ja nicht voll, jetzt hatte ich den Salat. Dafür näherte sich mir nun leichtfüßig wie ein Amboss dieses holde weibliche Wesen. Ihr aufreizendes Lächeln lockte mit einer unregelmäßigen lückenhaften Zahnreihe. Sie hatte Zähne wie Perlen, schwarze Perlen. Nicht genug meiner amourösen Qual, umfing mich ihr zarter Duft als sie auf Armeslänge vor mir mit schwingender Körpermasse zum Stillstand kam. Das Aroma ihrer zarten Ausdünstung trieb mir das Wasser in die Augen, ich wich zurück bis die heiße Esse meines kavalierhaften Zurückweichens ein Ende setzte. Minal, bar jeder weiblich intuitiven Empfindung gegenüber meines reservierten Rückzuges, verringerte ihren geruchs­gesunden Abstand zu mir unaufhörlich.
„Hallo Mernot“, gurrte sie mir rasselnd wie ein alter Wasserkessel entgegen, meine Nase versuchte zu fliehen, gottlob war sie angewachsen. Nun erklärten sich meine Augen mit der Nase solidarisch, als sie den klebrig fettigen Schmutz in den Falten ihres üppigen Halses gewahr wurden. Zwar zeigten ihre Hände und Gesicht eine ungewohnte Sauberkeit, aber der saure stumpfe Geruch des restlichen Körpers bestätigten meine Annahme, es handele sich bei der zur Schau gestellten Reinlichkeit eher um Zufall denn um Absicht. Sie kam näher, mein Magen meinte nun, dass Nase und Augen recht überzeugende Sinnesorgane seien und er nun das seinige dazu übergeben müsse. Mühsam schluckte ich mehrmals, was die holde Maid als freudige Erregung meinerseits auffasste und ihre Bemühungen verdoppelte. Tot, ja das wäre jetzt das richtige, entweder sie oder ich, egal, Hauptsache dieser Situation erfolgreich entronnen. Ich schwitzte, die heiße Esse hinter mir, der verzweifelte Versuch nicht ohnmächtig zu werden in mir, Minal vor mir, meine Sinne und Magen in Zaum haltend, überforderte dies schier meine Kräfte.
„Äh, Minal“, quakte ich kraftlos.
„Ja mein Lieber?“, säuselte sie verliebt, dabei hörte es sich eher an wie wenn eine Kuh in einen Eimer muht.
„Was wird dein Vater dazu sagen?“, versuchte ich verzweifelt ihre Annäherung zu bremsen und lernte dabei, dass meine Stimme bei Panik um einige Nuancen an Höhe gewann.
„Ach, der“, winkte sie abwertend ab, „der hat mich doch geschickt. Ich soll mich um dich kümmern und fragen ob du nicht noch bleiben willst.“
Mehr Sopran als Bass entfuhr mir ein kiksiges: „Ah ja?“
Ihr fleischiger Zeigefinger traf zärtlich wie ein Steinwurf mein Brustbein und wanderte langsam aufreizend unaufhaltsam nach unten, ich wagte nicht ihre Hand zu ergreifen und sie daran zu hindern. Mir wurde Kalt, dann Heiß, Hemd und Hose waren bereits durchnässt vom Angstschweiß, meine Blase wollte das ihrige dazu beitragen, das bedeutete noch mehr Kraftaufwand für mich meine Körperteile in Zaum zu halten. Ihr Finger näherte sich dem Gürtel, meine Nerven vibrierten, mein Verstand pochte auf Panik und anschließender Bewusstlosigkeit.
Mit einer schier unglaublichen Geschmeidigkeit entkam ich stolpernd ihrem faszinierend beängstigend emotions­auslösenden Annäherungsversuch und vergrößerte um mehrere Schritte den Abstand zu ihr, den ich unter allen Umständen einzuhalten gedachte.
Enttäuschung zerknautschte ihr Gesicht um ein oder zwei Falten, mehr ließen ihre stark gerundeten Wangen nicht zu, dann meinte sie beleidigt: „Findest du mich nicht hübsch? Ich habe extra für dich mein bestes Kleid angezogen.“ In ihren, zwischen rundlichen Wangen und Stirn, eingequetschten Äuglein zeigte sich je eine Träne.
Auf ihre Frage hin hätte ich sie beinahe angeschrien: Nein, du bist nicht hübsch. Du besitzt die Anziehungskraft eines übel stinkenden Matschklumpens. Doch ich beherrschte mich mannhaft, bekämpfte mit eisernem Willen und ruhigen Atemzügen das Übermaß an Adrenalin in meinem Blut. Das Rauschen in meinen Ohren wurde leiser und mein Kopf sah ein, dass Panik keine adäquate Lösung für mein momentanes Problem war. „Na, weißt du, ich habe keine Ahnung von Frauen“, stammelte ich herum, sie machte einen auffordernden Schritt auf mich zu, mein Hirn steuerte Richtung Panik und ließ meine Beine zwei Schritt zurück hetzen. „Ehrlich, ich bin müde, habe den ganzen Tag geschuftet, möchte wirklich nur noch schlafen, siehst du?“, bekam ich zittrig hervor und gähnte herzhaft, wobei mein Körper damit eher dem Übermaß an nervlicher Belastung Herr werden wollte.
Ihre aufqellenden Lippen bedeuteten jetzt wohl einen Schmollmund, doch ich blieb hart. Endlich begriff sie, dass es heute nichts mehr mit uns werden würde. „Ja, dann, gehe ich eben wieder“, sah mich bei den Worten aber ein letztes mal fragend an. Mein Gesicht musste ein einziges NEIN gewesen sein, denn sie hob gekränkt ihren Kopf und verließ in ihrem unnachahmlich schaukelndem Gang die Scheune.
Ich brach zitternd zusammen und barg das Gesicht in den Händen. Es bedurfte einiger Anstrengung das Beben meiner Glieder in den Griff zu bekommen. Schließlich meldete sich mein klarer Verstand wieder und gemahnte die Nacht in einer ruhigen abgelegenen Ecke zu verbringen, die eine Entdeckung durch betörende Weiblichkeiten erheblich erschwerte. In dieser Nacht schlief ich schlecht, jedes Geräusch ließ mich zusammenzucken und die Angst, dass mein eventuelles Schnarchen meinen Schlafplatz verriet, waren äußerst hinderlich dabei eine erholsame Nachtruhe zu erleben.
Früh am nächsten Morgen schürte ich eilig das Feuer in der Esse, legte mir alles parat um sofort mit meiner Arbeit beginnen zu können sobald sich im Wohnhaus jemand regte und wartete ungeduldig ohne Frühstück. Mit dem Hammer in der Hand fühlte ich mich etwas besser und je höher die Sonne stieg, desto ruhiger und mutiger wurde ich. Der Hahn krähte laut vernehmlich, mir fiel beinahe vor Schreck der Fäustel aus der Hand. Mit meinen Nerven war es noch nicht zum Besten bestellt, das Grauen am vorigen Abend hatte sie recht mürbe werden lassen. Aber kurz darauf war das Gekeife und Geschimpfe von Zagan und Tochter zu hören, mein Startsignal mit der verbliebenen Arbeit zu beginnen. Mit fliegenden Hämmern, so schnell wie nie zuvor, hatte ich gut zwei Stunden später alles erledigt. Hastig warf ich mein Werkzeug auf den Karren, alles andere war bereits verstaut und zog aus der Scheune aus.
Ich hörte im Stall ein Rumoren und steckte nur den Kopf durch die Tür, da hinein wollte ich unter keinen Umständen, ekelhaft was ich roch und sah. „Guten Morgen Bauer Zagan, ich bin mit meiner Arbeit fertig und abreisebereit.“ Schnell zog ich meinen Kopf zurück und pumpte tief atmend den Gestank aus meiner Lunge.
„Aha, und jetzt willst du wohl dein Geld haben, wie?“ Lauernd stand er vor mir.
„Ähm, ja, das macht dann alles in allem fünf Silber und sieben Kupfer.“ Ich sah mich um und von Minal nichts, dass war gut, sehr gut, meine Selbstbeherrschung und Mut erreichten ihr normales Maß.
„Vier Silber“, feilschte er herum.
„Fünf Silber, sieben Kupfer und du weißt, dass ich unter dem normalen Preis liege, ich habe nichts für meine Übernachtung und Verpflegung verlangt, noch für den Weg hier hin.“ Mit gerunzelter Stirn und bösem Blick überzeugte ich ihn. Er duckte sich leicht und schlurfte schweren Herzens davon das Geld zu holen. Ich ging zurück zu meiner Karre und wartete, immer darauf gefasst, dass Minal aus dem Haus kam, aber nichts dergleichen. Orlen kam mit saurem Gesicht auf mich zu und zählte beinahe mühselig den Lohn in meine Hand. Es tat ihm weh, jedes einzelne Geldstück, aber wenn man mich fragte, hatte ich sie mehr als verdient. Ich verstaute meinen frisch gefüllten Geldsäckel und machte mich vom Hof. Mochte sich Zagan über meine Eile wundern, ich war froh endlich alles hinter mir zu lassen. Die Gebäude lagen ein gutes Stück hinter mir, da hörte ich ein Keuchen und ein lautes: „He, Mernot, warte.“ Der Schock durchfuhr meine Glieder und ich wollte fliehen als wären alle Teufel hinter mir her, da wurde mir klar, es war nicht Minal sondern Reuben, der da rief. Erleichtert hielt ich an und wandte mich um.
Der Kleine rannte so schnell er konnte mir nach und fiel anschließend keuchend vor mir auf die Knie. „Nimm mich mit, bitte, ich will da nicht mehr bleiben, eher sterbe ich.“ Schluchzend versagte ihm fast die Stimme. „Bitte“, schnaufte er noch mit flehendem Blick als er mein Zögern bemerkte.
Die gutmütige Seite in mir gewann, „also gut komm mit.“ Mir war nicht klar was ich damit Orlen als Vater des Jungen antat, ehrlich gesagt, war mir das damals auch völlig egal. So wie er Reuben behandelte, hatte der Alte es verdient, dass der Kleine in verließ. Außerdem schickte ich Reuben nach Trugan zu Herbok, das war so weit nicht weg und wenn etwas Gras über die Sache gewachsen war, würde sich schon alles wieder einrenken. Außerdem tat dem Hof ein Schmied richtig gut, sollte Reuben je zurückkehren. So nahm ich ihn mit bis zum Weg, der nach Trugan führte. Schweigend legten wir eine ganze Strecke zurück, ich übte mich in Geduld, er würde schon früher oder später zu reden anfangen.
„Du Mernot?“
„Ja?“
„Wie ist das als Schmied, was macht man da?“ Die Neugierde über seine Zukunft ließ ihm keine Ruhe. Konnte ich verstehen, meine Situation war ja ähnlich.
„Arbeiten“, gab ich lakonisch zurück. Reuben kicherte, dann erzählte ich ihm von mir, nicht alles, nur das was ich bereit war preis zu geben und er hörte aufmerksam zu.
Die Zeit verging wie im Flug und ehe wir es uns versahen erreichten wir die Straße, da wo ich sie vor zwei Tagen verlassen hatte. Ich wies ihm die Richtung nach Trugan und drückte ihm einen meiner kleineren Hämmer in die Hand. „Der ist für dich. Behandele ihn gut und er wird dich nie im Stich lassen. Sag Herbok Zunderbie eine schönen Gruß von mir und er soll es mit dir versuchen, er wird nicht enttäuscht sein.“ Ich sah Reuben fest in die Augen, „stimmt doch, oder?“
Der Kleine nickte eifrig, dann fiel er mir um den Hals. „Danke, danke, vielen Dank.“ Und bevor ich mich von meiner Verblüffung erholte war er bereits davon gerannt.

 

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Frank Volberg).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.04.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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