Manfred Bieschke-Behm

Schminken (Generationsdialog)


Oma Hedwig begreift nicht, dass sich Mädchen im Alter ihrer Enkeltochter schminken. Sie versauen sich ihre schöne junge gesunde Haut mit dem ganzen Schminkkram, sinniert die Großmutter und merkt, dass sie anfängt, sich beim Handeln ihrer Enkeltochter innerlich aufzuregen.
„Sag Mal Cindy, findest du es gut sich so anzumalen?“, fragt die Großmutter und spürt eine gewisse Aggression in ihrer Stimme.
Die Enkelin antwortet, ohne dafür ihr schminken zu unterbrechen: „Oma, ich male mich doch nicht an?“
„Ich finde“, stellt die Großmutter fest, „ich finde, dass du ungeschminkt viel natürlicher aussiehst – so wie ich meine Enkeltochter mag“
Cindy spürt ein gewisses Unbehagen. Sie hat keine Lust sich schon wieder über das immer wieder kehrende Thema zu streiten. Sie hat einfach keinen Bock sich für etwas rechtfertigen zu müssen, was sie für richtig und völlig natürlich hält.
Da die Großmutter aber nicht aufhört rumzunörgeln, antwortet Cindy schnippisch: „Oma meinst du, ich will wie ein kleines Dorfmädchen rumlaufen. Ich bin dreizehn und nicht fünf oder sechs. Was sollen denn meine Freundinnen von mir denken? – Wenn es nach dir ginge, müsste ich noch mit Zöpfen und Kniestrümpfen herumlaufen“
Die Großmutter findet die Reaktion ihrer Enkelin überzogen. Sie versteht ihre Enkelin nicht und will wissen: „Ist dir das so wichtig, was deine Freundinnen von dir denken?“
„Natürlich ist mir wichtig, was meine Freundinnen von mir denken. Aber unabhängig davon finde ich es schön geschminkt zu sein“, erwidert Cindy trotzig.
Die Großmutter versucht zu erklären, dass es zu ihrer Zeit undenkbar gewesen wäre, dass junge Mädchen geschminkt herumliefen.
Cindy ist jetzt endgültig genervt. Sie legt ihr Schminkutensil unüberhörbar zur Seite und sagt zornig zu ihrer Großmutter: „Jetzt fang doch biiiiiitte nicht wieder mit dieser Geschichte an. – Ich kann sie nicht mehr hören! – Damals ist nicht heute“.
Die Großmutter ist über die Art und Weise wie ihr Enkel mit ihr spricht entsetzt und erklärt, dass sie der Meinung ist, ihren Standpunkt sagen und vertreten zu dürfen.
Cindy denkt: Wieso hält sich ihre Großmutter in ihrer Nähe auf, wenn sie ihr Tun nervt? – sie kann doch das Zimmer verlassen und sie in Ruhe lassen.“
Mit „weißt du Oma“, versucht Cindy so ruhig, wie möglich mit ihrer Großmutter zu sprechen, „akzeptiere doch bitte schön, dass es heute selbstverständlich ist, das sich fast alle Mädchen in meinem Alter schminken.“
Die Großmutter, die ihrer Enkelin aufmerksam zugehört hat, erwidert: „Du hast mir eben erklärt, dass sich fast alle Mädchen in deinem Alter schminken. Wieso gehörst du nicht zu denen, die sich nicht schminken?“
Auf diese Frage weiß Cindy keine Antwort und tut so, als hätte sie die Frage nicht gehört. Vielmehr beschäftigt sie sich jetzt mit ihren Haaren und glaubt damit die Diskussion beendet zu haben.
Aber dem ist nicht so.
Vielmehr fragt die Großmutter nach: „Sag mal Cindy, hast du meine Frage nicht gehört? – ich fragte dich, wieso du nicht zu denen gehörst, die sich nicht schminken? Ich hätte gerne eine Antwort auf meine Frage!“
Cindy lässt den Kamm bewusst laut fallen und erklärt gereizt: „Na klar habe ich deine Frage verstanden – ich bin doch nicht schwerhörig.“
„Noch nicht“, erwidert die Großmutter und fährt fort, „aber das kann sich bald ändern. Bei der lauten Musik, die du dir immer in die Ohren steckst, sollte es mich nicht wundern, wenn du bald taub bist.
„Oma, nun ist gut“, erwidert Cindy wütend und fährt fort: „Man könnte meinen, alles was die jungen Leute heute machen, ist falsch und gegen euch Alte gerichtet. Hast du in deiner Jugend nur das gemacht, was andere von dir verlangten oder erwarteten?“
Die Situation wird der Großmutter jetzt sichtbar unangenehm, ja fast peinlich. Unruhig rutscht sie auf ihren Stuhl hin und her und weiß, dass auch sie manchmal gegen den Strom geschwommen ist. Aber das möchte sie gegenüber ihrer Enkeltochter jetzt nicht preisgeben und überlegt, wie sie ihren Kopf, ohne Schaden davon zu tragen, aus der Schlinge ziehen kann.
„Jetzt fällt mir gerade ein“, erklärt die Großmutter, „ich habe mir Teewasser aufgesetzt. Das Wasser dürfte jetzt heiß genug sein.“ Während sie spricht, steht sie auf, um das Zimmer zu verlassen und in die Küche zu gehen.
Kurz, bevor sie die Zimmertür hinter sich schließt, ruft Cindy ihr hinterher: „Ich habe dich lieb Oma. Bleib, so wie du bist. Du bist die beste Omi der Welt.“
 Nachdem die Großmutter die Tür hinter sich geschlossen hat, denkt sie: Eigentlich hat es die heutige Jugend viel besser als wir zu unserer Zeit und schmunzelt in sich hinein. Cindy dagegen denkt: ob es mir später auch schwerfällt, mit der Jugend mitzugehen?  Schnell verwischt Cindy diesen Gedanken. Vielmehr ist es an der Zeit ihr schminken zu beenden, denn um sechszehn Uhr trifft sie sich mit ihren Freundinnen und ist schon jetzt gespannt, wie denen ihr neuer Lippenstift gefällt.
 
 

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