Aletta Schmidt

Des Hais letzter Tag

Eiskalter Mörder. Leiser Tod aus der Tiefe. Aggressive Bestie. Menschenfresser.
Mit diesen Worten assoziieren mich die Menschen. Dabei sind sie es die die Zeichen nicht sehen und richtig deuten.
Weltweit gehen die Fischbestände zurück. Millionen von Jahren waren diese unsere natürliche Versorgung.
Nun hungern wir und streifen auf unserer Suche nach Nahrung durch die Meere und durchstöbern sogar Flüsse und Küsten.
Schon lange leben wir lautlos nahe neben dem Menschen. Denn manche von uns lernten bereits, dass der Mensch oft Nahrung verhieß. Nicht der Mensch selber, sondern die Fische und Meeresfrüchte, die er anlockte oder einfing. Ja, gelegentlich sogar an uns zu verfütterten um uns zu filmen.
Dass es im Gerangel der Fischschwärme zu Auseinandersetzungen mit Menschen kam, war zwangsläufig nicht umgänglich.
Auch gab es Verwechslungen bei Tauchern. Ihre schwarzen und glatten Taucheranzüge und Flossen ließen sie wie Robben erscheinen, doch als uns der Irrtum bewusst wurde, war der Angriff bereits vollzogen und der Mensch oft schwer verletzt oder tot.
 
Heute gewähre ich Ihnen den Einblick in den letzten Tag meines Lebens. Den letzten Tag eines Hais.
 
Trübes Grün. Schlammiger Flussboden unter mir. Schräg fielen Lichtkegel ins Wasser ein und projizierten silberne Funkelsterne auf die Wasseroberfläche.
Angenehm kühl und sauerstoffreich strömte das Wasser durch meine Kiemen. Gemächlich schlug meine Schwanzflosse von links nach rechts aus.
Auf Nahrungssuche durchstreifte ich den Fluss. Ich erinnerte mich, dass ich hier bereits des Öfteren Nahrung gefunden hatte.
Am Ufer rechts von mir war das Wasser in Unruhe. Die Wasserwellen trafen auf meine Haut. Neugierig wandte ich mich dieser Seite zu und untersuchte die Unruhe aus nächster Nähe.
Immer wieder wallten Wasserblassen empor. Laut und scharf empfand ich das Geräusch, das entstand als immer wieder auf das Wasser eingeschlagen wurde.
Nackte weiße Füße waren zu sehen. Hände und Leiber die auf und ab tauchten.
Menschenkinder. Eine letzte Bahn zog ich an ihnen vorüber und schwamm weiter Fluss aufwärts. Das war keine Beute für mich. Ihre Knochen waren für mich unverdaulich und ihr Fleisch hatte einen eigenartigen Geschmack der mir missfiel.
Flusspflanzen streichelten meinen Bauch im vorüber schwimmen. Vereinzelt erhaschte ich kurz einzelne Fische silbern aufblitzen, diese waren aber zu schnell wieder entschwunden. Zu energieaufwändig ihnen nachzusetzen. Nein, ich verfolgte ein anderes Ziel.
Bald erhaschte ich erste Blicke auf Bootsrümpfe. Das Wasser wirbelte hinter ihnen auf, als sie die Wasseroberfläche mit ihren Motoren durchstoben.
Ruhig folgte ich ihnen bis, sich das Wasser hinter ihnen beruhigte und die Oberfläche zum Stillstand gelangte.
Ich vernahm ihre gedämpften Stimmen und bald wurden die ersten Köder ausgeworfen.
Geduldig umkreiste ich in den Tiefen die Boote.
Bald gesellte sich sogar ein weiterer Hai zu mir und zog ebenfalls seine Kreise.
Interessiert verfolgten wir die Kämpfe zwischen Anglern und angebissenen Fischen.
Ein Netz wurde ins Wasser geworfen und entfaltete sich träge wie eine Qualle im Wasser. Wir hielten weiten Abstand. Netze waren gefährlich. Unser eins konnte sich darin verfangen und schließlich würde man gezwungenermaßen darin ersticken.
Erste Fische zappelten im Netz und bald wäre es dann soweit und es würde Essen geben.
Kraftvoll wurde das Netz wieder an die Oberfläche gezogenen und nach einer Weile flogen die ersten verendeten Fische ins Wasser.
Mit einem kräftigen Flossenschlag schoss ich auf einen treibenden Fisch zu, sperrte mein Maul weit auf und zerbiss den Fisch. Ich musste mir die Fische nicht streitig machen lassen, denn es pflatschten mehr als reichlich weitere Fische in den Fluss.
Immer wieder schlug ich aus und schnappte mir einen Fisch an dem anderen bis ich satt war. Träge schwamm ich mit vollem Magen weiter den Fluss entlang.
Ein eigenartiges Geräusch erreichte mich und ich folgte diesem.
Metallene Fässer trieben aneinander geschnürt auf der Oberfläche. Kleine Wellen schlugen an ihre Wände und erzeugten schallende Geräusche. Ein glitschiges Seil mit einem Gewicht hielt die treibende Insel an Ort und stelle. In respektvollem Abstand umkreiste ich die Insel. Ruckartig schlug ich aus als das Wasser unweit von mir zerstob und mich erschrak.
Etwas traf mich am Kopf.
Etwas war ins Wasser gefallen oder gesprungen.
Mein Körper hob sich und meine Rückenflosse teilte die Wasseroberfläche. Erstmal umkreisen und sehen was es war.
Lärm brauste schrill auf. Wilde Wasserschläge trugen unruhige Wellen zu mir und es floh schnell zurück auf die treibende Insel.
Ich war nicht auf der Jagd, aber neugierig war ich trotzdem. Das Wasser floh über meiner Schnauze und ich erhaschte einen kurzen Blick über die Oberfläche.
Auf den Fässern waren Holzbretter zu einer Art Floss zusammengeschreinert und darauf zappelten und kreischten Menschenkinder umher. Die Wellen die vom Floss ausgingen verstärkten sich und ihre Unruhe drohte mich anzustecken.
Langsam tauchte ich wieder ab und verweilte noch ein paar Runden um das Gebilde.
Die Unruhe im Wasser nahm zu und ein Motorboot näherte sich.
Ein Motorboot verhieß immer etwas positives, sagte ich mir und beschloss diesen Bereich vorerst nicht zu verlassen.
Dumpf durchstieß etwas die Oberfläche und senkte sich in der Nähe herab.
Interessiert schnellte ich herum. Erneut durchstieß das Objekt die Oberfläche und schrammte an meiner Flosse entlang. Schmerz durchzuckte mich und im Wasser vernahm ich den Geruch meines Blutes. Instinktiv wirbelte ich herum und begann den Rückzug.
Vor mir stob das Wasser auf und bevor ich reagieren konnte legte sich ein grünes Netz um meinen Kopf.
Ich konnte nur vorwärts nicht zurück und schlug kräftig mit der Flosse. Kräfte zerrten an mir. Etwas wollte mich empor ziehen also stieß ich weiter nach vorne aus. Das Wasser tobte. Ich kämpfte um die Freiheit. Mein Gebiss öffnete sich verzweifelt ich biss blind von Luftblassen im Wasser immer wieder zu. Die Fäden des Netzes verhedderten sich in meinen Zähnen und das Netzt schnürte mich fester ein. Mühelos schnitten die Schnüre sich in meine sonst so robuste Haut.
Niemals aufgeben. Wer aufgab hatte schon verloren.
Mein Körper erhob sich aus dem Wasser und mein Körpergewicht vervielfachte sich spürbar, doch mein Wille blieb ungebrochen.
Wirre Stimmen riefen, Hände packten meine Flossen und zerrten an mir.
Ich wandte mich wie ein Aal und schlug weiter kraftvoll mit der Flosse aus.
Die Welt begann zu wanken und drehte sich einfach um 360 Grad und ich schlug rabiat auf dem Boden des Bootes auf.
Meine Kiemen pumpten, doch kein Wasser durchströmte diese mehr.
Menschen umkreisten mich. Ein Gewicht legte sich auf meinen Rücken. Große Kräfte hielten meine Schwanzflosse davon ab weiter um sich zu schlagen.
Meine Kräfte versiegten. Kein Sauerstoff um meine Muskeln zu versorgen.
Die Menschen lachten triumphierend und schlugen und tätschelten meine Schnauze.
Mein Körper wurde schwer und träge. Kraftlos beäugte ich den Menschen der sich über mich beugte und mit dem Finger auf meine Zähne deutete.
Das Bild begann zu verblassen. Erst an den Rändern und breitete sich zur Mitte hinaus. Die Welt rotierte und verlor sich in Finsternis.
Die Kiemen hoben und senkten sich ein letztes Mal, wie ein letztes Aufbegehren gegen den Tod. Doch es war vergebens. Ich starb auf dem Boden dieses Bootes.


Verfasst am 08.05.2014 von Aletta Schmidt.
 

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