Patrick Gappmaier

Der Saal


Dunkelheit.
Alles war umgeben von Schwärze, kein einziger Lichtstrahl gelang in das Innere des endlosen Raumes, der es vermochte die geheimnisvollsten Gedanken eines Individuums wahr werden zu lassen.
Als die schweren, beschlagenen Türflügel aufflogen und eine schlanke, hochgewachsene Gestalt den Saal betreten wollte, zögerte diese und setzte den gehobenen Fuß kurz vor der Schwelle, die in das Nichts führte, ab.
Das glänzende Augenpaar ruhte mit seinem Blick auf der dicken schwarzen Linie, die sich entlang des Durchganges gebildet hatte; das helle, gleißende Licht, welches den vorderen Raum des Saales durchflutete, drang nicht durch die Dunkelheit hindurch und schien wie weggesperrt, nicht willkommen.
Der Diener zögerte nachwievor, doch nahm er all den Mut zusammen den er besaß und setzte einen Fuß vorsichtig vor den anderen und ehe er sich versah, stand er mitten im Nichts.
Mit einem gewaltigen Knall fielen die kolossalen Flügel ins Schloss, doch das Echo, welches die Wände reflektieren und in den Saal zurückwerfen sollten, blieb aus.
Schwer schluckend und mit leichtem Druck auf der Kehle, stand der nun gekrümmte und verängstigte Diener dicht vor dem Eingang.
Seine Hände tasteten zurück, mit der Hoffnung auf Widerstand zu treffen, den Ausgang wieder zu finden, die Tür aufzureißen und das wohltuende Licht wieder auf seiner Haut zu spüren.
Doch dort wo vorher ein Durchgang war, war nur noch Dunkelheit.
Ein lauter Schrei fuhr aus seiner Kehle und sein Herz begann zu rasen; ein nicht auszuhaltender Druck baute sich in seinem Kopf aus und raubte ihm die Sinne. Sein Blutdruck stieg ins Unermessliche, kalter Schweiß rann seinem Rücken entlang und seine schwarze, elegante Robe klebte an seiner feuchten Haut.
„Fürchte dich nicht“, drang es von irgendwoher zu seinem Ohr und er fühlte die Wärme, die seinen Körper erklomm und ihn umarmte, ihm das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit vermittelte.
„Wo seit ihr?“, fragte er rufend in das Nichts, doch eine Antwort blieb aus. Seine Nackenhaare richteten sich auf und er spürte wieder diesen Druck auf seiner Kehle, der ihm die Luft zum Atmen raubte und ihn merklich schnaufen ließ.
Blind und nichtsahnend tappte er nach vorn, die Hände von sich gestreckt, stets damit rechnend auf ein Hindernis zu stoßen.
Er hatte die Geschichten seines Masters und des Saales gehört, wie sie miteinander verwoben waren, er hatte davon gehört, dass schlechte Kunde mit schlechter Gastfreundschaft bestraft wurde.
Doch war es seine Schuld, schlechte Nachrichten zu verkünden? Nein, dachte er, es war seine Aufgabe. Was würde ihn erwarten?
Gerade keimte der kleine Samen der unkontrollierbaren Angst in ihm und sein Wunsch diesen Raum zu verlassen, überstieg jeden Gedanken bis auf einen: Zu sterben...
„Fürchtest du dich?“. Eine tiefe, kehlige Stimme drang zu ihm hindurch und das Knurren das am Ende des Satzes zu hören war, ließ sein Herz für kurze Zeit aussetzen.
Seine Schritte wurden schneller, seine Atmung heftiger, der Druck unausstehlicher.
Er musste aufpassen um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und vornüber zu stürzen, unwissend auf was er landen würde.
„Wo seit ihr? Mein Master, so lasst mich gehen! Ich flehe euch an!“, schrie er , stets die Hände nach vorne gerichtet und auf einmal siehe da: Ein einziger Lichtkegel, unweit von ihm entfernt.
Verdutzt blieb er stehen, sah er doch nirgends eine Quelle die solch ein Licht erzeugen konnte.
Sein Brustkorb hob und senkte sich merklich, die Hände hielt er schützend vor Augen, so hell und blendend ward das Licht.
„Tritt näher und erhebe deine Stimme! Verkünde dein Wort!“, befahl die Stimme aus dem Nichts und der, der sich angesprochen fühlen sollte, blickte noch immer verunsichert und ängstlich dem plötzlich erschienenen Lichtkegel entgegen.
Da packte ihn der Mut und mit einem Mal, erlangte er die Herrschaft über seinen Körper zurück, beseitigte den Druck auf seiner Kehle, zwang sich zur Ruhe und stabilisierte seinen Herzschlag durch langsame Atmung.
Völlig sicher und mit nur einem Ziel vor Augen, senkte der Diener die Arme und schritt in die Mitte des Kegels.
„Mein Master...“, er schloss die Augen, streckte die Hände dem Kegel entgegen und rekte sein Haupt nach oben,“...tötet mich!“.
Die Augen des Dieners weiteten sich, die Pupillen schrumpften und der stockende Atem, der aus der Kehle des nach Luft ringenden Mannes drang, war das letzte Geräusch, welches diesen Körper verließ.
Ein Schwall aus Blut drang aus Nase und Ohren, die Augen verdrehten sich, sodass nur noch das Weiße zu sehen war und der ganze Körper zuckte unkontrolliert.
Als der Körper erschlaffte und der Diener in sich zusammensackte und auf dem Untergrund zu liegen kam, umhüllt von Dunkelheit und unendlicher Schwärze, da wusste er, dass er eins geworden war. Eins mit der Dunkelheit.
Völlig unbeeindruckt von dem Spektakel, erhob er sich, richtete sich auf und schnippte mit den Fingern. Ein leises Echo flog durch den Saal.
„Es ist vollbracht“, sagte er, ein tiefes knurren am Ende des Satzes.
Vor ihm öffneten sich die beschlagenen Türen und gaben den Blick auf einen hellen Raum frei, der keine Schatten warf.
Ein letztes Mal drehte er sich um und auf seinen Lippen war ein kurzes Lächeln zu erkennen. Da drehte er sich um und schritt durch die Pforte.
Der Saal gewährte jeden Wunsch...
Jeden noch so geheimnisvollen und verborgenen Wunsch...
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.04.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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